Ich bin das Brot des Lebens

 

 

 

Liebe Freunde!

 

In den nächsten Wochen wollen wir uns mit der Frage beschäftigen, wer und wie Jesus ist. Denn Jesus ist die Schlüsselfigur der Weltgeschichte, er ist die Schlüsselfigur im christlichen Glauben. Und er macht den entscheidenden Unterschied zwischen dem Christentum und allen anderen Religionen, Philosophien und sonstigen Lebenskonzepten. Wenn wir der Frage nachgehen, wer Jesus ist, dann könnten wir in theologischen Werke die „Christologie“ studieren, wir könnten die drei Bände von Josef Ratzinger mit dem Titel „Jesus von Nazareth“ oder die 1000 Seiten im Buch „Jesus – Eine Weltgeschichte“ von Markus Spieker durcharbeiten. Das alles ist sehr spannend und hilfreich und kann uns auch in der Beziehung zu Jesus enorm weiterhelfen. Aber für eine Predigtreihe in unseren Gottesdiensten würde das zu weit führen. Deswegen schauen wir in die Bibel und nehmen wahr, was Jesus über sich selbst gesagt hat. Und weil Bilder mehr aussagen als 1000 Worte, hat Jesus auch über sich in Bildern gesprochen. Im Bericht über das Leben Jesu hat der Evangelist Johannes sieben bildhafte Vergleiche festgehalten, mit denen Jesus unterschiedliche Aspekte seines Wesens und seiner Bedeutung beschrieben hat.

 

Fangen wir mit dem ersten Bildwort an. Jesus sagt: „Ich bin das Brot des Lebens. Wer zu mir kommt, den wird nicht hungern; und wer an mich glaubt, den wird nimmermehr dürsten“ (Johannes 6,35).

 

Bei dem Bild vom Brot haben wir alle eine bestimmte Art und Sorte von Brot vor Augen. Was für ein Brot ist Jesus in deinen Gedanken und Vorstellungen? Ich will mal ein paar Möglichkeiten aufzeigen, wie sich manche Menschen Jesus als das Brot vorstellen.

 

  • Jesus ist Weißbrot. Das ist sicher schmackhaft, aber auf Dauer nicht so gesund und zuträglich. Und bei unsachgemäßer Lagerung wird es schnell schlecht und schimmelig. Aber Jesus ist kein schlechtes oder ungesundes Brot.

 

  • Manche meinen, Jesus sei ein Knusperbrot, am liebsten leicht und cross. Da muss man weder kauen noch schlucken, die Kohlenhydrate wandeln sich sofort in Zucker um. Das macht auch nicht wirklich satt. Aber an Jesus hast du manchmal ganz schön zu kauen.

 

  • Ist Jesus wie ein Reis Cracker? So ein Reis Cracker hat weder Nährstoffe noch Geschmack. Jesus ist allerdings nicht geschmacklos und auch nicht inhaltsleer.

 

  • Manche verwechseln Jesus mit „Flüssigbrot“, also Bier oder ähnlichen Getränken. Das macht satt und dick, und das macht betrunken. Jesus aber will uns nicht besoffen machen.

 

  • Für andere ist Jesus wie die Geburtstagstorte. Einmal im Jahr genießen sie ihn, feiern seinen Geburtstag, aber an den anderen 364 Tagen ist er bedeutungslos. Jesus aber ist alltäglich

 

  • Einige Menschen finden, dass Jesus wie ein Rosinenbrötchen ist. Sie picken sich nur das raus, was ihnen an ihm schmeckt.

 

  • Andere sehen in Jesus das Brötchen, das es nur einmal in der Woche gibt. Aber Jesus ist nicht nur was für den Sonntag, sondern für jeden Tag!

 

  • Ist Jesus wie ein Fladenbrot? Flach, ohne Tiefgang? Viele scheuen sich davor, sich tiefer und eingehender mit Jesus zu befassen.

 

  • Manche missbrauchen Jesus wie eine Grissini Stange. Das sind so große Salzstangen, mit denen kann man so schön auf die anderen zeigen. Aber Jesus will nicht als Moralapostel missbraucht werden, denn er liebt die anderen, die Sünder.

 

  • Kennt ihr noch das Dauerbrot? Gab es bei der Bundeswehr im EPa (Einmannpackung). Das ist was für Notzeiten. So sehen manche in Jesus die Notration fürs Alter.

 

Das sind Vorstellungen, die wir vielleicht mit Brot verbinden. Damals hatten die Leute weder Weißbrot noch ein YES-Törtchen vor Augen, sondern ein ganz alltägliches Brot. Und solch alltägliches Brot hatte Jesus einer riesengroßen Menschenmenge spendiert. Der Textzusammenhang, die Rahmenhandlung für das Selbstzeugnis von Jesus war, dass er vor 5000 Männern gepredigt und ihnen zu essen gegeben hat. Zu diesen Männern können wir getrost nochmal so viele Frauen und wer weiß wie viele Kinder hinzuzählen. So viele Menschen also wurden satt!!! Das ist natürlich absolut beeindruckend. Und deswegen wollen die Menschen Jesus zum Ernährungsminister, besser noch gleich zum König machen. Denn, so sagen sie sich, dann werden wir jeden Tag satt. Dann haben wir Brot in Hülle und Fülle. Das war die Erwartungshaltung damals. Das ist die Haltung von vielen Menschen heute. Jesus hat mal geholfen. Super! Und deswegen soll er wieder helfen. Und wieder und wieder.

 

Aber Jesus entzieht sich diesem Anspruchsdenken. Er sucht das Weite. Die Menschen lassen allerdings nicht locker. Sie suchen und finden ihn am nächsten Tag in Kapernaum. Da sagt Jesus: „Ich weiß, weshalb ihr mich sucht: doch nur, weil ihr von mir Brot bekommen habt und satt geworden seid; nicht weil ihr verstanden hättet, was diese Wunder bedeuten“ (Johannes 6,26). Die Menschen (damals wie heute!) verstehen nicht, dass die Wunder Zeichen sind. Zeichen aber haben die Funktion, dass sie auf etwas anderes, auf etwas größeres hinzeigen. Die geistliche Bedeutung der Wunder verstehen sie nicht. Und so wird Jesus zum Problemlöser-Gott degradiert. Er wird als Gott missbraucht, der unser Leben verschönern soll. Jesus soll hin und wieder das Leben etwas versüßen, oder er soll eine Notration für schlimme Zeiten sein. Oder ähnlich wie das „Flüssigbrot“ kann er ja immer mal für gute und heitere Stimmung sorgen. Aber wer Jesus nur so und nur sporadisch in sein Leben integrieren will, der verpasst das Eigentliche. Jesus will unser Leben ausfüllen und will uns satt machen. Das Vakuum füllen, den Hunger stillen, den Durst löschen. Der Philosoph, Mathematiker und Physiker Blaise Pascal hat erkannt: „Im Herzen eines jeden Menschen befindet sich ein von Gott geschaffenes Vakuum, das durch nichts Erschaffenes erfüllt werden kann als allein durch Gott, den Schöpfer, so wie er sich in Christus offenbart.“

 

Tatsache ist, dass wir Menschen zwar um dieses Vakuum in uns wissen oder es zumindest erahnen, dass wir es aber mit allem Möglichen ausfüllen wollen. Es gibt vieles, was wir uns wünschen und wovon wir satt werden wollen. Wir wünschen uns einen verlässlichen und liebevollen Ehepartner. Wir sehnen uns nach Familie und guten Freunden. Natürlich hoffen wir, Erfüllung im Beruf oder einer sinnvollen Alltagsgestaltung zu finden. Gesundheit und Wohlergehen stehen auch ganz oben auf der Wunschliste. Und Freizeit, Hobby, Urlaub sind uns auch ziemlich wichtig.

 

Und das alles und manches andere ist wirklich wichtig und schön und gut und nötig. ABER am Ende des Tages, am Ende unseres Lebens sind alle aufgezählten und heiß ersehnten Dinge vergänglich. Am Ende stehen wir allein da, ohne Familie, Beruf, Geld, Urlaub etc. Und auf Dauer macht das alles auch nicht wirklich satt. Deswegen sagt Jesus: „Bemüht euch doch nicht nur um das vergängliche Brot, das ihr zum täglichen Leben braucht! Setzt alles dafür ein, die Nahrung zu bekommen, die bis ins ewige Leben reicht (damit meint er die Nahrung, die von Dauer ist und die uns das ewige Leben schenkt)“.

 

Dieses Angebot macht uns Menschen neugierig. Hier wird eine Nahrung angeboten, die uns das ewige Leben verspricht. Das klingt wie ein Ultra-Power-Riegel, wie ein hypergenialer Energydrink. Stellt euch das vor, so ein Riegel, so ein Getränk würde zum Verkauf angeboten. Die Reaktionen würden wahrscheinlich zwischen berechtigter Skepsis und erwartungsvoller Euphorie hin- und herschwanken. Die Anbieter würden als Scharlatane verschrien oder als Retter der Menschheit verherrlicht.

 

Es ist nicht verwunderlich, dass die Menschen damals auf das Angebot Jesu angesprungen sind, zumal Gott höchstpersönlich der Anbieter dieses Lebensmittels ist. Und in Jesus haben sie den Übermittler des Lebensbrotes gesehen.

 

Daraufhin sagt Jesus aber: „Ich, ich bin das Brot des Lebens. Wer zu mir kommt, den wird nicht hungern; und wer an mich glaubt, den wird nimmermehr dürsten.“ In diesem Satz stecken mindestens zwei Aussagen drin, die es in sich haben, die hochexplosiv sind.

 

Erstens sagt Jesus nicht einfach nur „ich bin“. Sondern er formuliert es so: „Ich bin, der ich bin!“ Jeder, der das damals hört, denkt sofort an den Namen Gottes. Denn so stellt Gott sich dem Mose und seinem ganzen Volk vor. Gottes exklusiver Name, den nur er allein tragen darf, lautet: „Ich bin, der ich bin!“ Und jetzt kommt Jesus Christus und sagt: „Ich bin, der ich bin das Brot des Lebens!“ Jeder versteht sofort, was er damit sagt. Er sagt: „Ich bin Gott! Und ich bin das Brot des Lebens!“

 

Das haben die Menschen damals sehr, sehr gut verstanden. Und darum fangen sie an zu schimpfen und zu motzen, sie regen sich tierisch darüber auf. „Was bildet der sich ein zu sagen, dass er vom Himmel gekommen ist. Den kennen wir doch, der ist doch hier aus der Nähe. Seine Eltern sind doch Josef und Maria, der kommt doch aus Nazareth.“ Jesus aber will es ihnen plausibel machen und er sagt, dass es doch Gott selbst ist, der seinen Sohn bestätigt und niemand kann etwas mit Jesus anfangen, wenn Gott nicht an den Menschen arbeitet. Und was Gott ihnen durch Jesus anbietet, das ist nicht so vergänglich wie das, was wir an Nahrung zu uns nehmen oder womit wir unseren inneren Hunger stillen wollen. Aber sie murren und empören sich darüber, dass er gesagt hat „Ich bin, der ich bin das Brot des Lebens, das vom Himmel gekommen ist.“

 

Wie schon gesagt: An Jesus scheiden sich die Geister. Er ist die Schlüsselfigur des christlichen Glaubens. Aber wenn er Gott ist, dann ist er kein „Ach Gottchen“. Um das Bild aufzugreifen, das Jesus selbst verwendet, ist Jesus DAS Brot und kein Brötchen für einmal in der Woche. Er ist Gott für alle Tage. Jesus ist erst recht kein Maskottchen, das für mein Glück verantwortlich ist. Er nicht die Sahne auf dem Kuchen, nicht die Kirsche auf dem Törtchen, er ist kein Lebensverschönerer-Gott. Sondern der ewige Gott, der ewiges Leben bringt. Jesus ist kein Notnagel-Gott wie das Dauerbrot, das ich nur dann hervorhole, wenn alles andere nicht mehr greift. Sondern das Brot des Lebens, von dem wir alle Tage leben und essen können und sollen.

 

Das ist das zweite, was die Menschen damals gehört haben und worüber sie sich aufgeregt haben. Wenn Jesus von sich sagt, dass er DAS Brot des Lebens ist, was ist denn dann der richtige Umgang mit ihm? Brot ist zum Essen da. Ins Brot beißt man rein, kaut es und schluckt es runter. Das Unverständnis und das Ärgernis der Menschen ist, dass sie nicht wissen, was sie mit Jesus anfangen sollen. Mit bissiger Ironie haben sie damals gefragt, ob sie das Fleisch essen sollen. Sollen sie etwa zu Kannibalen werden??? Jesus scheint sogar das kannibalische Missverständnis noch zu fördern. Er sagt: „Das eine steht unumstößlich fest: Wenn ihr den Leib des Menschensohnes nicht esst und sein Blut nicht trinkt, habt ihr kein ewiges Leben. Nur wer meinen Leib isst und mein Blut trinkt, der hat ewiges Leben, und ihn werde ich am letzten Tag auferwecken. Denn mein Leib ist die lebensnotwendige Nahrung, und mein Blut der lebenspendende Trank. Wer meinen Leib isst und mein Blut trinkt, der bleibt in mir, und ich bleibe in ihm.“

 

Was meint Jesus damit? Mit Sicherheit will er nicht, dass wir wie die wilden Tiere sein Fleisch ihm von den Knochen reißen. Sondern er will, dass wir es uns aneignen und einverleiben, was er uns anbietet. Ihn selbst sollen wir in uns aufnehmen, ihm Einlass gewähren. Wir sollen es ihm gestatten, dass er unser Leben füllt und ausfüllt mit seinen Gaben. Wenn er nämlich DAS Brot ist, dann ist ER es, von dem wir leben. Dann macht uns seine Liebe glücklich, seine Wertschätzung macht uns wertvoll, seine Gegenwart schenkt uns Frieden, seine Barmherzigkeit lässt uns aufatmen und macht uns selbst barmherzig. Und der ständige, der tägliche Umgang mit ihm, dass wir ihn buchstäblich nötiger haben als das tägliche Brot, prägt unser Leben. Die Beziehung zu ihm ist uns so wichtig wie essen und trinken. Und so, wie wir täglich essen und trinken, so leben wir täglich mit ihm. Reden mit ihm, nehmen ihn mit in den Alltag, in Freud und Leid. In Last und Lust. Vertrauen ihm und lassen uns seinen Trost gefallen. Hören auf ihn und machen uns bewusst, dass wir ihm gehören.

 

Und jedes Mal, wenn wir am Abendmahl teilnehmen, werden wir darin bestärkt, dass Jesus seinen Leib für uns geopfert und sein Blut für uns vergossen hat. Im Abendmahl nehmen in Form von Brot und Wein dieses Opfer für uns in Anspruch. Und so sicher, wie wir uns das Brot und den Wein einverleiben, so gewiss nehmen wir seine Liebe in uns auf. Das stärkt und bewahrt uns im Glauben an Jesus bis ins ewige Leben.

 

Und der Friede Gottes, der höher ist als all unsere Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus, unserem Herrn.

 

AMEN

 

 

 

PS: Wer die Möglichkeit hat, sollte sich unbedingt auf Youtube das Video von Matthias Jungermann über das Thema der Predigt anschauen. In der Youtube-Suche eingeben „Matthias Jungermann Radieschenfieber Brot des Lebens“. Das lohnt sich!