Predigt über Lukas 9,57-62

 

 

 

Liebe Freunde!

 

Wer von euch ist Mitglied in einem oder mehreren Vereinen? Das würde mich jetzt ja sehr interessieren, zu welchen Gruppen ihr verbindlich dazugehört. Ich konstruiere mal ein Beispiel: du bist Mitglied in einem Wanderverein. Das heißt, dass du wahrscheinlich gern wanderst, und das nicht nur allein oder mit ein paar wenigen anderen, sondern du hast dich einem Verein angeschlossen und ihr unternehmt gemeinsam eure Touren. Dazu gehört auch noch Unterstützung oder Beratung bei der Anschaffung von Wanderschuhen und entsprechender Kleidung, es gibt auch mal größere Fahrten und so weiter und so fort. Andere Beispiele skizziere ich kurz: manche sind Mitglied im Gesangverein und sie singen da auch mit; oder im Kegelclub, denn da wird gekegelt; es gibt die Vereinigung der Brieftaubenzüchter und da hat jeder auch selbst Brieftauben. Das alles ist aktive Mitgliedschaft, denn die Menschen tun und leben das, was Ziel und Zweck des Vereins ist.

 

Allerdings gehören auch viele Menschen zu Vereinen, ohne das selbst zu tun, wozu es den Verein gibt. Hier nenne ich nur das eine Beispiel Fußballvereinsmitglieder. Die kicken nicht, die trainieren auch nicht, die bezahlen höchstens den Mitgliedsbeitrag und für den Eintritt ins Stadion. Die finden gut, was der Verein macht, sind aber selbst in höchstem Maße passive Konsumenten.

 

In Deutschland bezeichnen sich etwas mehr als 60% der Bevölkerung als Christen. Das tun sie, weil sie auf dem Papier einer Kirche oder einer christlichen Gruppe oder Gemeinde angehören. Ich befürchte, dass viele nicht so viel von dem leben und praktizieren, was das Wesen, das Alleinstellungsmerkmal ihrer Kirche ist, nämlich die aktive Nachfolge Jesu Christi. Dabei will ich nicht in Abrede stellen, dass sich manche als Christinnen und Christen bezeichnen, weil sie mit dem Glauben sympathisieren. Das sind solche, die gern die „geistlichen Güter“ und die „göttlichen Gaben“ wie zum Beispiel Gottes Hilfe und seinen Beistand in Anspruch nehmen. Sie wollen gern vom Segen Gottes profitieren und freuen sich darüber, dass sie beten können und Gottes Gnade und Vergebung genießen dürfen. Seine Liebe und seinen Trost, seine Versorgung und die Hoffnung auf die Ewigkeit erwartet man wie selbstverständlich, denn man ist ja auch irgendwie fromm und christlich und schließlich ist man ja auch Mitglied in der Kirche oder einer christlichen Gemeinde.

 

Damit aber wird das Christsein zu einem Lebensbereich neben vielen anderen. Neben dem Hobby, Brieftauben zu züchten gibt es noch das Hobby, christlich zu sein. Neben dem regelmäßigen Besuch eines Fußballspiels geht man hin und wieder in einen Gottesdienst. Neben der Begeisterung für die Freunde und die Familie ist man auch noch fasziniert von Jesus.

 

Aber Jesus will nicht ein frommes Hobby neben anderen Leidenschaften sein. Er will nicht, dass wir uns ein bestimmtes Zeitkontingent für ihn reservieren, und mit der anderen Zeit hat er nichts zu tun. Er will nicht „auch sehr wichtig“ für uns sein, um dann eventuell auf der Prioritätenskale an die zweite, dritte oder vierte Stelle zu rutschen, wenn anderes noch wichtiger wird. Sondern in allem und allen Lebensbereichen will Jesus, dass wir ihm folgen, dass wir mit ihm verbunden sind, dass wir mit ihm leben. Im heutigen Predigttext lernen wir drei Menschen kennen, die sich zur Nachfolge herausgefordert sehen. Aber bei jedem hat die Bereitschaft zur aktiven Nachfolge irgendeinen Haken. Schauen wir uns an, wie Jesus darauf reagiert.

 

Wir hören auf den Predigttext aus Lukas 9,57-62:

 

57 Und als sie auf dem Wege waren, sprach einer zu ihm: Ich will dir folgen, wohin du gehst. 58 Und Jesus sprach zu ihm: Die Füchse haben Gruben und die Vögel unter dem Himmel haben Nester; aber der Menschensohn hat nichts, wo er sein Haupt hinlege.

 

59 Und er sprach zu einem andern: Folge mir nach! Der sprach aber: Herr, erlaube mir, dass ich zuvor hingehe und meinen Vater begrabe. 60 Aber Jesus sprach zu ihm: Lass die Toten ihre Toten begraben; du aber geh hin und verkündige das Reich Gottes!

 

61 Und ein andrer sprach: Herr, ich will dir nachfolgen; aber erlaube mir zuvor, dass ich Abschied nehme von denen, die in meinem Haus sind. 62 Jesus aber sprach zu ihm: Wer seine Hand an den Pflug legt und sieht zurück, der ist nicht geschickt für das Reich Gottes.

 

1.             Nachfolge hat ihre Preis. Kalkuliere die Kosten

 

Der erste Kandidat meldet sich freiwillig. Er hat sich vorgenommen: „Ich bin entschieden, Jesus zu folgen!“ Und das sogar bedingungslos: „Ich will dir folgen, wohin du gehst!“ Wir wissen nicht, was ihn zu diesem Schritt bewogen hat. Aber aus der Antwort Jesu können wir den Rückschluss ziehen, dass der erste Kandidat wahrscheinlich sehr idealistische und romantische Vorstellungen von dem Leben mit Jesus hatte. Vielleicht hat er sich Hoffnungen auf eine lukrative Assistentenstelle bei dem angesehenen Rabbi gemacht. Das macht sich im Lebenslauf doch ganz gut. Oder wollte er von Jesus, dem berühmten Wunderheiler, lernen? Heilkunst steht hoch im Kurs. Vielleicht wollte er auch nur bei Jesus sein und damit die Garantie für ein beschauliches und ruhiges leben bekommen. Er dachte möglicherweise: Wenn ich mit Jesus lebe und an Gott glaube, dann habe ich ausgesorgt, dann passt der liebe Gott auf mich auf, dann geht’s mir gut.

 

Wie dem auch sei, Jesus muss ihn enttäuschen. Er muss ihm bewusst machen, dass er sich in seinen Erwartungen und Vorstellung täuscht. Darum muss Jesus ihn ent-täuschen. Denn bei Jesus ist nichts Lukratives zu holen. Jesus hat weder ein eigenes Bett noch ein Dach überm Kopf. Als Kind hat er in einer geliehenen Krippe gelegen, er hat auf einen geliehenen Boot gepredigt, er ist auf einem geliehenen Esel geritten und lag schließlich in einem geliehenen Grab. Wer diesem Jesus also nachfolgen will, der muss damit rechnen, dass ihm ähnliches widerfährt. Damit tritt Jesus einer weit verbreiteten Meinung entgegen, dass es denen gut geht, die ihm folgen. Das „Wohlstandsevangelium“ ist eine Lüge. Ja, zum Glück und Gott sei Dank gönnt Jesus vielen von uns ein gemütliches Nest. Und es gibt auch unter denen, die konsequent und ernsthaft Christus nachfolgen, schlaue Füchse, deren Beruf und Geschäft eine wahre Goldgrube ist. Dabei sind weder die Wohnung noch der materielle Besitz Selbstzweck nur für uns, sondern wir sollen es teilen. Aber Nachfolge kann auch richtig teuer werden. Der Preis reicht vom milden Spott über Ausgrenzungen im Familien- und Freundeskreis bis hin zum Verlust von Haus und Hof, Hab und Gut. Für Christen in Syrien oder dem Iran oder Irak ist das nicht eine theoretische, sondern eine bitter-realistische Erfahrung. Nachfolge ist also nichts für Leute, die in diesem Leben unangefochten und abgesichert leben wollen, oder die auf Einfluss und Besitz aus sind.

 

Aber wenn das so ist: Warum sollen und wollen wir mit Jesus leben? Weil unser Leben nur durch ihn vor Gott in Ordnung kommt, weil er uns unsere Schuld vergibt. Und jetzt würde ich sehr gerne wieder in den höchsten Tönen darüber schwärmen, dass Jesus diese Welt und Menschheit so sehr liebt, dass er sein Leben für uns einsetzt, damit wir endlich wieder bei Gott zuhause sein können. Das habe ich aber in meiner letzten Predigt über Johannes 3,16 getan. Deswegen will ich mich hier darauf beschränken und bezeugen, dass ich sinnvolles und erfülltes Leben mit Ewigkeitsperspektive nur bei Jesus erfahre. Und weil Jesus für mich der einzige Weg dahin ist, deswegen will ich bei ihm bleiben. Egal, was es kostet. Und dafür will ich mich auch aktiv und konsequent einsetzen.

 

2.             Nachfolge geht vor. Setze Prioritäten!

 

Der zweite Aspirant wird von Jesus berufen: „Folge mir nach!“ Und der ist auch gar nicht abgeneigt. Allerdings hat er eine Einschränkung, die uns allen auf den ersten Blick absolut plausibel erscheint: „Herr, erlaube mir, dass ich zuvor hingehe und meinen Vater begrabe.“ Nein, dagegen kann und darf niemand was haben. Das ist die letzte Ehre, die man einem Elternteil erweisen kann. Deswegen erscheint uns die Antwort Jesu unfassbar herzlos, pietätlos, taktlos. Aber ich schließe mich der Überzeugung von etlichen Experten an, dass der Vater, von dem hier die Rede ist, noch lebt. Wäre der nämlich gerade eben erst verstorben, dann wäre der Sohn zuhause gewesen, hätte getrauert und anschließend die Beerdigung durchgeführt. Aber so behaupte ich, dass der Vater noch lebt. Und darum bin ich der Meinung, dass dieser zweite Kandidat für die Nachfolge und das Leben mit Jesus erst in Ruhe den Tod des Vaters abwarten will. Dann wird der Sohn das Erbe antreten und dann, wenn er in gesicherten Verhältnissen lebt, will er der Berufung Jesu folgen. Und Jesus sagt: „Nein, mein Freund, das Leben mit mir duldet keinen Aufschub. Das Leben mit mir hat oberste Priorität!“

 

Ich sehe aber noch einen anderen Gesichtspunkt, der nicht den Sohn, sondern den Vater kritisch unter die Lupe nimmt. Ich habe den Eindruck, dass der Vater seinen Sohn unter Druck gesetzt hat. „Mein Junge, du kannst von mir aus Jesus und seinem Ruf folgen. Aber zuerst musst du für deine alten Eltern da sein.“ Darum habe ich an der Stelle ein Wort für uns als Eltern. Haben wir unseren Kindern die Freiheit gelassen, ihre Berufung zu leben? Haben wir die Kinder darin ermutigt, auf das zu hören und zu horchen, was Jesus für sie und ihr Leben vorhat? Haben wir es ihnen zugestanden, Jesus mehr zu lieben als die eigenen Eltern?

 

Das Ziel muss sein, dass wir in der Nachfolge Jesu unter der guten Herrschaft Gottes leben, dass wir von der Hoffnung auf Gottes Größe und Herrlichkeit durchdrungen sind. Das muss oberste Priorität haben, denn das ist das Beste, was uns widerfahren kann und was wir proklamieren können. Davon soll uns nichts abhalten. Und davon sollen wir auch niemanden abhalten. Der provokante Satz: „Lass die Toten ihre Toten begraben“ heißt übersetzt: „Die Hoffnungslosen mögen ihre Hoffnungslosigkeit zelebrieren. Du aber proklamiere die Hoffnungsbotschaft von Gottes Größe und Herrlichkeit.“

 

3.             Nachfolge ist dringend. Behalte das Ziel im Blick!

 

Der dritte Mann ist auch bereit, Jesus nachzufolgen. Aber er bittet um Aufschub. Erst will er noch von seiner Familie Abschied nehmen. Wir dürfen davon ausgehen, er nicht nur schnell „Tschüss“ sagen will und wird, sondern dass es ein ordentliches Abschiedsfest gibt. Er will also quasi eine neue Stelle antreten, bittet aber schon am ersten Tag vor Dienstantritt um Urlaub. Das kommt nicht so gut an, aber genau das tut der Mann. Bevor er dem neuen Leben mit Jesus eine konkrete Gestalt gibt und sichtbar und verbindlich jeden Tag von ihm geleitet werden will, will er noch mal das bisherige, das alte Leben, in vollen Zügen genießen. Mir kam das so ein bisschen vor wie bei einem schlechten Junggesellenabschied oder beim Karneval. Da wird auch erst nochmal so richtig auf die Schwarte gehauen. Bevor es in den Hafen der Ehe geht, geht es zuweilen ziemlich zügellos zu. Und bevor gefastet wird, wird nochmal über die Stränge geschlagen. Und hier im biblischen Bericht: bevor das angeblich karge Leben der Nachfolge kommt, will ich zumindest noch ein rauschendes Abschiedsfest mit meinen Angehörigen feiern. Aber Jesus sagt diesem Mann, dass er noch nicht für die Nachfolge geeignet ist, wenn er so sehr an der alten Lebens- und Herzenshaltung hängt. Wenn er nicht entschlossen ist, sich ganz dem Ziel des Reiches Gottes zu verschreiben, hängt er immer noch an dem alten Lebenskonzept ohne Gott.

 

Das Bild vom Pflügen ist uns heute ziemlich fremd. In einer Bibelübertragung für Jugendliche steht es so: „Wer beim Mopedfahren nach hinten sieht, knallt an den Baum.“ Deswegen ermutigt Jesus diesen dritten Möchtegern-Nachfolger und uns alle, dass wir uns an der neuen Lebensausrichtung freuen sollen. Die Aussicht darauf, dass Gott unser Leben segnen und erfüllen will, rechtfertigt eine ungeteilte Konzentration auf ihn. Die Gewissheit, dass er uns in guten und in harten Zeiten begleiten und trösten wird, ermuntert uns, mit ganzem Herzen Jesus zu folgen. Und die Hoffnung auf die Vollendung am Ende der Tage im himmlischen Reich will so sehr in unseren Alltag hineinstrahlen, dass wir engagiert und fröhlich auf dieses Ziel hin leben und singen: „Nun aufwärts froh den Blick gewandt und vorwärts fest den Schritt. Wir gehn an unsers Meisters Hand, und unser Herr geht mit.“

 

Ich fasse zusammen: Wenn Jesus zur aktiven und konsequenten Nachfolge auffordert, dann will er uns damit weder ärgern oder abschrecken noch vor den Kopf stoßen. Sondern dann will er klarmachen, dass ein Leben mit ihm so wertvoll, so wichtig, so erstrebenswert ist, dass es konkurrenzlos ist. Und deswegen will er uns aus der bequemen Konsumentenhaltung rausholen und hineinrufen in ein aktives Leben unter seiner Regie. Das zu hören und dem zu immer konsequenter zu folgen, dazu möge Gott uns Mut und Entschlossenheit schenken.

 

AMEN