1. Korinther 3,11 (zum Reformationsfest)

 

„Einen anderen Grund kann niemand legen als den, der gelegt ist, welcher ist Jesus Christus.“

 

 

 

Liebe Freunde,

 

wer schon mal in der Toskana in Italien im Urlaub war, hat sich dabei sicher den schiefen Glockenturm in Pisa angeschaut. Dieser Glockenturm, alleinstehend neben dem mächtigen Dom und der Taufkirche, ist schon ein beeindruckendes Bauwerk. Im Jahre 1173 wurde mit dem Bau begonnen. Aber schon einige Jahre später, als das dritte Geschoss mit der umlaufenden Loggia fertiggestellt war, hat sich herausgestellt, dass der Boden die Belastung nicht trug und das Bauwerk sich geneigt hat. Die Bauarbeiten wurden eingestellt. 100 Jahre später hat man die Arbeiten wieder aufgenommen. Die nächsten Stockwerke wurden nun entgegen der Neigung gebaut. Deswegen hat der Turm zwischen der dritten und vierten Etage einen leichten Knick. Als schließlich um das Jahr 1350 die Glockenkammer auf den Turm gesetzt wurde, hat man die Neigung fast vollständig ausgeglichen.

 

Das große Problem bei diesem Bau ist das Fundament. Das Fundament in etwa 3 mtr Tiefe besteht aus einer 40 cm starken Lage aus Steinen, kreisrund mit knapp 20 mtr Durchmesser. Diese Fläche und die Fundamenttiefe sind viel zu gering dimensioniert. Außerdem besteht der Untergrund des Turmes aus mehreren Schichten Lehm und Ablagerungsmaterial. Das ist Schwemmland. Ungefähr einen Meter unter dem Fundament wird der Boden sogar von Grundwasserschichten durchquert. Das weiche, lehmige Material gibt unter der Last des ca. 14.500 t schweren Marmors natürlich nach. Unglücklicherweise ist die Lehmschicht nicht gleichmäßig dick: Nach Süden, in Richtung der Turmneigung wird die Schicht elastischer, das bedeutet, dass der Turm hier schneller einsinkt. Das Innere der Ringmauer besteht nicht aus behauenen Quadern, sondern aus schlecht vermörtelten Bruchsteinen, die wenig Druck aufnehmen können. Innen und außen wurde aber schwerer Marmor verarbeitet.

 

Für mich ist dieser Turm zu einem Symbol für die Kirche, für die Gesellschaft und auch für unser persönliches Leben geworden. Wenn das Fundament nicht stimmt, dann kann die äußere, sichtbare Gestalt noch so kunstvoll und ästhetisch und fulminant sein. Das ganze Gebilde kommt bei einem schlechten Fundament in eine bedrohliche Schieflage.

 

Darum ist uns für den Reformationstag (31. Oktober) der Bibeltext aus 1. Korinther 3 vorgegeben. Denn auf das Fundament kommt es an. Nicht nur bei einem Haus oder einem Turm, sondern auch und gerade bei der Kirche und der Gesellschaft und bei unserem Leben.

 

Der Apostel Paulus verwendet das Bild vom Fundament und dem Bau eines Gebäudes. Er hatte nämlich die berechtigte Befürchtung, dass die christliche Gemeinde in Korinth in eine gefährlich Schieflage gerät. Die einen wollten die Gemeinde auf Paulus gründen. Die anderen haben in den Predigten und Lehren des Apollos die Basis der Gemeindearbeit gesehen. Aber Paulus wehrt das kategorisch ab. Weder Paulus noch Apollos sind eine tragfähige Basis für eine Gemeinde. Gemeinde Jesu gründet niemals auf den Gemeindegründern. Sondern sie gründet auf Jesus. „Einen anderen Grund kann niemand legen als den, der gelegt ist, welcher ist Jesus Christus.“ Zu diesem Fundament gibt es keine Alternative. Denn Gott selbst hat Jesus gesetzt und bestimmt zur Basis der Gemeinde. Neben dieses Fundament darf man auch kein zweites oder drittes Fundament legen. Man darf auch nicht nur teilweise auf diesem Grund bauen. Das muss unweigerlich in der Katastrophe enden.

 

Dieser Vers passt außerordentlich gut zum Reformationsfest. Denn zur Zeit Luthers hatte die Kirche eine unfassbar schreckliche Schieflage. Es war die Zeit des Umbruchs vom Mittelalter in die Neuzeit. Die Dekadenz, der innere Zerfalls und der Absturz der Kirche waren unübersehbar. Zum Beispiel gab es Anfang des 15. Jahrhunderts gleichzeitig drei Päpste, die sich gegenseitig exkommuniziert haben. Die Gesellschaft hat realisiert, dass es der Kirche nur noch um den Erhalt ihrer Vormachtstellung geht. Verbissen versucht Rom aber, seine Position zu verteidigen. So genannte Ketzer werden verbrannt. Gegner werden ermordet. Päpste investieren mehr Geld in Militärausgaben als in die Bezahlung der Priester. Und um Größe zu demonstrieren, werden überdimensionierte Dome gebaut, z.B. der Petersdom in Rom. Damit die finanziert werden können, verkauft der Vatikan Ablassbriefe und ruft ein Erlassjahr aus, in dem die Leute nach Rom pilgern sollen (damit sie ihr Geld dalassen). Angst wird geschürt, Macht wird ausgespielt, und das grundlegende, fundamental wichtige Evangelium wird an den Rand gedrängt.

 

Damit habe ich nur ganz kurz und knapp und sehr unvollkommen beschreiben können, wie die Situation zur Zeit Luthers war. Ich will das noch mal in vier Stichworten konkretisieren. Die Fundamente waren:

 

1.      Das Schwemmland der Vielgötterei in der Renaissance und des Humanismus. Indem man sich zurückbesonnen hat auf die Antike wurde der lebendige Gott neben die anderen Götter gesetzt. Im Reigen der antiken Gottheiten schreitet Jesus Christus einher (das ist übrigens heute in der Gesellschaft nicht anders). Da wundert es nicht, dass eine der vier tragenden Säulen, auf der die Kanzel im Dom von Pisa ruht, neben Jesus Christus auch der griechische Halbgott Herkules ist.

 

2.      Das Schwemmland der Heiligenverehrung, des Reliquienkultes und der Marienvergötzung.

 

3.      Das Schwemmland eines gefährlichen Sakramentsverständnisses. Die Überzeugung war, dass ein Sakrament wie beispielsweise die Beichte seine Wirkung hat, ganz unabhängig von der inneren Einstellung des Menschen, der beichtet (auch hier müssen wir feststellen, dass das heute auch noch so ist). Dagegen hat Luther gesagt, dass Gott mit uns Menschen doch nicht verfährt wie mit einem Holzklotz.

 

4.      Das Schwemmland des Ablasshandels. Hier hat Luther am lautesten protestiert. Seine 95 Thesen beziehen sich ja in erster Linie auf die unselige Praxis des Ablasshandels. Ich zitiere mal die Thesen 32, 52 und 53:
(32) Wer glaubt, durch einen Ablassbrief seines Heils gewiss sein zu können, wird auf ewig mit seinen Lehrmeistern verdammt werden.
(52) Auf Grund eines Ablassbriefes das Heil zu erwarten ist eitel, auch wenn der (Ablass-)Kommissar, ja der Papst selbst ihre Seelen dafür verpfändeten.
(53) Die anordnen, dass um der Ablasspredigt willen das Wort Gottes in den umliegenden Kirchen völlig zum Schweigen komme, sind Feinde Christi und des Papstes.

 

Ich habe mich gefragt, ob es auch bei uns heute vergleichbare Dinge oder Überzeugungen gibt, auf die wir uns gründen. Es könnte die bloße Kirchenmitgliedschaft sein. Oder die Kindertaufe, die man erfahren hat, aber sich weder daran erinnern kann noch überhaupt weiß, was das bedeutet, getauft zu sein. Es könnte auch die (selbstbewusste) Überzeugung sein, dass man ja immer anständig gewesen ist, edel, hilfreich, fleißig und gut. Bei manchen ganz frommen Menschen sind es vielleicht noch ganz andere Dinge, auf die sie sich stützen und verlassen.

 

Aber das alles trägt nicht. Sondern das Fundament ist eine Person. Jesus Christus ist das Fundament, er ist die Basis, er ist der Grund. Das Wissen über ihn ist gut. Aber bei allem Wissen über Jesus dürfen wir Jesus selbst nicht vergessen. Eine gesunde Gemeinde ist hilfreich und nötig. Aber in der Gemeinde gründen wir uns auf Jesus. Die Bibel und das Gebet sind unverzichtbar. Aber nicht das Gebet ist tragfähig, sondern der, mit dem ich reden darf. Luther war in einer tragfähigen Glaubensgemeinschaft, er konnte das Neue Testament fast auswendig, er hat wie kaum ein anderen gebetet. Aber er hat erkannt: „Wenn du Christus nicht hast, so hast du nichts.“

 

Auf diesen Christus verweist uns der Apostel Paulus, auf ihn hat Luther hingewiesen. Wenn wir uns auf Christus gründen, dann ist es immer der gekreuzigte und auferstandene Christus. „Der Grund, da ich mich gründe, ist Christus und sein Blut!“ So heißt es in einem Kirchenlied. Das Fundament des Lebens ist Jesus, und das heißt: Auf ihn stütze und verlasse ich mich. Wenn es darum geht, dass mich einer kennt und durchschaut und liebt, dann bin ich bei ihm an der richtigen Adresse. Wenn es darum geht, dass mir einer Hochachtung und Wertschätzung entgegenbringt, dann ist er der richtige. Wenn mich einer in meiner Freude beglückwünscht und in meinem Schmerz versteht, dann er. Und wenn einer die Bereitschaft und die Fähigkeit hat, mir meine Unzulänglichkeit, mein Scheitern, mein Versagen, meine destruktiven Gedanken, Worte und Taten, meine ganze verflixte Schuld zu vergeben, dann nur er. Und wenn ich mich nach Ruhe und Frieden in alle Ewigkeit sehne, dann kann nur er mir das geben.

 

Das alles hat untrennbar mit dem Kreuz Jesu zu tun. Jesus hat da alle Abgründe menschlichen Hasses durchlitten. Er zeigt mir da am Kreuz, was ich ihm wert bin. Er hat da die Strafe für die Schuld von ALLEN Menschen auf sich genommen, hat ein für alle Mal für alles gesühnt. Deswegen können wir uns auf ihn verlassen und gründen. Und deswegen dürfen wir das Kreuz niemals unterschlagen. Wir dürfen es nicht deformieren lassen durch den Wind der Meinungen, dürfen es nicht dem Zeitgeist anpassen, dürfen es nicht verniedlichen und nicht verharmlosen. Die Gestalt des Kreuzes erinnert uns immer daran, dass wir von Jesus unser Leben und unsere Hoffnung haben. Diese Gestalt des Kreuzes erinnert uns auch daran, dass Jesus uns trägt und prägt.

 

Darum müssen die Kirche Jesu und seine Gemeinde und auch unser Leben unmittelbar auf Jesus gegründet sein. Wenn er nicht mehr das Fundament ist, wenn er nicht mehr die Richtung vorgibt, dann kippt das Gebilde und unser Lebensgebäude.

 

Darum sind wir eingeladen und aufgefordert mit Jesus verbunden zu sein. Wir wollen an ihm hängen. Luther hat gesagt: „Durch den Glauben an Jesus wirst du so mit Christus zusammengeschweißt, dass aus dir und ihm gleichsam eine Person wird, die man von ihm nicht losreißen kann, sondern die beständig an ihm anhangt. Wir sind durch den Glauben mit ihm verbunden, so dass dieser Glaube Christus und mich enger verbindet als Gatte und Gattin verbunden sind!“ Der Apostel Paulus hat diese enge Verbindung so ausgedrückt: „Ich lebe, doch nun nicht ich, sondern Christus lebt in mir.“

 

Eine Anekdote erzählt, der Satan habe an Luthers Haustür geklopft: „Wohnt der Doktor Luther hier?“ Der Reformator antwortete aus dem Fenster heraus: „Nein der ist schon lange tot!“ - „Aber wer wohnt denn jetzt hier?“ - „Der Herr Jesus Christus!“ Darauf habe der Teufel sich schleunigst davon gemacht.

 

Mit diesem Christus will ich verbunden sein und bleiben, weil nur er mich bis in die Ewigkeit trägt und hält. In einer Liedstrophe gibt Martin Luther den Zuspruch von Jesus mit folgenden Worten wieder:
„Er sprach zu mir: Halt dich an mich, es soll dir jetzt gelingen; ich geb mich selber ganz für dich, da will ich für dich ringen; denn ich bin dein, und du bist mein und wo ich bleib, da sollst du sein, uns soll der Feind nicht scheiden.“

 

Darum sollen wir auch auf Christus unser Lebenshaus bauen. Alles soll sich auf ihn beziehen können. In allem sollen wir uns auf ihn berufen können. Die Lebensgestaltung darf nun nicht neben Jesus stattfinden. Der gläubige Sonntagschrist ist in Jesus verankert. Und das Alltagsmensch baut nicht auf Jesus? Das wäre ungesund, krank, das wäre schizophren. Nein, sondern so soll es sein: „Alles was ihr tut mit Worten oder mit Werken, das tut alles im Namen des Herrn Jesus!“ Und nicht aus einem aufgenötigten Zwang heraus. Sondern aus Liebe. Luther sagt, dass die die Lehre von der freien und souveränen Gnade Gottes „unser Herz süß gegen Christus“ machen soll. Wir werden durch die Liebe Gottes verwandelt und Jesus, unser Fundament, immer mehr lieben.

 

So bauen wir aus Liebe zu Jesus auf diesem Fundament auf. Nicht lasch und hemdsärmelig. Nicht mittelmäßig und lieblos. Nicht unter unseren Möglichkeiten und Fähigkeiten, sondern mit Liebe und Leidenschaft für Jesus. Ja, das wird unser Leben prägen und verändern. Denn Jesus, das Fundament, gibt dem Leben Halt, Inhalt und Gestalt.

 

AMEN