Hiobs Botschaft: Was ist der Mensch und was sagt das Buch Hiob über Gott?

 

 

 

Liebe Freunde!

 

Worum geht es eigentlich in dem Buch Hiob, das immerhin 42 lange Kapitel umfasst? Auch die Menschen, die nicht ausgesprochen bibelkundig sind, verbinden mit Hiob die furchtbaren Schicksalsschläge, die ihn treffen. Hiobsbotschaften, ein Wort, das zum feststehenden Ausdruck geworden ist. Weil Hiob ein frommer Mann war, deswegen stellt sich natürlich unausweichlich auch die Frage, warum Gott das zugelassen hat. Wie kann ein guter Gott, der Hiob seinen Freund nennt, dabei zuschauen, wie der leidet? Das ist die erste Frage.

 

Der umfangreichste Teil im Buch Hiob gibt die Reden der drei Freunde und Hiobs Antworten wieder. Im Anschluss an diese Wortgefechte (24 Kapitel) ergreift ein vierter Mann das Wort und hält einen ellenlangen Monolog über 7 Kapitel voller weiser Richtigkeiten, aber ohne Trost und Barmherzigkeit. Angesichts dieser endlosen Debatten geht es im Hiobbuch zweitens um die Frage, wie man Menschen begegnen kann, die in unendlichem Leid stecken.

 

Die meisten Bibelleser und Kommentare nehmen diese zwei Fragestellungen sofort wahr und diskutieren angeregt darüber. Aber eine dritte Frageebene wird von vielen übersehen oder unterschätzt. Was sagt uns dieses Buch über den Menschen als solchen und was sagt uns das Buch über Gott? Dem will ich heute ein wenig nachgehen.

 

Was ist der Mensch? Das ist die tiefste Frage, die das Hiobbuch behandelt. Diese Frage ist meines Erachtens noch tiefer, wesentlicher, wichtiger als die Frage nach dem Leid.

 

In dem Gespräch, das auf der „oberen Bühne“ im Himmel geführt wird, unterhalten sich Gott und der Satan über Hiob. Gott scheint richtig stolz auf seinen Freund Hiob zu sein. „Ich kenne keinen zweiten auf der Erde, der so rechtschaffen und aufrichtig ist wie er, der mich achtet und sich nichts zuschulden kommen lässt.“

 

Aber der Teufel winkt ab. „Überrascht dich das? Er tut's doch nicht umsonst! Du hast ihn, seine Familie und seinen ganzen Besitz stets bewahrt. Seine Arbeit war erfolgreich, und seine Herden haben sich gewaltig vermehrt. Aber - versuch es doch einmal und lass ihn Hab und Gut verlieren, dann wird er dich ganz sicher vor allen Leuten verfluchen.“

 

Der Teufel behauptet, dass Hiob nur deswegen so fromm ist, weil er dadurch einen großen Vorteil hat. Während Gott der festen Überzeugung ist, dass Hiob ein durch und durch aufrichtiger und anständiger Kerl ist, zieht der Teufel das in Zweifel. Hiob wird von Gott in den höchsten Tönen gelobt. Er ist zwar nicht sündlos, aber mit Leib und Seele und Geist ganz auf Gott ausgerichtet. Der vertraute Umgang mit Gott war das Geheimnis, der tiefe Frieden und die Ehre seines Lebens. Er war ein Vertrauter, ein Freund Gottes. Ein Mann mit Gott, ein Mann mit Liebe und Leidenschaft für seine Mitmenschen, ein kluger und weiser Mann, einer, bei dem Gott zum Ziel gekommen ist.

 

Der Teufel aber behauptet, dass alle Menschen Egoisten sind. Auch ein Hiob! Der ist zwar ein toller Kerl, auch ein Vorbild in allen Belangen, aber im tiefsten Inneren ist er wie alle anderen auch egoistisch. Seine ganze Frömmigkeit ist doch nichts anderes als verkappter Eigennutz. Der Teufel unterstellt, dass es keine uneigennützige, keine echte Gläubigkeit und Gottergebenheit gibt. Darum hält er auch Gott vor: „Du hast ihn belohnt. Der Hiob ist doch nicht umsonst so fromm! Nimm ihm weg, was er hat, dann wirst du sein wahres Wesen ganz schnell entdecken!“

 

Meine lieben Freunde, wir entdecken hier etwas Signifikantes über den Teufel. Er wird in der Bibel der Ankläger der frommen Menschen genannt. Er hat anscheinend nichts Besseres zu tun, als uns ständig und permanent in der Dauerschleife vor Gott zu verklagen. Und da hat er wahrlich genug zu tun. „Schau mal den an, der hat schon wieder gelogen und misstraut, seinen Willen gegen dein göttliches Gebot durchgesetzt. Und die, die ist so undankbar und nörgelt ständig rum.“ Und so verklagt er uns Tag und Nacht vor Gott. Wenn Gott ihn aber auf deine Frömmigkeit und deine guten Taten und deine Liebe zu Jesus aufmerksam macht, dann unterstellt der Teufel dir vor Gott, dass du nur aus Eigennutz so gläubig bist. Diesen Job das Anklägers nimmt der Teufel hier mit seiner ganzen boshaften Leidenschaft wahr.

 

Kommen wir aber zurück zu der Frage: Was ist der Mensch, wenn ihm sein Besitz, sein Reichtum, seine Anerkennung, eine Wohlfühlzonen, seine Annehmlichkeiten, sein Einkommen und Auskommen, seine Gesundheit und so manches andere noch genommen wird??? Das ist die Frage! Was ist der Mensch, wenn ihm alles genommen wird? Was ist der Mensch, wenn er leidet?

 

Gott lässt es zu, dass die Frömmigkeit des Hiob auf die Probe gestellt wird. Gott gestattet das Leid, damit das wahre Wesen des Hiob zutage tritt und sich die Beziehung zu Gott bewähren kann.

 

Jetzt hören wir, wie die Bewährungsprobe aussieht: „Eines Tages feierten Hiobs Kinder wieder einmal im Haus ihres ältesten Bruders. Da kam ein Bote zu Hiob und meldete [und uns stockt der Atem: Es wird doch wohl hoffentlich den Kindern nichts passieren!]: «Wir pflügten gerade mit den Rindern, die Esel weideten nebenan, da überfielen uns Beduinen aus der Gegend von Saba und raubten die Tiere. Alle Hirten haben sie umgebracht, nur ich konnte entkommen, um es dir zu melden.» Im selben Moment stürzte schon ein anderer Bote herein: «Ein Unwetter hat deine Schaf- und Ziegenherden mitsamt den Hirten vernichtet, nur ich habe es überlebt, und jetzt bin ich hier, um es dir zu berichten.» Kaum hatte er ausgeredet, als schon der nächste Bote atemlos meldete: «Nomaden aus Babylonien haben unsere Kamelherden von drei Seiten überfallen und weggetrieben. Alle Hirten haben sie umgebracht, ich bin der einzige Überlebende!» Im nächsten Augenblick kam wieder ein Bote an: «Hiob», rief er, «deine Kinder feierten gerade, als ein Wirbelsturm aus der Wüste das Haus deines ältesten Sohnes erfasste und einstürzen ließ. Alle deine Kinder liegen unter den Trümmern begraben! Sie sind tot! Ich habe als einziger dieses Unglück überlebt.» Da stand Hiob auf, zerriss sein Obergewand und schor sich den Kopf. Dann fiel er zu Boden und betete: «Nackt bin ich zur Welt gekommen, und nackt verlasse ich sie wieder. Herr, du hast mir alles gegeben, du hast mir alles genommen, dich will ich preisen!» Obwohl dieses Leid über ihn hereinbrach, versündigte Hiob sich nicht. Kein böses Wort gegen Gott kam über seine Lippen.“

 

Was offenbart das Leid? Es offenbart die Haltung des Hiob, es macht sein Inneres, sein wahres Wesen sichtbar. Hiob weiß, was der Mensch ist, wenn er auf die Welt kommt. Der frisch geborene Mensch ist nicht Besitz, er ist nicht Begabung, Reichtum, Verdienst, Erfolg. Der Mensch ist Mensch. Und was ist der Mensch, wenn er geht? Was bleibt? Das letzte Hemd hat keine Taschen.

 

Hiob weiß: Was er hat, das hat er, weil Gott es gegeben hat. Und wenn Gott nimmt, dann ist Hiob nicht nichts, sondern immer noch Mensch, der in anbetender Beziehung zu Gott steht. Wenn Gott nimmt, dann ist Hiob immer noch ein Freund Gottes, ein Vertrauter Gottes, einer, der Gott die Treue hält und der an seiner Frömmigkeit festhält.

 

Hiob hat die erste Prüfung bestanden. Aber der Teufel gibt sich damit nicht zufrieden. Erneut taucht er bei Gott auf und es kommt zu dem folgenden Dialog, in dem Gott auf Hiob und seine Aufrichtigkeit auch im Leid verweist. Immer noch ist Gott stolz auf seinen Freund: „Ich kenne keinen zweiten auf der Erde, der so rechtschaffen und aufrichtig ist wie er, der mich achtet und sich nichts zuschulden kommen lässt. Immer noch vertraut er mir, obwohl du mich dazu verleitet hast, ihn ohne Grund ins Unglück zu stürzen.“ Der Satan erwiderte bloß: „Kein Wunder! Er selbst ist doch noch mit heiler Haut davongekommen. Ein Mensch gibt alles her, was er besitzt, wenn er damit sein eigenes Leben retten kann. Greif nur seinen Körper und seine Gesundheit an, ganz sicher wird er dich dann vor allen Leuten verfluchen!“ Der Herr entgegnete: „Ich erlaube es dir! Greif seine Gesundheit an, doch lass ihn am Leben! Da verließ der Satan den Herrn und die Engel und schlug zu: Eitrige Geschwüre brachen an Hiobs Körper aus, von Kopf bis Fuß. Voll Trauer setzte Hiob sich in einen Aschehaufen, suchte eine Tonscherbe heraus und begann sich damit zu kratzen. Seine Frau sagte zu ihm: „Na, immer noch fromm? Willst du Gott jetzt immer noch die Treue halten? Verfluche ihn doch und stirb!“

 

Aber Hiob sagte nur: „Was du sagst, ist gottlos und dumm! Das Gute haben wir von Gott angenommen, sollten wir dann nicht auch das Unheil annehmen?“ Selbst jetzt kam kein bitteres Wort gegen Gott über Hiobs Lippen.

 

Jetzt geht’s ans Eingemachte. Jetzt wird seine Gesundheit angegriffen. Da sind nicht nur die materiellen Verluste, nicht nur die Trauer um die eignen Kinder. Jetzt kommt auch noch die Krankheitskatastrophe. Und bei alle dem verliert er seine Ehre, seine Anerkennung, seine gesellschaftliche Stellung. Das alles ist weg. Was ihm noch bleibt, ist das nackte Leben. „Nimm ihm weg, was er hat, dann wirst du sein wahres Wesen ganz schnell entdecken!“ Das war das Kalkül des Teufels. Aber das wahre Wesen des Hiob zeigt, dass er immer noch an Gott festhält, ihm die Treue hält, ihn ehrt als Gott und sich nicht gegen Gott empört.

 

So sehr wir Hiob bewundern und von ihm lernen wollen, so gut kennen wir seine Frau! Denn sie und ihre Gedanken sind uns so vertraut. Es passiert furchtbares Leid in dieser Welt, es geschehen schreckliche Dinge im Leben von unbescholtenen und anständigen Leuten. Und wie Hiobs Frau sagen Menschen: An diesem Gott, der das alles zulässt, kann ich nicht mehr festhalten. Dieser Gott ist nicht mehr vertrauenswürdig. Mit dem will ich nichts mehr zu tun haben. Und sie erteilen Gott eine Absage. Sie werfen den Glauben über Bord.

 

Hiob macht das nicht. Er hält an Gott fest, obwohl es ihm keinen offensichtlichen Vorteil bringt. Wie aber ist das bei uns, wie ist es bei mir? Halte ich nur deswegen an Gott fest, weil ich einen Nutzen davon habe? Bin ich fromm, solange er mich und meine Welt vor bösen Einflüssen beschützt? Glaube ich an ihn, weil er die Antworten auf meine Fragen hat, Antworten, die ich hören will und die mir nützlich sind? Oder halte ich an Gott fest, weil er Gott ist? Lebe ich in meiner Welt, in der es letztlich um mich und meine Ziele und meine Wünsche und meine Erwartungen geht? Oder lebe ich in einer Welt, die Gott gehört, die er in selbstloser Liebe geschaffen hat? Und kann ich mich dieser selbstlosen Liebe Gottes anvertrauen und mich ihm in selbstloser Liebe überlassen?

 

Das sind sehr herausfordernde Fragen! Aber denen müssen wir uns stellen, solange es uns einigermaßen gut geht. Denn Leid kann und wird uns betreffen und treffen. Und wenn wir dann nicht in der Beziehung zu Gott gefestigt sind, sondern den Laufpass geben, dann müssen doch trotzdem mit dem Leid umgehen. Die Probleme bleiben ja nicht aus, das Elend verschwindet ja nicht aus unserem Leben, wenn wir Gott aufgegeben haben. Das Böse geht ja nicht weg, nur weil wir nicht mehr an Gott glauben. Aber wenn wir ihn so behandeln, wie es die Frau vom Hiob vorschlägt, dann sind wir ohne Trost und Beistand in dem ganzen Schlamassel. Dann haben wir keinen Vater im Himmel, dem wir das ganze Leid klagen können. Und dann haben wir keine Hoffnung auf Gerechtigkeit. Dann wäre es egal, was wir tun und was passiert. Dann wäre es egal, ob ich meine Kinder liebe oder ihnen grausame Dinge antue. Dann macht es keinen Unterschied, ob ich den Menschen diene oder sie umbringe. Aber das kann nicht sein, oder?

 

Darum ist das Festhalten an Gott auch und gerade im Leid die bessere Alternative. Denn wenn Gott groß genug ist, dann wird er auch in der Lage sein, alles Leid dieser Welt am Ende so zu verwandeln, dass etwas Gutes dabei rauskommt.

 

Uns stellt sich aber trotz allem doch die Frage, was Gott hier macht und wer er ist. Wer ist Gott? Ich wiederhole gern noch einmal die Grundaussagen, dass Gott hier nichts aus dem Ruder läuft, dass das alles kein Regiefehler ist, sondern dass er das Leid begrenzt und dann auch beendet. Dieser Gott vertraut dem Hiob. Für diesen Hiob legt Gott seine Hand ins Feuer. Damit geht Gott ein Risiko ein. Denn er setzt seine Ehre aufs Spiel, wenn er sagt, dass Hiob ihm auch dann noch die Treue hält, wenn ihm alles genommen wird, was er hat. Gott glaubt an Hiob. Gott vertraut darauf, dass Hiob ihn liebt und ihm treu bleibt, nicht nur, wenn es Hiob gut geht, sondern weil Gott Gott ist.

 

Das macht mir ehrlich gesagt Angst. Ich befürchte, dass Gott mich überschätzt und dass er mich überfordert. Aber dann mache ich mir bewusst, dass Gott mich garantiert richtig einschätzt. Und in seinem Wort lese ich die Zusicherung, dass Gott nicht zulässt, dass wir in der Versuchung zugrunde gehen. Wenn unser Glaube auf die Probe gestellt wird, schafft Gott auch die Möglichkeit, die Prüfung zu bestehen.

 

Und trotzdem ist das ganz schön riskant, was Gott hier macht. Ja. Aber so ist er halt. Gott riskiert seine Liebe. Er liebt uns, weil wir sind. Er liebt uns, weil wir sind, wer wir sind. Und er liebt uns, obwohl wir sind, wer wir sind.

 

Und hier grätscht der Teufel permanent dazwischen und verklagt uns. Und er flüstert uns ein, was für Stinkstiefel wir doch sind und dass Gott uns bestimmt nicht liebhat. Wenn uns dann Leid trifft, dann redet er uns ein, dass das ein untrüglicher Beweis dafür ist, dass Gott uns hasst und uns jähzornig für die kleinen und großen Sünden bestraft. Dann ist dein Herz so ausgefüllt von diesen verleumderischen satanischen Gedanken, dass es dich verklagt. Der Apostel Johannes kennt das sehr gut und er spricht von den Momenten, in denen unser eigenes Herz uns verdammt.

 

Ich habe eine sehr eindrückliche frühkindliche Erinnerung, als ich mal irgendwas ausgefressen habe. Und ich war ziemlich unglücklich darüber. Meine Mutter hatte die Sache als solche mit mir geklärt. Aber vermutlich hatte ich immer noch ein schlechtes Gewissen, weil mich das Ding nicht losgelassen hat. Und dann hat Mutti mich auf ihren Schoß gesetzt und mir einen Blick in den Himmel eröffnet. Sie hat gesagt, dass der Teufel vor Jesus steht und mich verpetzt. „Der kleine böse Frank, der war wieder mal so jähzornig, das ist ein ganz und gar verzogener Rotzbengel.“ Und Jesus hört sich das seelenruhig an und sagt dem Satan: „Ich weiß, mir musst du nichts über den Frank erzählen. Ich kenne ihn ganz genau. Aber auch dafür bin ich am Kreuz für ihn gestorben. Auch dafür habe ich mit meinem Leben bezahlt.“ Damit, so hat meine Mutti mir gesagt, bringt Jesus den Ankläger zum Schweigen. Und der Teufel zieht seinen Schwanz ein und schleicht sich davon.

 

Weil Jesus mich so liebt wie ich bin und obwohl ich so bin und er mir vergibt, was ich bin, deswegen will ich ihn lieben, weil er ist, was er ist. Im Verlauf des Buches Hiob kommt der geplagte Mann zu der Erkenntnis, dass sein Erlöser, sein Beistand, sein Rechtsanwalt, sein Befreier lebt.

 

Die Frage war: Wer ist der Mensch im Leid? Wer ist der Mensch, wenn ihm alles genommen wird? Ich will es üben und lernen, immer mehr werden und bleiben, einer zu sein, dem Gott das Größte und Schönste und Beste ist, was es überhaupt gibt. Ich will einer sein, der sagt: „Gott, wenn ich nur dich habe, so frage ich nichts nach Himmel und Erde. Und wenn mir gleich Leib und Seele verschmachtet, so bist du doch, Gott, allezeit meines Herzens Trost und mein Teil!“

 

Und wer und wie ist Gott? Der Gott, der die Freiheit hat, uns grenzenlos zu lieben. Der Gott, der sich unsere selbstlose Liebe wünscht. Der Gott, dem nichts entgleitet und der unser Heiland und Erlöser sein will.

 

AMEN