Ich bin das Licht der Welt

 

 

 

Liebe Freunde!

 

Es gibt Momente in unserem Leben, da fehlt uns der Durchblick, da brauchen wir eine Erleuchtung, da muss uns unbedingt ein Licht aufgehen. Das meine ich zunächst erstmal rein äußerlich. Wenn sämtliche Straßenbeleuchtungen nachts aus sind, dann tappst du im Dunkeln umher. Wenn der Strom abends ausfällt, dann ist zappenduster. Und noch tragischer: Wenn du dein Augenlicht verlierst und blind bist, dann irrst du erstmal umher und stolperst und stößt dich an jeder Ecke.

 

Aber das gilt ja nicht nur äußerlich. Das geht uns in vielen Bereichen unseres Lebens so. Wir haben immer wieder mal dunkle Momente, in denen uns die Orientierung fehlt. Wir sind voller Sorgen und Ängste und wissen nicht so recht, wo die herkommen und wie wir ein Licht am Ende des Tunnels finden können. Wir sind trübsinnig über eigene Unzulänglichkeiten oder ärgern uns schwarz über den Mist, den andere verzapft haben. Aber wir sehen keinen Silberstreif am Horizont. Wir dämmern mehr oder weniger vor uns hin und haben gerade in den Lockdown-Zeiten kaum noch Lebensfreude und alles ist so mühsam, weil wir keinen Hoffnungsschimmer haben.

 

„Wie Blinde tasten wir uns an der Wand entlang, wie Augenlose tappen wir herum. Am hellen Mittag stolpern wir wie in der Dämmerung, wie Tote sind wir mitten im Leben.“ So hat es der Prophet Jesaja gesagt (Jes 59,10). Es kann sein, dass du widersprichst und der Überzeugung bist, dass du den Durchblick hast und ein ganz helles Köpfchen bist und alles im rechten Licht siehst. Dann kannst du die Predigt gerne beiseitelegen. Du kannst aber auch weiterlesen, denn vielleicht wirft das Licht Jesu noch mal ein anderes Licht auf dein Leben. Jesus sagt: „Ich bin das Licht der Welt. Wer mir nachfolgt, braucht nicht im Dunkeln umherzuirren, denn er wird das Licht haben, das zum Leben führt.“

 

Es ist für das Verständnis einer solchen Aussage immer wichtig und hilfreich, dass man sich anschaut, wann und wo und wem und unter welchen Umständen Jesus das gesagt hat. Und das wollen wir uns jetzt mal anschauen.

 

In welchem Kontext, bei welcher Gelegenheit hat Jesus das gesagt? In Johannes 7 wird davon berichtet, dass Jesus in Jerusalem auf dem Laubhüttenfest ist. Das Laubhüttenfest hatte einen sehr fröhlichen und nahezu folkloristischen Charakter. Sieben Tage lang haben die Festbesucher in einfachen Hütten gewohnt, um an die Wanderung des Volkes Gottes durch die Wüste erinnert zu werden. Wer es sich leisten konnte, hat quasi Camping Urlaub gemacht, nur viel primitiver. Aber man hatte nachts in einem 10.000 Sterne Hotel geschlafen, weil man den Sternenhimmel gesehen hat. Das Besondere bei der Zeit des Volkes Israel in der Wüste nach der Flucht aus der ägyptischen Sklaverei war die 24-Stunden Rundumbewahrung durch Gott. Tagsüber hat eine Wolkensäule das wandernde Gottesvolk geführt, und nachts hat sie eine Feuersäule bewacht. Dieses Licht in der bedrohlich finsteren Nacht hat sie bewahrt vor wilden Tieren und feindlichen Volksstämmen, die sie gut und gern mal überfallen und ausgeraubt und getötet hätten. Gott selbst war im Licht der Feuersäule und hat beschützt und bewacht. Bei einem solchen Laubhüttenfest hat Jesus gesagt: »Ich bin das Licht der Welt. Wer mir nachfolgt, braucht nicht im Dunkeln umherzuirren, denn er wird das Licht haben, das zum Leben führt.«

 

Die nächste Frage lautet: Wo hat Jesus diese Aussage über sich getroffen? Darauf finden wir eine hilfreiche Antwort! „Dies sagte er, als er in dem Bereich des Tempels lehrte, der als Schatzkammer bezeichnet wird.“ So steht es in Johannes 8,20. Da, wo der Tempelschatz gebunkert wird, wo die wirtschaftliche Finanzkraft lagert, wo der wirtschaftliche Grundstock für den herrlichen Glanz des Tempels liegt, da sagt Jesus, dass er das Licht der Welt ist. Nicht der Glanz des Tempels, nicht der Pomp der Kirchen, Dome und Kathedralen, nicht die Schatzkammern des Vatikans oder der Landeskirchen machen die Welt hell. Sondern Jesus ist das Licht der Welt.

 

Dieser Bereich des Tempels, der als Schatzkammer bezeichnet wird, befindet sich im Vorhof der Frauen. Das ist deswegen bedeutsam, weil Jesus mit dem Ort signalisiert und geradezu manifestiert, dass Männer und Frauen ihm nachfolgen dürfen und sollen. Und wenn er betont, dass er das Licht der Welt ist, dann schließt das hier schon alle Völker auf der Erde mit ein!

 

Wann hat Jesus das alles gesagt? Auch hierzu finden wir eine Antwort, die uns hilft, die Aussage Jesu noch besser zu verstehen. In Johannes 7,37 lesen wir, dass der letzte Tag des Festes angebrochen war. Dieser letzte Tag war unbestritten der Höhepunkt. In der Festordnung steht, dass der letzte Tag des Festes, der achte Tag, eine heilige Versammlung sein soll, in der sie Feueropfer Gott darbringen sollen. Passend zu den Feueropfern gab es viel Lichterglanz. Priester und Leviten haben mit Fackeln jongliert, getanzt und gesungen. Und der Höhepunkt vom Höhepunkt dieses Festes kam am Abend. Im Vorhof der Frauen standen vier 25 Meter hohe Leuchter, die sogar die Tempelmauern überragt haben. Die goldenen Schalen oben auf den Säulen waren vollgefüllt mit Öl, eine Lunte zum Anzünden war vorbereitet. Alles war bereit für den großen Showdown des Festes. Sie warten. Worauf? Sie warten darauf, dass Gott selbst die Leuchter auf übernatürliche Weise entzündet. Denn die Festgemeinde dachte daran, was passiert war, als König Salomo etwas 900 Jahre zuvor den Tempel eingeweiht hat. Da hat sich nämlich folgendes zugetragen: „Als Salomo sein Gebet beendet hatte, fiel Feuer vom Himmel und verzehrte die Brandopfer sowie alle anderen Opfer, und die herrliche Gegenwart des Herrn erfüllte den Tempel. Die Priester konnten das Haus des Herrn nicht betreten, weil die herrliche Gegenwart des Herrn darin war. Als die Israeliten sahen, wie das Feuer vom Himmel fiel und die herrliche Gegenwart des Herrn den Tempel erfüllte, warfen sie sich zu Boden und beteten den Herrn an und lobten ihn: »Seine Güte ist so groß! Seine Gnade bleibt ewig bestehen.«“ (2. Chronik 7,1-3). Und jedes Jahr hat das Volk darauf gewartet, dass sich das wiederholt und die Herrlichkeit Gottes den Tempel erfüllt und sein Licht alles hell macht.

 

Und in dem Moment, wo sie warten, ergreift Jesus das Wort. „Ich bin das Licht der Welt. Wer mir nachfolgt, braucht nicht im Dunkeln umherzuirren, denn er wird das Licht haben, das zum Leben führt.“

 

Verstehen wir heute, was die Festbesucher damals verstehen konnten, ja mussten? Jesus sagt: Ich bin das Licht Gottes, das euch bewahrt und begleitet, das euch durch die Wüste eures Lebens führt. Ich bin das Licht, das euch schützt und zum Ziel bringt. Und weiter sagt er: Ich bin das Licht der göttlichen Herrlichkeit, nach dem ihr euch sehnt. Gott will mit mir den Tempel und euer Leben erhellen und erleuchten. Jesus sagt: Ich bin die Erfüllung dieses Festes.

 

Das ist der konkrete Hintergrund, vor dem wir die Aussage Jesu besser verstehen können. Die Metapher „Licht“ spielt aber auch an anderen Stellen in der Bibel eine ganz wichtige Rolle. Im Psalm 27,1 bekennt der Beter: „Der HERR ist mein Licht und mein Heil. „Bei dir ist die Quelle des Lebens, und in deinem Licht sehen wir das Licht.“ So Psalm 36. In Micha 7,8 heißt es: „Wenn ich auch daniederliege, so werde ich wieder aufstehen; und wenn ich im Finstern sitze, so ist doch der Herr mein Licht.“ In dem Stil könnte ich noch einige andere Aussagen anfügen.

 

Wenn aber Jesus das Licht ist, dann ist die Frage, ob wir uns in sein Licht stellen, oder ob wir uns von ihm abwenden. Schauen wir in das Licht, oder wenden wir Jesus den Rücken zu und schauen ins Dunkel, in unsere Schatten, unsere Schuld, in unsere Abgründe? Schaffen wir es, wollen wir es, dass wir uns umdrehen, dass wir uns Jesus zuwenden, und ins Licht gehen? In Johannes 3 gibt Jesus eine sehr realistische Analyse über die Haltung von uns Menschen ab. Er sagt, dass das Licht zwar in die Welt gekommen ist, dass die Menschen aber die Finsternis mehr liebten als das Licht. Warum ist das so? Warum scheuen wir das Licht? Wir scheuen das Licht, weil wir Angst davor haben, was dann alles ans Licht kommen könnte. Wir schämen uns und wir sind Gott gegenüber misstrauisch. Was passiert, wenn Gottes Licht auch in die Dunkelkammern meines Lebens hineinleuchtet? Wenn sein Licht also nicht nur die Fassade meines Lebensgebäudes erhellt, sondern wenn sein Licht hineinscheint in meine inneren Lebensräume. Wir scheuen uns davor. Weil wir kaum glauben, dass er uns auch mit dem, was da ans Licht kommt, bedingungslos liebt. An dieser Stelle erlaube ich mir, Gedanken aufzugreifen, die mein Vorgesetzter Stefan Piechottka vor ein paar Wochen in einer Dienstmail geschrieben hat.

 

Der schwedische Autor Magnus Malm schreibt in seinem Buch „In Freiheit dienen – leiten auf den Spuren Jesu“: „Was eine christliche Gemeinschaft am dringendsten braucht, sind Menschen, die wissen, dass sie von Gott geliebt sind.“ Von Gott geliebt zu werden, ist nicht zu überbieten. Gottes Herz schlägt für uns. Er hat uns geschaffen, um uns zu lieben, weil das Ausdruck seines Wesens ist. Gott hat nicht Liebe. Gott ist die Liebe (1. Joh 4,7). Martin Luther drückte es so aus: „Gott ist ein glühender Backofen der Liebe.“

 

Manchmal kommt diese Wahrheit aber gar nicht bei uns an, obwohl wir vielleicht seit Jahren einer Gemeinde angehören, obwohl wir Bibelverse darüber auswendig kennen und vielleicht sogar davon anderen erzählen. Nur wir selber fühlen uns nicht wirklich und bedingungslos geliebt. Ein sicheres Kennzeichen dafür ist, dass wir ganz schnell ein „Aber“ einfügen möchten, sobald wir hören, dass Gott bedingungslos liebt. „Gott ist die Liebe, aber ich muss gehorsam sein (sonst liebt er mich nicht). Gott liebt uns, aber wir müssen zeigen, dass wir ihn auch lieben, dass wir uns engagieren, dass wir alles geben.“ Alles das, was hinter dem „Aber“ von uns eingefügt wird, zeigt, dass wir misstrauisch gegenüber seiner Liebe geblieben sind und die Verantwortung darüber, von ihm geliebt zu werden, lieber in den eigenen Händen behalten wollen. Statt uns von Gott lieben zu lassen, liefern wir ihm lieber gute Gründe, damit er uns liebt, stolz auf uns ist oder uns mit dem ewigen Leben belohnt.

 

Ich möchte mich selbst und uns einladen, dass wir uns hineinstellen in das Licht der bedingungslosen Liebe Gottes, die er uns mit Jesus schenkt. Ich möchte es selbst auch wieder neu lernen, dass ich als bedingungslos geliebtes Kind Gottes Jesus meine Sorgenkammer öffnen kann, damit sein Licht da hineinscheint. Manche kennen die Einladung: „Alle eure Sorgen werft auf ihn, denn er ist bekümmert um euch.“ Er kümmert sich. Das ist das Licht seiner Zusage. Ich will es euch ganz ehrlich sagen, dass es mir nicht immer gelingt, das zu beherzigen und zu glauben und zu leben. Aber wenn ich mich Jesus zuwende und ihm meine Sorgen hinhalte, dann sage ich ihm: „Lieber Herr, das hier ist ein ganz schön großes Problem, ich halte es dir hin, ich gebe es an dich ab. Und jetzt bin mal gespannt, wie du damit umgehst.“

 

Und ich will es immer mehr lernen, das Licht Jesu auch in meinen Panikraum reinleuchten zu lassen. Denn da wohnt die Angst. Da ist die Angst um die Gemeinde und Gemeinschaft. Die Angst um die Kirche insgesamt. Die Angst, die mit Corona einhergeht. Die Angst auch, falsche Entscheidungen zu treffen und die Angst, Fehler zu machen und zu versagen. Mit diesen Ängsten will ich mich Jesus zuwenden und sie ihm hinhalten. Und manchmal sind sie im Licht Jesu gar nicht mehr so bedrohlich. Manchmal erlebe ich in seinem Licht einen tiefen Frieden und eine gelassene Geborgenheit, dass ich wieder aufatmen kann.

 

Ein solches Aufatmen erlebe ich auch immer wieder, wenn ich es Jesus gestatte, dass er sein Licht auch auf mein Scheitern, mein Versagen, meine Unzulänglichkeiten wirft. Zunächst ist das nicht so beglückend, weil sein Licht wie die Sonnenstrahlen ist, die durch ein Fensterscheibe scheinen. Dann sieht man auch den Dreck, der bei trübem Wetter nicht sichtbar sind. Aber Jesus zerrt das ja nicht ans Licht, um mich bloßzustellen, sondern um zu reinigen. Er will die Schuld vergeben.

 

Und so, wie Pflanzen und Tiere und letztlich die ganze Schöpfung das natürliche Licht der Sonne brauchen, damit sie wachsen können, so brauchen wir das Licht Jesu, damit wir wachsen können als Persönlichkeiten und als Christen. Darum gilt die Einladung, dass wir uns seinem Licht aussetzen, dass wir Gemeinschaft mit ihm leben, dass wir uns ihm hinhalten, damit er uns formen und prägen und gestalten kann.

 

Und der Friede Gottes, der höher ist als all unsere Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus! AMEN