Predigt über Kolosser 3,12-17

 

 

 

Vorbemerkung: Diese Predigt ist nur ein Element von vielen anderen im Gottesdienst. Sie ist darauf ausgelegt, im Rahmen des gesamten Gottesdienstes zu hören und zu erleben.

 

 

 

Liebe singende Gemeinde!

 

 

 

So spreche ich euch heute sehr gerne an, denn der heutige Sonntag trägt den Titel „Kantate!“ Der Leitvers, der über diesem Tag und der vor uns liegenden Woche steht, lautet: „Singt dem Herrn ein neues Lied, denn er tut Wunder!“ Und in dem Textabschnitt aus dem Brief des Paulus an die christliche Gemeinde in Kolossä schrieb der Apostel: „Mit Psalmen, Lobgesängen und geistlichen Liedern singt Gott dankbar in euren Herzen!“ Auch da begegnet uns die Aufforderung: „Singt!“ Unverkennbar, das Wort Gottes ruft uns an diesem Sonntag ganz besonders zum Singen auf. Deswegen singen wir in diesem Gottesdienst auch viel. Und deswegen wollen wir über die Bedeutung des Singens für den christlichen Glauben und die christliche Gemeinde nachdenken.

 

1.            Singt!

 

Jetzt weiß ich nicht, womit ihr euch schwerer tut: mit dem Singen auf Befehl oder mit dem Singen überhaupt. Mit beidem kann man so seine liebe Not haben. Auf Befehl zu singen, das fällt manchen sehr schwer. Denn uns ist nicht immer nach Singen zumute. Manchmal ist uns eher zum Heulen als zum Singen. Überhaupt wird (nicht nur wegen Corona) nur noch sehr wenig gesungen. In den Familien? In der Schule? Die Chöre fristen ein trauriges Dasein, die älteren Sängerinnen und Sänger können und wollen nicht mehr – oder sind nicht mehr da. Naja, und beim Gemeindegesang ist das auch nicht so einfach. Viele sind unsicher und ungeübt. Manche haben auch einfach keine Lust, im Gottesdienst mitzusingen. Vielen gefallen viele Gemeindelieder nicht. Bei der Auswahl der Lieder lebe ich oft nach dem Motto „Allen Menschen recht getan ist ein Ding, das niemand kann.“ Es ist nicht so einfach, der Aufforderung „Singt“ nachzukommen.

 

Eine Begleiterscheinung von Corona ist, dass Gottesdienste im Internet oder in Fernsehen musikalisch so ausgefeilt sind, dass die kleine Ortsgemeinde an das Niveau niemals heranreichen kann. Und deshalb wird in etlichen Gemeinden so gut wie gar nicht mehr gesungen. Sondern es wird nur noch vorgesungen. Lobpreisteams oder Instrumentalmusik ersetzen den Gemeindegesang.

 

Sollen oder wollen wir nun also die Anweisungen aus Psalm 98 oder Kolosser 3 über Bord werfen? Wollen wir das Singen den versierten Profis überlassen, die für uns das gottesdienstliche Musizieren übernehmen?

 

Nein, bitte nicht! Ich bin der festen Überzeugung, dass Christen das Singen nicht lassen können und auch nicht lassen dürfen! Denn singen ist eine Lebensäußerung unseres Glaubens. Lebendiger Glaube singt und äußert sich auch mit Musik und Liedern. Wenn in einem Gottesdienst das gesungene Gotteslob und die verschiedenen Glaubenslieder fehlen, dann fehlt dem Gottesdienst Wesentliches! Wenn der Glaube keine Lieder mehr hat, dann fehlt ihm eine ganz wichtige Ausdrucksform der Beziehung zu Gott. Wenn die Gemeinde nicht mehr tief Luft holt zum Gesang, dann geht ihr geistlich gesehen auch der Atem aus. Jemand hat mal sehr zugespitzt gesagt: „Tote Gemeinden singen nicht.“

 

Ich lass diese Spitze mal so im Raum stehen und gehe in meinen Gedanken eine Schritt weiter mit euch.

 

2.            Wie im Himmel

 

Es ist doch eine ganz besondere Gottesgabe, dass wir die Fähigkeit haben zu singen. Zwar können Vögel auch singen, aber nur in ziemlich eingeschränktem Umfang. Zwar verständigen sich Wale auch durch ihre Unterwassermusik, aber die Ausdrucksmöglichkeiten sind nicht so groß. Und der Palmkakadu spielt mit einem Ast im Schnabel auf einem hohlen Baum Schlagzeug. Aber mehrstimmigen Gesang mit variantenreicher Instrumentalbegleitung können nur wir Menschen. Die meisten Menschen machen die Erfahrung, dass singen Freude macht, singen tut der Seele gut. Singen erfrischt, macht frei und stark. Aber vor allem ist uns Menschen das Singen und Musizieren gegeben als eine besondere und wichtige Ausdrucksform der Beziehung zu Gott. Denn mit den Liedern und der Musik sagen wir etwas über Gott aus. Mit poetischen Texten und passenden Melodien und Harmonien vermitteln wir Informationen und Erfahrungen über Gott. Wir beschreiben, wie Gott ist, wir erzählen von seinem Wirken und Handeln. Wir singen aber nicht nur über Gott, sondern wir singen auch für Gott. Wir bringen ihm sozusagen ein Ständchen. Ihm zur Ehre machen wir Musik. Und dabei fordern wir uns selbst und andere auf, Gott zu verherrlichen, zu loben, ihm zu danken. Und schließlich sind ganz viele Lieder gesungene Gebete zu Gott. Anbetung ist dabei eine Form. Liebeslieder Gott gegenüber, Liebeslieder für Jesus sind eine wichtige Art und Weise der Anbetung. Lieder als gesungene Gebete können aber auch Beichte und Buße, Bitte und Fürbitte beinhalten.

 

Mir kam der Film „Wie im Himmel“ in den Sinn. Vielleicht habt ihr ihn auch schon mal gesehen. Er handelt von einem populärer und hochqualifizierter Musiker, der seinen Beruf aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr ausüben kann. Er zieht aufs Land, will seine Ruhe haben. Dann aber übernimmt er einen Kirchenchor, der kurz vor der sterbenden Auflösung steht. Dem Musiker gelingt es, dem Chor wieder neues Leben einzuhauchen und neu zu begeistern. Menschen entdecken ihre Stimme und finden ihren Ton. Sie lernen, den Mund aufzumachen und aufeinander zu hören (und beides nicht nur beim Singen). Nebenbei offenbaren sich persönliche Tragödien, aber die Sänger und Sängerinnen wachsen über sich hinaus. Der Chor strahlt Menschlichkeit und Begeisterung aus. Wenn die Truppe singt, dann ist es für Sänger und Zuhörer wie im Himmel.

 

Wie im Himmel, denn im Himmel wird Gott zur Ehre musiziert. Buchstäblich von Ewigkeit zu Ewigkeit wird der dreieinige Gott in der himmlischen Welt mit Musik und Gesang angebetet. In Hiob 38 sagt Gott, dass schon vor der Erschaffung der Welt alle Engelwesen und der ganze himmlische Hofstaat vor und für Gott gesungen und gejubelt haben. Angesichts der fantastischen und genial durchdachten Schöpfung singt und jubelt und jauchzt der ganze Himmel vor Freude und Begeisterung zur Ehre Gottes. Dem heiligen Gott wird mit Musik gehuldigt. Und das setzt sich fort bis hinein in die himmlische Welt, in die der Apostel Johannes einen Blick werfen darf.

 

Wenn die christliche Gemeinde ihre Glaubenslieder singt, dann ist das wie im Himmel. Es freut unseren Gott, wenn wir singend vor ihn treten und ihm die Ehre geben. Im Psalm 22,4 steht, dass Gott über den Lobgesängen seines Volkes thront. Wie die Lobgesänge aussehen oder sich anhören, das ist zweitrangig. Ob Gott mit alter Gregorianik, mit Chorälen der Reformation oder neuem geistlichem Liedgut geehrt wird, spielt keine Rolle. Entscheidend ist, dass wir unsere Stimme zur Ehre Gottes erklingen lassen. Entscheidend ist, dass Gott geehrt wird und wir unsere Herzen ihm als Resonanzraum öffnen. Ob die Melodien schlicht oder anspruchsvoll sind, ob das Lied in Dur oder in Moll steht, ob klassisch oder poppig: wichtig ist, dass es von Herzen kommt, denn dann erreicht es das Herz Gottes.

 

In dem Textabschnitt liefert uns der Apostel Paulus viele gute Gründe, warum wir Gott loben und ehren und ihm singen sollen. Wir sind Kinder Gottes, Nachfolger Jesu Christi, von Gottes Geist erfüllte Menschen. Wir sind von Gott geliebt, er hat uns erwählt und zu sich eingeladen, wir gehören zu ihm und gehören ihm. Er will für uns Verantwortung übernehmen. Gott hat uns vergeben, was wir schuldig geblieben sind und was wir verkehrt gemacht haben. Er nimmt uns mit hinein in seinen Frieden, der unser Leben durchdringt und beherrscht. Und er schenkt uns sein Wort, in dem wir ihn immer besser kennenlernen können. Und gleich dreimal ermutigt uns der Apostel, dass wir dankbar sein können, weil wir dazu allen Grund haben, sowohl mit Blick auf die geistlichen Gaben als auch die irdischen Geschenke Gottes.

 

Und deswegen „Singt – wie im Himmel!“ und

 

 

3.            Singt mit, wenn alles singt!

 

Die Problematik beim Gemeindegesang habe ich ja schon umrissen. Leider führt sie in Gemeinden zu Spannungen und Unstimmigkeiten, und hier und da gibt es böses Blut. Ganz schwierig wird es, wenn Fragen des Musikgeschmackes und des Stiles zu grundsätzlichen Glaubensfragen werden. Nun weiß ich nicht genau, welche konkreten Spannungen in der christlichen Gemeinde in Kolossä das Zusammenleben belastet haben. Aber wenn wir die Ermahnungen des Apostels hören als hilfreiche Anweisungen für das Miteinander von den „Auserwählten Gottes, den Heiligen und Geliebten“, dann sind sie auch wegweisend für die Fragen rund um das Singen. Ich möchte die Worte von Paulus konkretisieren und aktualisieren. „Wenn ihr Spannungen und Konflikte, Fragen und Auseinandersetzungen in der Gemeinde habt, wenn es zum Beispiel dabei um die Musik in euren Gottesdiensten geht, dann übt euch in Empathie. Legt herzliches Einfühlungsvermögen an den Tag. Freundlichkeit und eine ordentliche Portion Bescheidenheit stehen euch gut zu Gesicht, ebenso wie Rücksichtnahme und Geduld. Und seid nicht Weltmeister im Schimpfen und Klagen, sondern seid Weltmeister im Vergeben und der Dankbarkeit.“ Ich meine, dass der Heilige Geist uns das mit diesem Bibeltext deutlich machen will. Denn das Ziel der Musik und des Singens in der christlichen Gemeinde ist nicht Zwietracht oder Ärger, sondern Eintracht und Freude. Dabei geht es nicht um uns, sondern um Gott. Das Singen zur Ehre Gottes sollte demnach nicht so sehr eine Sache des persönlichen Geschmackes und der privaten Vorliebe sein. Es geht doch nicht nur und zuerst darum, dass es mir Freude macht, sondern dass es Gott Freude macht! Er soll vielfältig gelobt werden. Eine Vielfalt deutet Paulus ja selbst an, wenn er von Psalmen, Lobgesängen und geistlichen Liedern spricht. Und wenn immer wieder neue christliche Lieder entstehen, dann ist das doch ein gutes Zeichen für einen lebendigen Glauben. So vielfältig wie die Menschen sind, so vielfältig soll auch die Musik in der Gemeinde sein.

 

Darum lasst uns singen, alte und neue Lieder. Singt mit Herz und Mund. Singt Gott zur Ehre. Singt mit, wenn die Gemeinde singt. Kantate! Und das ist kein Befehl wie beim Militär („Soldaten, ein Lied!“), sondern eine Einladung, sich am großen Lob unseres großen Gottes zu beteiligen. Es ist eine Ermutigung, ihm im großen Chor der Glaubenden zuzujubeln. Schon heute, hier und jetzt und dann erst recht in der Ewigkeit!

 

AMEN