Predigt über Johannes 20,21-23

 

Meine lieben Freunde!

 

In meiner Osterpredigt über den Textabschnitt Johannes 20,19-20 hatte ich das Bild vom Scheck verwendet. Die Friedenszusage von Jesus an seine Jünger und an uns ist wie ein Scheck. Zunächst haben wir bei diesem Vergleich festgehalten, dass ein Scheck gedeckt sein muss. So ist es auch mit den Worten und Zusagen von Jesus. Auch hinter ihnen muss eine Realität stehen, die verwirklicht, was versprochen wird. Das Leiden und Sterben Jesu und seine Auferstehung geben seinen Worten und Verheißungen Wert und Wirklichkeit. Darum sind sie so wertvoll und so wirksam. Die zweite Parallele zwischen Scheck und Zuspruch liegt darin, dass der Scheck eingelöst werden muss. So ist es auch mit den Zusagen Jesu. Wir müssen sie in Anspruch nehmen, damit wir in seinem Frieden, in seiner Vergebung und versöhnt mit ihm leben können.

 

Nun will ich mit dem heutigen Predigttext einen dritten Vergleich ziehen. Wenn der Scheck gedeckt ist und wir ihn eingelöst haben, dann müssen wir auch wissen, was wir mit dem Guthaben anfangen, das uns nun zur Verfügung steht. Behalten wir es für uns ganz allein? Leben wir still vergnügt im Frieden mit Gott als seine versöhnten Kinder? Oder geben wir das Empfangene weiter?

 

Wir sollen den Frieden und die Vergebung und die Versöhnung in die Welt tragen. Mit dieser Aufforderung geht der Abschnitt in Johannes 20 weiter:

 

21 Da sprach Jesus abermals zu ihnen: Friede sei mit euch! Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch.  22 Und als er das gesagt hatte, blies er sie an und spricht zu ihnen: Nehmt hin Heiligen Geist!  23 Welchen ihr die Sünden erlasst, denen sind sie erlassen; und welchen ihr sie behaltet, denen sind sie behalten. 

 

Jesus wiederholt den Friedensgruß und gibt seinen Leuten gleich im Anschluss daran einen Auftrag. Er sendet seine Jünger aus. Aber nicht einfach so, sondern „Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch.“ Das „Wie“ hat nicht nur einen vergleichenden Klang. Sondern hier schwingt eine Begründung mit. Weil der himmlische Vater seinen Sohn in die Welt gesandt hat und Jesus den Auftrag Gottes erfüllt hat, deswegen sendet Jesus nun seine Leute. Weil Jesus schon ein für alle Mal das ewig gültige Opfer vollbracht hat, deswegen sendet er uns in die Welt. Sein Handeln ist die Grundlage und übrigens auch der Inhalt unserer Sendung.

 

Damit sind wir bei dem Vergleich zwischen Jesu Sendung und unserer Beauftragung. Was war nochmal der Auftrag, den Jesus hatte? Am deutlichsten macht er das im Gespräch mit Nikodemus in Johannes 3 klar! „Gott hat seinen Sohn nicht in die Welt gesandt, dass er die Welt richte, sondern dass die Welt durch ihn gerettet werde.“ In Lukas 19,10 sagt Jesus, dass er gekommen ist, um die Verlorenen zu suchen und zu retten. Der Apostel Paulus unterstreicht das unter anderem in 1. Timotheus 1,15: „Christus Jesus ist in die Welt gekommen, um die Sünder zu retten.“

 

Diese Suche nach Menschen, die Gott verloren haben, diese Rettung von Menschen, die von Gott getrennt sind, diese Vergebung und Versöhnung, das alles ist Jesu Auftrag gewesen. Und diese Botschaft sollen wir auch verkündigen. Den Inhalt und Wert des „Schecks“ sollen wir nicht für uns behalten, sondern weitergeben. Wir sind die Verteiler, die Multiplikatoren! Was wir zu verkündigen haben und was wir den Menschen zusprechen sollen, das ist die Vergebung! Darum ist auch im Vers 23 von der Vergebung, vom Sündenerlass die Rede.

 

Wenn ich mir nun aber diesen Vers anschaue, dann habe ich zunächst mehr Fragen als Antworten. Ok, ich verstehe, dass wir die Vergebung predigen und zusprechen sollen. Aber klingt das hier nicht nach Willkür oder nach einem Gießkannenprinzip? Ist das nicht eine unfassbare Anmaßung, wenn wir es in der Hand haben sollten, wem die Sünden erlassen sind und wem nicht?

 

Ich komme nochmal zurück auf das Bild vom Scheck. Und ich verstehe, dass wir den Scheck der Vergebung den Menschen aushändigen sollen. Dabei sollen wir natürlich keinen Blankoscheck ausstellen. Das wäre nicht im Sinne des Erfinders. Hier muss ich an den Begriff von der „billigen Gnade“ denken, den Dietrich Bonhoeffer geprägt hat. Jesus spricht eben gerade nicht von einer billigen Vergebung, billigen Gnade, einem leichtfertig ausgestellten Blankoscheck.

 

Des Weiteren denke ich bei diesem Scheck daran, dass er ein persönliches Dokument ist und nur von der Person eingelöst werden kann, auf die er ausgestellt worden ist. Die zugesprochene Vergebung ist etwas urpersönliches. Und so persönlich soll sie zugesprochen werden, weil der Schuldiggewordene sie auch persönlich erbittet.

 

Wenn die Vergebung im umgekehrten Fall aber nicht gewollt ist, wenn sie nicht angenommen wird, dann bleiben die Sünden auf dem Menschen liegen. Eine Gießkannenabsolution ohne Schuldeinsicht und -erkenntnis ist mit diesem Vers also nicht zu rechtfertigen.

 

Wohl aber benötigen die Jünger damals und alle Christen bis heute eine Autorisierung, um die Vergebung zuzusprechen. Diese Legitimation liegt nicht in einer Ausbildung oder einer Ordination begründet, sondern in der Gabe des Heiligen Geistes. Nur der Geist Gottes gibt den wahren Blick für die Lage eines Menschen vor Gott. Und nur der Heilige Geist bevollmächtigt uns, im Namen Jesu die Vergebung der Sünde zuzusprechen.

 

Wenn Jesus hier seine Jünger anhaucht, dann ist das im wahrsten Sinn des Wortes „Inspiration“, „Eingeistung“. Er nimmt hier nicht das Pfingstfest vorweg, sondern er zeigt seinen Jüngern und uns, dass wir ohne den Heiligen Geist nicht in der Lage sind, seine bevollmächtigten Boten zu sein.

 

So, wie Gott bei der Schöpfung dem Menschen den lebendigen Odem einhauchte und der Mensch eine lebendige Seele wurde (siehe 1Mose 2,7), so werden wir durch die Gabe des Geistes zu geistlichen Persönlichkeiten, die Jesus aussendet.

 

Pfarrer Axel Kühner hat hierzu wieder mal ein sehr hilfreiches einleuchtendes Bild gefunden. „Eine Querflöte ist ein kostbares Stück. Sie ist aus gutem Material kunstvoll gebaut und schon für sich wertvoll und schön. Aber eine Flöte möchte nicht nur schön herumliegen, sie möchte gespielt und zum Klingen gebracht werden. Erst dann wird sie lebendig, sinnvoll und wertvoll. Das kostbare Material braucht eine gute Hand, die sie nimmt, und den Atem des Künstlers, der ihr die Töne und Melodien entlockt. Das wertvolle Material, die geschickte Hand und der lebendige Atem bilden einen Wirkungszusammenhang, der die Musik erzeugt.

 

So sind auch wir Menschen kostbar. Gott hat uns in Liebe geformt und schön gemacht. Aber richtig lebendig, sinnvoll und wertvoll sind wir erst, wenn Gott uns in seine Hand nimmt und seinen Lebensatem in uns hineingibt. Da werden Menschen menschlich und Leben lebendig, und alles singt und klingt uns zur Freude und Gott zur Ehre. Wir Menschen sind nicht gemacht, um schön herumzuliegen. Gott möchte uns in die Hand nehmen und unser Leben zum Klingen bringen, indem sein Geist der Liebe durch uns hindurchströmt.“

 

Ich wünsche uns allen, dass Gottes Geist uns inspiriert, damit wir den Frieden und die Vergebung in die Welt tragen können.

 

Gebet:
Lieber Herr, danke für deinen Frieden, der uns in reichem Maße zugesprochen wird. Danke für deinen Heiligen Geist, der uns erfüllt und befähigt, Boten deines Friedens zu sein. Bringe uns zum Klingen und Singen, nimm uns in deine Hand und segne uns, damit wir ein Segen für andere sein können!
AMEN