Predigt über 2. Mose 34,29-35

 

 

 

Textlesung (aus der Guten Nachricht)

 

Als Mose mit den beiden Tafeln den Berg Sinai hinabstieg, wusste er nicht, dass sein Gesicht einen strahlenden Glanz bekommen hatte, während der HERR mit ihm sprach. Aaron und das ganze Volk sahen das Leuchten auf Moses Gesicht und fürchteten sich, ihm nahe zu kommen. Erst als Mose sie zu sich rief, kamen Aaron und die führenden Männer der Gemeinde herbei und er redete mit ihnen. Dann kamen auch die anderen Israeliten, und Mose gab ihnen alle Anordnungen weiter, die der HERR ihm auf dem Berg Sinai gegeben hatte. Als Mose ihnen alles gesagt hatte, verhüllte er sein Gesicht. Sooft er ins Zelt ging, um mit dem HERRN zu reden, nahm er die Verhüllung ab. Wenn er dann herauskam, um den Leuten von Israel zu sagen, was der HERR ihm aufgetragen hatte, musste er sein Gesicht wieder bedecken; denn die Leute konnten das Leuchten auf seinem Gesicht nicht ertragen. So hielt Mose sein Gesicht verhüllt, bis er wieder zum HERRN hineinging, um mit ihm zu reden.

 

 

 

Liebe Gemeinde!

 

Manchmal strahlen wir wie ein Honigkuchenpferd. Es lässt sich auch gar nicht verbergen, dass wir uns über etwas unglaublich freuen. Die Begeisterung lugt aus allen Knopflöchern. Ja, das gibt es. Und wir sollten vielleicht gar nicht so zurückhaltend sein, wenn wir wirklich Grund zur Freude und Begeisterung haben, wenn wir Glück und Herrliches erlebt haben.

 

Manchmal treffen wir Menschen, die haben einfach eine so enorme Ausstrahlung. Ein Leuchten liegt auf ihrem Gesicht, ihre ganze Erscheinung ist wohltuend, anziehend, positiv. Und die sind schon auch ein bisschen zu beneiden. Denn danach sehnen wir uns ja auch, dass wir eine positive Ausstrahlung haben. Wir wollen auch ganz gern vor den anderen glänzen und gut dastehen. Anerkennung und Bewunderung erfahren, ein einnehmendes Wesen und eine wohltuende Aura verbreiten, das ist schon erstrebenswert.

 

Ich meine, dass Gott uns zu solch ursprünglichem Glanz gedacht und gemacht hat. Gott hat den Menschen zu seinem Gegenüber geschaffen. Als Gottes Ebenbild war es den Menschen automatisch gegeben, dass sie vor ihm und mit ihm gelebt haben, um seine Wesensart und Eigenschaften widerzuspiegeln. Durch dieses Miteinander mit ihm war das Leben durchdrungen vom göttlichen Glanz. Gott redet und der Mensch antwortet. Der Mensch wird von Gott geliebt, darum liebt der Mensch. Gott strahlt, der Mensch strahlt zurück. Gott ist gut, der Mensch ist zu anderen und zu sich und der Umwelt gut. Es ist wie beim Mond, der von der Sonne angestrahlt wird. Der Mond leuchtet ja nicht von sich aus, sondern er reflektiert nur das Licht der Sonne. König David hat das so ausgedrückt: „Die auf ihn sehen, werden strahlen vor Freude!“ Und Gott seinerseits will uns Menschen anstrahlen, damit unser Leben hell wird und Leuchtkraft hat. Im Segen am Ende des Gottesdienstes steht es, dass Gottes Angesicht über uns aufleuchten möge und dass Gott uns freundlich zugetan ist und uns anstrahlt.

 

Aber der ursprüngliche Glanz beim Menschen ist weg, pfutsch. Misstrauisch wenden wir uns von Gott ab, setzen uns seinem Glanz, seiner Herrlichkeit nicht mehr aus, verstecken uns vor ihm, genau wie Adam und Eva, von denen auf den ersten Blättern der Bibel steht, dass sie sich vor Gott versteckt haben. Und die Fluchtbewegung weg von Gott setzt sich fort und wird zum Normalzustand. Von Kain, dem Sohn von Adam und Eva, dem Brudermörder, wird berichtet: „Kain verließ die Nähe des HERRN und wohnte im Land Nod (»Land des ruhelosen Lebens«), östlich von Eden.“ Das setzt sich ungebremst fort und seitdem sind wir immer wieder darum bemüht, selber zu glänzen. Wenn Gott uns nämlich nicht mehr anstrahlt und unserem Leben Glanz verleiht, dann wollen wir bewusst oder unbewusst selbst dafür sorgen, dass wir im richtigen Licht stehen. Das hat ganz unterschiedliche Formen und Ausprägungen. Manche inszenieren sich in den sozialen Medien, andere suchen Anerkennung und Bewunderung in traditionellen Strukturen. Manche wollen leuchten, indem sie andere in ein schlechtes Licht stellen, andere erstreben eine glänzende Karriere. Was uns ganz normal erscheint, ist aber im tiefsten Grund der verständliche Versuch, aus eigenem Vermögen heraus zu strahlen, Glanz zu verbreiten.

 

Mose, von dem der Predigttext handelt, war auch jemand gewesen, der sich gern im eigenen Glanz sonnte. Als Prinz von Ägypten war er eine strahlende Persönlichkeit. Und er musste noch nicht einmal viel dafür tun. Alle Türen standen ihm offen.

 

Eines Tage aber wurde ihm klar, dass er von seiner Herkunft her kein Ägypter, sondern ein Israelit war. Und er musste mit ansehen, wie seine Landsleute von den Aufsehern ausgebeutet und misshandelt wurden. Da wollte er eigenmächtig das Unrecht bekämpfen, wollte als erster Prinz von Ägypten in die Geschichte eingehen, der sich für die Menschenrechte eingesetzt hat. Aber das ging schief. Mose, der glänzend dastehen wollte, wurde zum Mörder und musste fliehen. Noch ehe sein Stern am ägyptischen Himmel aufgehen und erstrahlen konnte, ist er im Lande Midian in der Versenkung verschwunden. 40 Jahre lang. Mose war ein Niemand geworden. Dann aber kommt Gott auf Mose zu und mutet ihm etwas ganz Großes zu. Er soll das Volk Gottes aus der Versklavung, aus der Gefangenschaft herausführen und befreien. Ansich steht vor Mose eine glänzende Karriere. Aber mittlerweile ist er realistisch genug, um zu wissen, dass das für ihn eine Nummer zu groß ist. Das packt er nicht. Aber Gott will ja auch gar nicht, dass Mose selbst und aus eigener Kraft als strahlender Held in Erscheinung tritt. Sondern Gott will seinen Glanz und seine Herrlichkeit in ihn hineinlegen. Und das Projekt gelingt trotz großer Widerstände und brutaler Repressalien. Mose bringt das Volk auf den Weg ins verheißene Land. Aber dann verfinstert sich alles. Das Vorhaben droht zu scheitern als das Volk sich einen eigenen Gott bastelt und das goldene Kalb anbetet. Das Volk entzieht sich der strahlenden Herrlichkeit Gottes und tauscht sie ein gegen einen selbstgefertigten, handgemachten Götzen. Und Gott hat die Nase gestrichen voll. Er will das Volk vernichten und mit Mose und seinen Nachkommen noch einmal von vorn anfangen. Mose aber packt Gott bei seiner Ehre und erinnert ihn an seine Zusagen und Verheißungen. Ok, also es geht weiter und Gott verspricht auch, dass er zu seinen Zusagen steht und das Volk ins gelobte Land bringen wird. Mose aber spürt, dass er eine Bestätigung, eine Vergewisserung nötig hat, dass Gott wirklich gut zu ihm und zu den Menschen ist. Und dann spricht er eine Bitte aus, da stockt einem der Atem. Dieses Anliegen des Mose ist so kühn, dass es einem die Sprache verschlagen muss. „Lass mich deine Herrlichkeit sehen!“ Mose sehnt sich danach, die Größe und den Glanz Gottes zu erleben. Er wünscht sich nichts mehr, als unmittelbaren Kontakt und eine ganz enge Beziehung zu Gott zu haben. Mose will, dass der Glanz Gottes und seine Herrlichkeit aufstrahlen. Er will die Gewissheit haben, dass Gott wirklich Gott ist. Und Gott gewährt es ihm – allerdings mit Abstrichen. Gott sagt Mose, dass er Gott nicht von Angesicht zu Angesicht sehen kann. Das würde Mose nicht aushalten, in der unmittelbaren Nähe Gottes zu sein. Aber Gott offenbart sich dem Mose so, dass es den nicht umbringt, sondern er die Gnade und Barmherzigkeit Gottes unzweifelhaft erlebt. Gott zieht an ihm vorüber, Mose hat in guter Weise das Nachsehen und er hört voller Staunen: „Ich bin der HERR, der barmherzige und gnädige Gott. Meine Geduld ist groß, meine Liebe und Treue kennen kein Ende!

 

Ich lasse Menschen meine Liebe erfahren über Tausende von Generationen. Ich vergebe Schuld, Unrecht und Sünde, doch ich lasse nicht alles ungestraft. Wenn jemand an seiner Schuld festhält, dann muss er die Folgen tragen, und nicht nur er, sondern auch seine Kinder, Enkel und Urenkel!“

 

Das hört Mose. Und er leuchtet auf im hellen Glanz und Licht dieser Geduld und Treue Gottes, Mose wird buchstäblich erleuchtet von der Liebe und Barmherzigkeit Gottes, er nimmt die Aura der Gerechtigkeit und Heiligkeit Gottes wahr und strahlt. Er reflektiert das Licht Gottes. Und so kommt er vom Berg runter zu den Israeliten, zu Aaron und den Obersten des Volkes. Er hat immer noch diese Ausstrahlung an sich, der Glanz Gottes geht immer noch von ihm aus. Und das können die Israeliten nicht aushalten. Aber viel wesentlicher ist, dass Mose selbst gar nicht realisiert hat, dass immer noch der Glanz von ihm ausgeht, dass er leuchtet wie der Mond, der von der Sonne beschienen wird.

 

Nun müssen wir aber auch festhalten, dass das hier bei Mose kein Dauerzustand gewesen ist. Der hat nicht für den Rest seines Lebens gestrahlt wie ein Vollmond. Aber wir haben es mit einer zeichenhaften Momentaufnahme zu tun, die wir durchaus auf uns übertragen können. Mose wollte die Herrlichkeit Gottes sehen. Für eine solche Begegnung ist uns Gott gnädiger Weise sehr entgegen gekommen. Er ist einfach Mensch geworden. In Johannes 1,14 steht: „Er, der das ewige Wort Gottes ist, wurde Mensch und lebte unter uns. Er war voll Gnade und Wahrheit und wir wurden Zeugen seiner Herrlichkeit, der Herrlichkeit, die der Vater ihm, seinem einzigen Sohn, gegeben hat.“ Wenn wir also ähnlich wie Mose den Wunsch haben, Gott in seiner Herrlichkeit und Größe, in seinem Glanz und seiner Macht zu sehen, damit sein Licht unser Leben erhellt, dann sollen wir uns das Leben von Jesus Christus anschauen. Transformiert in irdische Existenz kommt Gott so auf uns zu, dass wir ihn sehen können, ohne zu vergehen. Wenn wir uns mit der Liebe und Treue, der Menschenfreundlichkeit und Barmherzigkeit, der Vergebungs- und Versöhnungsbereitschaft Jesu beschäftigen, dann strahlt Gottes Herrlichkeit auf. Und dann gilt es, dass wir uns der Herrlichkeit und Heiligkeit Gottes stellen und uns von ihm durchleuchten und erleuchten lassen.

 

Wir können von Mose lernen, der immer wieder in die Gegenwart Gottes getreten ist. Immer wenn er dort war, wurden der Glanz und die Ausstrahlung erneuert. So wünsche ich mir das für mich und für uns, dass wir in der Gegenwart Gottes sind, wenn wir beten und die Bibel lesen, wenn wir im Bewusstsein seiner unmittelbaren Nähe des Heiligen Geistes vor ihm sind. Und dass wir dann von innen heraus erneuert werden und mehr und mehr strahlen. Das soll und wird dann aber nicht ein Strahlen sein, das von uns ausgeht und von uns selbst kommt, sondern das von ihm, unserem Herrn und Gott. Der Apostel Paulus hat das folgendermaßen formuliert: „Gott hat einst gesagt: »Licht strahle auf aus der Dunkelheit!« So hat er auch sein Licht in meinem Herzen aufleuchten lassen und mich zur Erkenntnis seiner Herrlichkeit geführt, der Herrlichkeit Gottes, wie sie aufgestrahlt ist in Jesus Christus“ (2. Korinther 4,6).

 

Ja, manchmal strahlen wir wie ein Honigkuchenpferd. Das ist wahrscheinlich bei keinem von uns der Dauerzustand. Aber es ist schön, wenn wir manchmal vor lauter Freude und Begeisterung um die Wette strahlen, weil wir uns in der Herrlichkeit unseres Herrn und Freundes Jesus Christus sonnen. Ja, manchmal treffen wir Menschen, die eine wohltuende und anziehende und positive Ausstrahlung haben. Vielleicht sollten wir uns um eine solche Ausstrahlung bemühen. Aber bitte nicht verkrampft und selbst inszeniert, sondern so, dass wir die Freundlichkeit und Güte Gottes uns immer mehr durchleuchten und erleuchten lassen, damit dann der Geist des Herrn in uns wirkt, sodass wir ihm immer ähnlicher werden und immer stärker seine Herrlichkeit widerspiegeln.

 

Das wünsche ich uns allen.

 

AMEN