Auf der Spur des Glücks

 

 

 

Vorbemerkung: In den nächsten Wochen drehen sich die Predigten um das Glücklichsein. Anregungen dazu entnehme ich dem Buch „Auf der Spur des Glücks“ von Henry Cloud.

 

 

 

Liebe Gemeinde,

 

ich kann die Skepsis verstehen, die manche bei dem Titel und den Themen für die nächsten Predigten haben. „Auf der Spur des Glücks.“ Das klingt schwer nach Rezeptesammlung, frei nach dem Motto „7 Schritte zum Erfolg“ – „8 Wege zum gelingenden Leben“ – „Die 10 ultimativen Tipps für den zufriedenen Alltag“. Ich hatte zunächst befürchtet, dass das Buch, das mir hier empfohlen wurde, genau so eine Sammlung eines Glücksgurus ist. Aber dem ist nicht so! In dem Buch von Dr. Henry Cloud werden seriöse psychologische Untersuchungen und Forschung verknüpft mit guter und seriöser biblischer Weisheit und Lehre.

 

Und trotzdem kann es eine gewisse Aversion gegen das Thema und der Suche nach dem Glück geben. Denn in den Ohren von manchen gut erzogenen und fromm geprägten Menschen klingt das unter Umständen ziemlich egoistisch. Es soll doch nicht darum gehen, dass wir selbst glücklich werden, sondern dass wir andere glücklich machen. Aber die Grundgedanken und die einzelnen Ausführungen in diesem Buch und bei der Predigtreihe sind meilenweit weg von dem so genannten „Hedonismus“, bei dem es in unserer Gesellschaft nur um den größtmöglichen Lustgewinn geht („Hauptsache ihr habt Spaß“). Es geht auch nicht um „Eudämonismus“, der die Erlangung des individuellen Glücks zum Ziel des Lebens erklärt („Schrei vor Glück“). Sondern es geht um die biblische Grundbotschaft, dass Gott unser Glück will. Denn wir sollen den Nächsten lieben wie uns selbst. Und das bedeutet, dass wir uns selbst tatsächlich lieben sollen! Und Gott will ausdrücklich, dass wir glücklich sind. Allein im alttestamentlichen Weisheitsbuch der Sprüche stehen die Worte Glück und glücklich vierundzwanzigmal (nach der Übertragung der „Guten Nachricht“), z.B.: „Wer dem Herrn vertraut findet bleibendes Glück“ (Sprüche 16,20).

 

Und schließlich will ich von vornherein deutlich machen, dass es bei dem Thema Glück ganz bestimmt nicht nur darum geht, dass wir ein bisschen happy sind. Ich meine es nicht im Sinn von Pharrel Williams und seinem Song „happy“, in dem es unter anderem heißt: „Ich bin glücklich. Klatsche mit, wenn du denkst, Glücklichsein ist die Wahrheit.“ Ich will auch nicht mit Bobby McFarrin proklamieren „Don’t worry, be happy“. Die Botschaft dieses Liedes lautet: „Egal wie scheiße es dir geht: mach dich nicht verrückt, sei glücklich.“

 

Nein, wenn ich von Glück spreche, dann steht für mich der biblische Begriff „Shalom“ dahinter. Shalom heißt nicht nur Frieden. Mit Shalom verbindet die hebräische Sprache weit mehr als nur die Abwesenheit von Krieg. Es geht um körperliches und psychisches, soziales und vor allem geistliches Wohlergehen. Es geht um Wohlbefinden, Ganzheit, Erfüllung, den zufriedenen Zustand mit mir selbst, mit anderen und vor allem mit Gott. Summa summarum ist das gemeint, was ich in der Predigt heute und in den nächsten Wochen mit Glück bezeichnen werde.

 

Wahrscheinlich geht es uns aber wie den allermeisten Menschen in unserer Gesellschaft und Umgebung. Wenn wir gefragt werden, wie es uns geht und ob wir glücklich sind, dann werden die meisten in den meisten Fällen sagen: „Och ja, es geht einigermaßen gut, danke der Nachfrage. Ich kann nicht klagen. Naja, ich kann schon klagen, und es gibt auch manchen Anlass dazu. Aber wir wollen uns nicht beschweren, wenn man das Schlechte weglässt geht es uns ganz gut.“ Bevor wir behaupten, dass wir glücklich sind, muss so ziemlich alles in Ordnung sein. Hauptsächlich die Gesundheit und die äußeren Umstände müssen stimmen. Das wird uns ja auch suggeriert von der Werbung, den Illustrierten, dem Fernsehen und den Filmen und Serien. Es entsteht der Eindruck, dass die Schönen und die Reichen glücklich sind, dass die Erfolgreichen oben auf der Karriereleiter und die Hausbesitzer ebenfalls glücklich sind. Und wer das richtige Smartphone und die Traumküche sein Eigen nennt, hält es vor Glück kaum aus. Ganz zu schweigen von den schicken Schuhen und dem passenden Auto. Fehlt nur noch das richtige Gewicht und der optimale Lebenspartner mit der entsprechenden Ausbildung. Dann bin ich happy.

 

Wir kennen das Denken und die Wünsche und die Träume, die mit „Wenn …..“ beginnen und mit „dann wäre ich glücklich“ fortgesetzt werden. Wenn ich den großen Flachbildschirmfernseher habe, dann … Wenn ich kerngesund, wenn ich jünger, wenn ich beweglicher wäre, dann …..

 

Bei diesem Denkmuster aber übersehen wir etwas ganz Entscheidendes, was wir vielleicht noch gar nicht kennen und deswegen auch noch nicht wissen können. Das Glück und die Zufriedenheit, die wir in äußeren Dingen wie Wohlstand, Besitz, Schönheit oder Erfolg suchen, tragen nur etwa 10 % zu unserem Gesamtglück bei. Wenn mein Glück und meine Zufriedenheit, mein Wohlergehen und Shalom nur zu 10 % von solchen äußeren Umständen abhängen, dann stellt sich doch die Frage, was die anderen 90 % ausmacht. Hier nennt der Autor des Buches, Dr. Henry Cloud, sehr interessante Ergebnisse aus der psychologischen Forschung. Er schreibt: „Aus zahlreichen Untersuchungen wissen wir mittlerweile, aus welchen Faktoren sich unser Glücklichsein zusammensetzt.“ Nach den genannten 10 % kommt der nächste Faktor, der etwa 50 % zu unserem Glückswert beiträgt. Hierin stecken vor allem die charakterlichen, genetischen und konstitutionellen Gegebenheiten. Damit ist gemeint, dass manche Menschen von Natur aus zufriedener sind als andere. Andere Menschen haben mit ihrer Veranlagung mehr Probleme, sie neigen eher zum Trübsal blasen und sind nicht so schnell euphorisch und in einem Glückszustand. Aber, und das ist wichtig, auch die zweite Personengruppe kann sehr, sehr glücklich sein!

 

Die restlichen 40 %, die unser Glücklichsein ausmachen, kommen aus dem, was wir direkt kontrollieren können. Aus unserem Denken, unseren bewussten Gewohnheiten, unserem Verhalten und unserer Alltagspraxis. Das sind Dinge, die wir absichtlich machen. Worauf wir unsere Aufmerksamkeit richten, in was wir uns investieren, womit wir uns beschäftigen und befassen, das alles hat das Potenzial, uns glücklich oder unglücklich zu machen. Diese 40 % können wir aktiv beeinflussen, die können wir kontrollieren.

 

Wenn wir das mal nüchtern bedenken, dann wundern wir uns wahrscheinlich, wieso wir uns immerzu mit den 10 % der äußeren Umstände befassen. Dabei haben wir aktiv noch ganz andere Möglichkeiten, an unserem Glückserleben und Glücksempfinden zu arbeiten. Eigentlich wissen wir das ja auch schon längstens, zumindest im Unterbewusstsein. Wie viele reiche, schöne, schlanke, erfolgreiche und berühmte Menschen gibt es, die sich alle äußeren Wünsche erfüllen können. Und mit dem Geld und den Möglichkeiten und mit den Beziehungen können sie sich sogar einen gewissen Gesundheitsstandard erkaufen. Aber trotzdem sind so viele von ihnen todunglücklich. Und umgekehrt gibt es auch so viele Menschen, die glücklich und zufrieden sind, obwohl sie viele dieser schönen Sachen und äußeren Umstände nicht haben.

 

Die nächste Erkenntnis aus der psychologischen Forschung ist zwar den meisten von uns auch nicht neu, aber trotzdem sehr interessant. Das Glück und die Zufriedenheit, die uns äußere Dinge bescheren, sind nicht von Dauer. Das will ich ganz einfach illustrieren an dem Spielzeug, das sich unsere Kinder ganz dringend und unbedingt zu Weihnachten gewünscht haben. „Bittööö! Die Rennbahn, das Puppenkleid, den Hasen.“ Und nach ein paar Wochen (oder früher oder später) ist der Glückspegel wieder auf dem gleichen Niveau wie vorher, nur die Rumpelkammer, in der sich so Dinge stapeln, wird immer voller. Klar ist die Vorfreude auf und die Freude an den Dingen schön. Aber wir müssen uns darüber im Klaren sein, dass das eben nicht von Dauer ist.

 

Und dann ist da noch der folgende bedauernswerte, aber äußerst logische Umstand: In der Zeit, in der wir den Dingen nachjagen, die uns nicht so richtig und nicht auf Dauer glücklich machen, lassen wir das links liegen, was uns wirklich glücklich machen könnte. Wenn wir uns auf die falschen oder zumindest die unwesentlichen Dinge konzentrieren, werden wir die richtigen und wesentlichen nicht tun.

 

Wie kommt das nun, dass wir Menschen dem Glück und dem Wohlergehen, der Zufriedenheit und dem Shalom nachjagen, es aber so selten wirklich finden? Wann ist uns da etwas abhandengekommen, was wir zum Leben brauchen? Die beste Erklärung ist meines Erachtens immer noch die Geschichte vom Garten Eden (nachzulesen in 1Mose 3). Obwohl sie vor Tausenden von Jahren geschrieben wurde, ist die spirituelle Dynamik heute noch so stark wie früher. Diese Geschichte enthüllt uns, was uns verloren gegangen ist und warum.

 

Gott hatte ein gutes Leben geschaffen, einen wunderbaren Garten. Das war alles super. Zufriedenheit und Glück waren selbstverständlich. Gott hat die Menschen in den Shalom hineingestellt und ihnen gesagt: „Ich habe hier was ganz Tolles für euch erschaffen. Lasst es euch gut gehen, esst und trinkt, lebt und liebt, seid zufrieden mit dem, was ich euch gegeben habe.“ Aber eine Sache war da, vor der hat Gott Adam und Eva gewarnt. Sie sollten nicht von dem „Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen“ essen. Warum, wozu hat Gott diesen Baum überhaupt gepflanzt, wenn die Menschen doch davon gar nicht essen sollten? Im Wesentlichen wollte er ihnen immer die Gelegenheit geben, ihre Liebe und ihr Vertrauen und ihren Gehorsam Gott gegenüber zu bestätigen. Und er wollte ihnen sagen, dass es lebensgefährlich ist, selbst Gott spielen zu wollen. Gott weiß am besten, was gut und was böse ist. Deswegen sollen wir Menschen ihm vertrauen. In diesem Rahmen, mit diesen fantastischen Möglichkeiten konnten und durften und sollten die Menschen leben.

 

Wir wissen wahrscheinlich, wie es dann weiterging. Die Schlange kam und redete den Menschen ein, dass sie dann, wenn sie von der verbotenen Frucht essen, wie Gott werden und alles wissen und alles im Griff haben. Mit anderen Worten: „Das Glück liegt jenseits der Beziehung zu Gott. So richtig glücklich und zufrieden seid ihr erst, wenn ihr Gottes Anweisungen überschreitet. Jenseits der Grenzen, die Gott gesteckt hat, jenseits seiner Vorgaben und Gaben gibt es noch mehr. Geht eure eigene Wege, ohne Gott. Dann, erst dann findet ihr euer wahres Glück.“ So hat es ihnen die Schlange eingeflüstert, so tut sie es übrigens bis heute, immer und immer wieder.

 

Genau das haben die Menschen dann auch gemacht. Und sie haben die Gemeinschaft mit Gott verloren. Auf der Suche nach dem scheinbaren, dem großen Glück haben wir das verloren, was uns wirklich glücklich macht. Als das Band zu Gott zerriss, da haben sich die Menschen vor Gott versteckt und waren denkbar unglücklich.

 

Wenn wir meinen besser zu wissen, was uns guttut, wird unser Hunger nach Shalom nicht gestillt, wir werden unzufrieden, unglücklich und unerfüllt.

 

Was machen wir nun damit? Nach dem bisher gesagten sollten wir uns aktiv darum bemühen, die Beziehung zu Gott wieder in Ordnung zu bringen. Hierzu will ich ein paar Hinweise, Anweisungen und Aussagen aus der Bibel zitieren. Eine Zusage aus dem Weisheitsbuch der Sprüche habe ich vorhin schon erwähnt: „Wer dem Herrn vertraut findet bleibendes Glück“ (Sprüche 16,20). In derselben Schrift steht in Kapitel 28,14: „Wie glücklich sind alle, die Gott ernst nehmen!“ Und noch eine dritte Aussage schließe ich an: „Wie glücklich ist ein Volk, das auf Gottes Gesetz hört!“ (Sprüche 29,18). Wir sehen, dass wir nicht passiv sein sollen, dass wir nicht darauf warten, bis uns endlich das Glück in den Schoß fällt. Sondern wir sollen schon was tun. Die Tätigkeitswörter aus den drei erwähnten biblischen Zitaten lauten:
„vertrauen“, „ernst nehmen“ und „hören“. Das sind die Einladungen. Vertrauen, das beginnt damit, dass wir aufhören mit dem Misstrauen. Gott meint es wirklich gut. Er will tatsächlich, dass wir in seinem Shalom leben. Und darum wünscht er es sich sehr, um unseretwillen und um seinetwillen, dass wir ihm vertrauen.

 

Ernst nehmen, das hat viel mit dem Vertrauen zu tun. Die Liebe Gottes zu uns sollen wir nicht ignorieren. Immerhin war es ihm so ernst mit uns, dass er als Menschen auf diese Welt gekommen ist. Und er hat unsere Schuld so ernst genommen, dass er mit seinem Leben dafür bezahlt hat. Das sollen wir nicht nur mal eben so zur Kenntnis nehmen, sondern sehr ernst nehmen.

 

Und schließlich hören. Gott hat uns so viel zu sagen, wie er sich ein Leben mit ihm, ein Leben im Shalom, ein glückliches Leben vorstellt. Damit sollen wir uns befassen, hören, horchen, und dann auch gehorchen.

 

Ich will uns Mut machen, dass wir uns in diesem Sinn auf die Spur des Glücks begeben.

 

Und der Shalom Gottes, der höher ist als all unsere Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus! AMEN