Der Sabbat und die Hoffnung

 

 

 

Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und unserem Herrn Jesus Christus!

 

Der Bibeltext, um den es heute geht und auf den Predigt hinausläuft, steht im Hebräerbrief, Kapitel 4, Verse 9-11 (ich zitiere aus der Einheitsübersetzung):

 

Also ist dem Volk Gottes eine Sabbatruhe vorbehalten. Denn wer in das Land seiner Ruhe gekommen ist, der ruht auch selbst von seinen Werken aus, wie Gott von den seinigen. Bemühen wir uns also, in jenes Land der Ruhe zu kommen, damit niemand aufgrund des gleichen Ungehorsams zu Fall kommt.

 

Liebe Gemeinde,

 

in der zurückliegenden Woche haben wir uns in den drei Gebetsandachten über das Thema „Sabbat“ Gedanken gemacht. Bei den unterschiedlichen Impulsen und Aspekten sind wir fast immer auf die doppelte Begründung für das Feiertagsgebot gestoßen.

 

Zum ersten wird das Feiern des Sabbattages auf das Schöpfungswerk Gottes zurückgeführt. Die Bibel berichtet uns von dem kreativen Wirken Gottes. Er hat geschaffen aus dem Nichts, er hat blühen und gedeihen lassen. Er hat Wachstum und Entwicklung gefördert, er hat liebevoll und fantasievoll kleinste Details erdacht und große und galaktische Kräfte und Parameter konzipiert, so dass das wunderbare Leben mit ihm auf diesem Planeten möglich ist. Und dann hat Gott die Ruhe geschaffen. Der siebte Tag ist auch ein Schöpfungswerk Gottes. „Am siebten Tag vollendete Gott seine Werke.“ Diese Sabbatruhe hat Gott selbst eingehalten, und er hat sie uns Menschen anbefohlen. In der Begründung für das Sabbatgebot steht in 2. Mose 20: „Gedenke des Sabbattages, dass du ihn heiligst. (…) Denn in sechs Tagen hat der Herr Himmel und Erde gemacht und das Meer und alles, was darinnen ist, und ruhte am siebten Tage. Darum segnete der Herr den Sabbattag und heiligte ihn.“

 

Die zweite Begründung für die Feier des Sabbats ist die Befreiung des Volkes Israel aus der ägyptischen Sklaverei. In der Wiederholung der 10 Gebote im 5. Buch Mose erklärt Gott seinem Volk, dass sie sich ganz besonders am Sabbat daran erinnern sollen, dass sie in Ägypten ihrer Freiheit beraubt waren und dass Gott sie befreit hat. Das war ja nicht nur eine Freiheit von der Knechtschaft, sondern es war und ist auch eine Freiheit für das Leben in Beziehung zu Gott. Erst in der Freiheit, erst nach dem Auszug, erst in der Wüste war es dem Volk möglich, Gott zu dienen, ihn zu feiern, ihm Opfer zu bringen. Befreit von der Last des Frondienstes konnte das Volk endlich zur Ruhe kommen.

 

Zur Ruhe kommen. Das ist es, was Gott seinem Volk und seinen Menschen überhaupt schenken will. Das Volk Israel ist zur Ruhe gekommen von der Unterdrückung. Daran sollen sie zumindest an jedem Sabbat denken. Und sie sollen an jedem Sabbat zur Ruhe kommen und Gott ehren, loben, ihm danken und ihn anbeten.

 

„Zur Ruhe kommen“, das war für die Israeliten ein feststehender Ausdruck dafür, dass sie nach der Befreiung und nach der Wanderung durch die Wüste endlich ins verheißene Land kommen. So sagt Gott ihnen, bevor sie in der gelobte Land gekommen sind:

 

„Ihr seid jetzt noch nicht zur Ruhe und zu dem Erbe gelangt, das der HERR, euer Gott, euch verleihen will. Ihr werdet aber über den Jordan gehen und in dem Land, das der HERR, euer Gott, euch als Erbe zuteilen will, zur Ruhe kommen. Er wird euch vor allen euren Feinden ringsum Ruhe gewähren, und ihr werdet in Sicherheit wohnen.“ Zur Ruhe kommen, im verheißenen Land ankommen, dort sesshaft werden und in Ruhe und Sicherheit wohnen, das war die Hoffnung, die das Volk Israel immer auch mit dem Sabbat verbunden hat.

 

Allerdings hat das eine ganze Generation von Israeliten nicht erleben dürfen. Sie haben es sich durch penetrantes Misstrauen und dauerhaft fortgesetzten Ungehorsam verscherzt, ins verheißene Land zu kommen, zu dieser Ruhe einzugehen. Wie war es dazu gekommen? Mose hatte 12 Kundschafter losgeschickt, die die Lage im Land in Augenschein nehmen sollten. Die 12 sind zurückgekommen und haben einerseits von dem Reichtum und der Schönheit und der Fruchtbarkeit des Landes berichtet. Aber sie berichten auch von den Herausforderungen, denn das Land, das Gott ihnen versprochen und zugesprochen hat, ist von heidnischen, feindlichen Volksgruppen belagert. Daraufhin schlägt die Stimmung im ganzen Volk um. Sie sprechen Gott ungeschminkt ihr Misstrauen aus, sie halten es für unmöglich, dass Gott ihnen das Land wirklich übereignen kann, sie werfen Gott sogar vor, dass er sie nur deswegen hierhergebracht hat, damit sie von den Feinden abgeschlachtet werden. Da platzt Gott der Kragen und er sagt: „So gewiss ich lebe und meine Herrlichkeit die ganze Erde erfüllen wird: Diese Männer werden nicht in das Land kommen, das ich ihren Vorfahren versprochen habe! Sie haben meine Herrlichkeit gesehen und die Wunder, die ich in Ägypten und in der Wüste getan habe, und trotzdem haben sie mich nun zehnmal auf die Probe gestellt und sich gegen mich aufgelehnt. Keiner von denen, die mich missachtet haben, wird das Land betreten“ (4. Mose 14,21-23). Genau von diesem historischen Ereignis spricht der Psalm 95, den wir in der Lesung gehört haben. Damit ist diese Hoffnung auf das Ziel, die Hoffnung auf die Ruhe, für diese ganze Generation geplatzt.

 

Neben der äußerlichen Ruhe, auf die das Volk Gottes gehofft hat, wollte Gott ihnen vor allem aber auch eine innere Ruhe und Geborgenheit und Gelassenheit schenken. Dieser Friede ist untrennbar verknüpft mit der Gegenwart Gottes bei seinen Leuten. Als der heilige Tempel in Jerusalem fertiggestellt war und eingeweiht wurde, da hat König Salomo gebetet, dass Gott doch nun mit seiner Herrlichkeit und Heiligkeit hier wohnen möge. Und dann gebraucht der König eine merkwürdige und zugleich tiefgründige Formulierung: „Und nun, HERR, unser Gott, steh auf und begleite deine Bundeslade, das Wahrzeichen deiner gewaltigen Macht! Komm zu deinem Ruheplatz!“ Der Tempel wird als der Ruheplatz bezeichnet. Hier geruht Gott, gegenwärtig zu sein. Hier ist der Ruheort, der Ruhepol für das Volk. Hier bei Gott kommen Menschen zur Ruhe. Dieses Ruhen in Gott, die Geborgenheit in ihm und der Friede sind aber gebunden an das Vertrauen auf Gott, den Gehorsam ihm gegenüber, die stetige Hinwendung zu ihm. Und da liegt nun ein großes Problem. Denn Unheilsgeschichte wiederholt sich. Die Wüstengeneration des Volkes Israel ist wegen fortgesetzten Misstrauens und Ungehorsams nicht ins verheißene Land gekommen, nicht zur Ruhe eingegangen. Und das Volk Gottes im verheißenen Land war weiterhin misstrauisch und ungehorsam. Die geistliche Ausrichtung des Gottesvolkes war nicht auf Gott ausgerichtet. Alle Initiativen Gottes mit seinen Geboten und den Opfermöglichkeiten, mit seinen Angeboten und Warnungen, hatten bei den Menschen keinen Erfolg.

 

Und hier setzt der Schreiber des Hebräerbriefes mit seiner Argumentation ein. Er sagt: Wenn der erste Bund zu dem Ziel geführt hätte, dass die Menschen im Vertrauen bei Gott zur Ruhe kommen, dann hätte er den zweiten Bund mit Jesus nicht auf den Weg bringen müssen. Und wenn Josua das Volk Gottes nicht nur ins verheißene Land, sondern auch zur Ruhe Gottes gebracht hätte, dann hätte Jesus nicht auf die Erde kommen müssen. Weil das aber alles nicht zum Ziel geführt hat, deswegen ist Jesus Mensch geworden. Und weil die Heidenvölker, also die Nicht-Israeliten vom Bund mit Gott ausgeschlossen gewesen sind, deswegen hat er mit Jesus allen Menschen aus allen Nationen einen neuen Bund angeboten. Und darum ist der von Gott gesandte und autorisierte Jesus sowohl für die Juden wie auch für alle anderen Völker derjenige, der uns hineinführen kann in diese Ruhe und Gelassenheit, Geborgenheit und Frieden. Jesus lädt zu sich ein: „Kommt alle her zu mir, die ihr euch abmüht und unter eurer Last leidet! Ich werde euch Frieden geben. Nehmt meine Herrschaft an und lebt darin! Lernt von mir! Ich komme nicht mit Gewalt und Überheblichkeit. Bei mir findet ihr, was euerm Leben Sinn und Ruhe gibt“ (Matthäus 11,28-29). Ich empfinde und erlebe diese Zusage als unwahrscheinlich schön und befreiend: „Bei Jesus habe ich das gefunden, was meinem Leben Sinn und ruhe gibt.“ Was früher der Tempel für das Volk Gottes sein sollte, das soll fortan Jesus für seine Nachfolger sein, nämlich der Ort beziehungsweise die Person, wo wir zur Ruhe kommen. Und was im Volk Gottes im alten Bund immer und immer wieder neu und Jahr für Jahr mit den Opfern zur Versöhnung notwendig gewesen ist, das hat Jesus mit seinem Tod ein für alle Mal getan. Er hat mit seinem Leben bezahlt für alle Schuld und Sünde, für alles Misstrauen und jeglichen Ungehorsam. Und darum ist allen, die an ihn glauben, die Vergebung zugesprochen und ein Ruhen in ihm verheißen. Das meint der Verfasser des Hebräerbriefes, wenn er davon spricht, dass wir in seine Ruhe eingegangen sind und darum von unseren Werken ruhen. Wir müssen nichts mehr bewerkstelligen, damit Gott uns seinen Frieden und sein Wohlwollen schenkt. Sondern die Versöhnung und das ewige Leben hat Jesus ein für alle Mal für uns erworben.

 

Und damit geht nun auch eine Hoffnung einher, die alles übertrifft, was wir uns vorstellen können. Die Hoffnung auf die ewige Ruhe im Himmel bei Jesus. Der Jünger Petrus hat gleich am Anfang seines ersten apostolischen Briefes geschrieben (1. Petrus 1,3-4):

 

„Gepriesen sei der Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus! In seinem großen Erbarmen hat er uns neu geboren und mit einer lebendigen Hoffnung erfüllt. Diese Hoffnung gründet sich darauf, dass Jesus Christus vom Tod auferstanden ist. Sie richtet sich auf das neue Leben, das Gott schon jetzt im Himmel für euch bereithält als einen Besitz, der niemals vergeht oder verdirbt oder aufgezehrt wird.“ Das bezeichnet der Verfasser des Hebräerbriefes als die Ruhe, die für das Volk Gottes vorhanden ist. Wörtlich ist hier von der ewigen Sabbatruhe die Rede. Jüdische Gelehrte haben die Überzeugung vertreten, dass die zukünftige Welt Gottes ein ewiger Sabbat und ein endloses Fest sein wird. Darauf hoffen wir, darauf leben wir zu. Somit ist jeder Sonntag für uns verbunden mit der Hoffnung auf diesen ewigen Sabbat, auf die ewige Ruhe, auf den ewigen Frieden, auf die ewige Gemeinschaft mit unserem dreieinigen Gott.

 

Und so feiern wir den Sonntag nicht nur als Erinnerung an die Schöpfung diese Erde und deren Abschluss mit dem Sabbat, dem siebten Tag. Sondern wir feiern den Sonntag mit dem hoffnungsvollen Ausblick auf die Neuschöpfung von Himmel und Erde am Ende der Zeit. Und wir feiern den Sonntag nicht nur als Erinnerung an die Befreiung der Israeliten aus ägyptischer Sklaverei und die Auferstehung Jesu von den Toten. Sondern wir feiern den Sonntag als Vorgeschmack auf die kommende Wirklichkeit und die endgültige Befreiung zur ungetrübten Gemeinschaft mit Gott in seiner Herrlichkeit. Deswegen ist der Sonntag immer auch ein Tag voller Hoffnung!

 

AMEN