Matthäus 13,31-33

 

Liebe Freunde!

 

„Das Himmelreich gleicht einem Senfkorn“. So beginnt das Gleichnis. Auf den ersten analytischen Blick sieht das aus wie eine Gleichung, eine Gleichung mit einer Unbekannten. Der Begriff vom „Reich Gottes“ wird mit einem Gegenstand aus der Natur erklärt.

 

Und schon sind wir irgendwie verwirrt, perplex, irritiert. Wie kann so was winzig Kleines wie ein Senfkorn mit so etwas Großem wie dem Reich Gottes verglichen werden?

 

Darum wollen wir uns erstmal darüber ein paar Gedanken machen, welche Vorstellungen über das Reich Gottes in vielen Köpfen und Herzen kursieren. Die meisten denken dabei wahrscheinlich an eine politische Dimension, denn der Begriff vom „Reich“ erinnert an das Reich der Kelten oder der Angelsachsen, an das Persische Reich oder das „Heilige römische Reich deutscher Nationen“. Oder wir haben die grausige Vorstellung vom „Dritten Reich“ irgendwo im Hinterkopf. Reich Gottes wäre in diesem Fall ein politisches, territoriales Gebilde. Weil die Regenten in diesen Staaten selten ein gutes Bild abgegeben haben, sehnen sich die Menschen nach einem vorbildlichen Herrscher. So haben die Juden zur Zeit Jesu vor 2000 Jahren das mit dem Reich Gottes in erster Linie verstanden.

 

Eine weitere Vorstellung vom Reich Gottes ist in der Bibel schlicht und einfach der Himmel. Diese Zukunftsdimension wird an etlichen Stellen verwendet, wenn davon die Rede ist, dass man ins Reich Gottes eingeht oder in Gottes neuer Welt mit am Tisch sitzen darf. Vereinfacht gesagt meint das hier, dass man in den Himmel kommt.

 

Wenn man einen Juden zur Zeit Jesu gefragt hat, was er sich unter dem Reich Gottes vorstellt, dann hat er gesagt: „Gott richtet seine Herrschaft unter uns im Volk Israel auf unserem Staatsterritorium auf, sein Messias ist der König, und als Bürger seines Reiches werden wir nach unserem Tod im Himmel, in der neuen Welt Gottes, in seinem Reich für immer sein!“

 

Dabei fällt aber ein ganz entscheidender Aspekt hinten runter, der wird viel zu oft übersehen. Beim Reich Gottes geht es nämlich zu allererst und ganz schlicht um die Tatsache, dass Gott regiert, dass er der Regent, der Herrscher ist. Dieser Herrschaftsanspruch Gottes wird aber von den Menschen in aller Regel und gründlich mit Füßen getreten. Gott als der Regent, als der beste König aller Zeiten, wurde von den Menschen degradiert. Er wird zum Erfüllungsgehilfen unserer Wünsche und Machtgelüste. Wir wollen seine Hilfe, seinen Zuspruch eventuell, aber seinem Anspruch weichen wir aus. Gott wird missachtet, ignoriert, degradiert. Und genau das nennt die Bibel Sünde.

 

Wie geht Gott damit um? Lässt er das auf sich sitzen? Zieht er sich beleidigt in eine Ecke seines Himmels zurück und überlässt die menschlichen Ignoranten ihrem Schicksal (denn ohne Zweifel erwächst aus der Sünde, der menschlichen Anarchie unsagbar viel Leid und Elend)? Nein, das macht er nicht. Aber er überrennt die Welt auch nicht militärisch. Er hat die Macht und Möglichkeiten dazu, mit seinen himmlischen Engelheerscharen wäre es ihm ein kleines, alle Menschen unter seine Regentschaft zu zwingen. Aber Gott will uns nicht zwingen, sondern einladen, er will uns gewinnen. Wenn er uns zwingen wollte, dann hätte Jesus das Reich Gottes mit einem brüllenden Löwen, einem majestätischen Adler oder einer militärischen Streitmacht verglichen.

 

Aber der Vergleich ist ein Senfkorn. Jesus hat den Samen vom schwarzen Senf vor Augen. So ein Körnchen klein hat einen Durchmesser von etwa 1 mm und tausend Körnlein wiegen zusammen 1 Gramm. So klitzeklein, so unscheinbar arbeitet Gott an der Wiederherstellung seiner Ehre, seiner Herrschaft, so klein und unscheinbar beginnt Gott, sein Reich zu bauen.

 

So klein und fast unbemerkt kommt Gott auf die Welt. Jesus wird als ganz normales Baby geboren, eins von zigtausenden täglich. Aber in ihm liegt die Dynamik, die Vollmacht Gottes. In ihm liegt das ganze Potenzial Gottes verborgen. In ihm wohnt und lebt die Fülle der Gottheit leibhaftig. In Jesus liegen verborgen alle Schätze der Weisheit und der Erkenntnis (so drückt es der große Theologe und Apostel Paulus aus). Und in ihm, dem Wanderprediger aus Nazareth, dem Rabbi, der nur etwa drei Jahre lang öffentlich gewirkt hat, macht Gott uns ein unübertroffenes Friedens- und Versöhnungsangebot. Er vergibt uns die Rebellion, die wahrscheinlich vielen Menschen gar nicht mehr bewusst ist. Er schenkt uns Frieden mit Gott, den wahrscheinlich viele Menschen gar nicht vermisst haben. Er eröffnet uns eine Ewigkeitshoffnung und Himmelsperspektive, die wahrscheinlich kaum einer sucht, weil die meisten Menschen gar nicht mehr mit der Ewigkeit rechnen. Was Jesus anbietet ist scheinbar ganz und gar unscheinbar und unnötig.

 

Aber was auf den ersten Blick unwichtig scheint entpuppt sich dann doch als überlebenswichtig! Für jeden von uns persönlich: Freude, Hoffnung, Wertschätzung, Sinn und Ziel und so vieles mehr - und das alles von Gott!!! Und was so unscheinbar und unwichtig erscheint, das ist global betrachtet für die ganze Welt existenziell nötig. Das, was in Jesus drinsteckt, das hat unschätzbare Auswirkungen. Jesus weist in seinem Gleichnis hin auf die Vögel unter dem Himmel, die kommen und in den Zweigen der Senfstaude wohnen. Die Vögel sind ein bildhafter Vergleich für die Völker, die unter der guten Herrschaft Gottes Schutz und Heimat finden. Ist das nicht tatsächlich nachvollziehbar, dass es den Menschen und den Völkern und den Staaten auf Dauer zum Guten gereicht, wenn sie sich an Gottes Geboten und Regeln orientieren?!

 

Ich will noch eine weitere Vergleichsebene dieses Gleichnisses bewusst machen. Wenn so ein Samenkorn in die Erde gelegt wird, dann muss es in zwei Richtungen wachsen. Nach unten in die Erde, es muss keimen, Wurzeln schlagen und somit die Nährstoffe und das Wasser aus dem Boden aufnehmen. Wenn das Wort von der guten Herrschaft Gottes, wenn das Evangelium von der Vergebung Jesu und dem Frieden mit Gott in unser Leben, in unser Herz fällt, dann müssen wir ihm Raum geben, dass es Wurzeln schlagen kann. Damit will ich sagen, dass wir die Beziehung zu Jesus hegen und pflegen sollen. Gemeinschaft mit Jesus in Hören und Reden, Bibel lesen und Beten, im Austausch mit anderen Christen, im Danken und Loben, diese Gemeinschaft ist unerlässlich - und so schön, so wertvoll, so herrlich! Die zweite Richtung, in die wir wachsen, ist nach oben, nach draußen; raus in unsere Umgebung, zu unseren Mitmenschen, rein in die Welt. Die Auswirkungen, die positiven Auswüchse, werden sichtbar, spürbar, erfahrbar für die Menschen um uns herum.

 

Beide Wachstumsrichtungen sind wichtig! Ein Christ ohne Stille, ohne Spiritualität, ohne Wort Gottes, ohne Gebet, ohne Gemeinschaft ist wie ein Baum ohne Wurzeln. Aber ein Christ, der nur für sich allein fromm sein will, der nur still ist, der verschweigt, was Jesus ihm geschenkt hat, dessen Wesen und Leben, dessen Alltag und Beziehungen, dessen Umgebung und Mitmenschen nichts von alledem ausstrahlen und erleben, was Jesus ihm bedeutet und geschenkt hat, so ein Christ ist ein Blindgänger, ein Baum ohne Wachstum und ohne Blätter und ohne Früchte. Darum brauchen wir eine herzhafte Keckheit und den Mut, uns als Kinder Gottes zu outen. Auch auf die Gefahr hin, dass wir missbilligend und abschätzig betrachtet werden. Aber wir müssen raus aus dem Gewächshaus und der Subkultur der privaten Frömmigkeit, rein in die Welt.

 

Und das gleiche gilt auch für die Gemeinde Jesu, also der Familienzusammenschluss der Kinder Gottes. Wir selbst haben ja manchmal das Gefühl, dass wir so klein und so unscheinbar und so unwichtig sind. Wir haben eine kleine Kraft und nur sehr minderbemittelte Möglichkeiten. Aber die Kraft liegt nicht in uns, sondern sie liegt bei Gott. Was daraus erwächst, wenn wir unter der guten Herrschaft Gottes leben, das können wir getrost ihm überlassen.

 

Wenn Gott seine gute Herrschaft ausbreitet, dann tut er das zwar auf kleine, unscheinbare Weise. Aber die Dynamik seiner Regentschaft ist genial. Ich lade uns ein, dass wir uns ihm aussetzen, damit er uns einsetzen kann.

AMEN