Jesaja 7,1-12

 

 

 

Liebe Gemeinde!

 

Das ist aber auch eine verzwickte Lage, in der sich Ahas, der König von Juda, befindet. Da sind einmal die Assyrer, die immer mächtiger und bedrohlicher werden. Sie haben schon viele Länder unter ihrer Knute, auch die Aramäer und die 10 Stämme des Königreiches Israel. Und dann sind da eben genau diese zwei Königreiche, die sich zusammenschließen und König Ahas von Jerusalem in eine antiassyrische Koalition zwingen wollen. Wenn Ahas sich weigern sollte, dann wollen die zwei Könige, Rezin von Aram und Pekach von Israel, einen anderen in Jerusalem auf den Thron setzen, der dann mit ihnen im Dreierbündnis gegen die Assyrer rebelliert. Was soll Ahas also tun? Soll er dem Bündnis beitreten und damit den Kampf gegen die übermächtigen Assyrer riskieren? Oder soll er sich der Weltmacht aus dem Osten freiwillig unterwerfen und von Assyrien Hilfe gegen die Bedrohung durch Aram und Israel erbitten? Es ist die sprichwörtliche Entscheidung zwischen Pest und Cholera.

 

Wohl dem der in so einer Situation einen Ratgeber hat. Gott schickt seinen Propheten Jesaja zum König Ahas. Und Jesaja hat ein Wort von Gott für den König. In Jesaja 7,1-4 steht folgendes:

 

„Fasse dich, tu nichts Unüberlegtes, sondern bewahre die Ruhe. Hab keine Angst, und lass dich nicht einschüchtern! Rezin und der Sohn Remaljas stürmen zwar wutschnaubend mit ihren Heeren gegen dich heran, doch sie sind nichts als verkohlte, qualmende Holzstummel. Der aramäische und der israelitische König haben sich einen bösen Plan ausgedacht. Die beiden sagen: 'Wir wollen nach Juda hinaufziehen. Erst schüchtern wir die Leute ein, dann erobern wir Jerusalem, und zuletzt machen wir den Sohn Tabeals zu ihrem neuen König.' Aber ich, der allmächtige Gott, sage: Daraus wird nichts! Es wird ihnen nicht gelingen!“

 

Liebe Freunde, der erste Gedanke, den ich dem heutigen Predigttext entnehmen will, ist die Einladung, dass wir Gottes Perspektive einnehmen. König Ahas hat natürlich seine Sicht der Dinge, er hat seinen Blick auf die militärischen Bedrohungen und die politischen Konflikte. Und natürlich überlegt er, wie er am besten aus dem Schlamassel rauskommen kann. Beide Optionen, die ihm augenscheinlich zur Verfügung stehen, haben riesengroßen Nachteile! Darum bietet Gott ihm einen dritten Weg an. Der bedeutet für Ahas aber zunächst, dass er nichts Unüberlegtes macht und die Ruhe bewahrt. Denn aus der Perspektive Gottes sind die beiden feindlichen Mächte nichts anderes als verkohlte, qualmende Holzstummel. Was für Ahas und für Jerusalem wie eine unheimliche Bedrohung aussieht, das ist in den Augen Gottes nur noch viel Rauch um nichts, nur noch ein verglimmendes Feuer, von dem keine Gefahr mehr ausgeht.

 

Wie kann es uns gelingen, dass wir die Perspektive Gottes einnehmen können? Manchmal passiert es ja - Gott sei Lob und Dank -, dass uns eine Aussage aus der Bibel oder ein Impuls aus einer Predigt oder ein persönlicher Zuspruch dazu verhilft, die Dinge aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten. Vielleicht hast du diese Erfahrung schon mal gemacht. In einer akuten Krankheitsphase bist du verzweifelt und trostlos. Und dann begegnet dir eine Zusage aus dem Wort Gottes und es keimt in dir Hoffnung auf. Wenn Gott dir zusagt: „Ich will dich nicht verlassen noch von dir weichen“, dann ist damit noch nicht gesagt, dass du von jetzt auf gleich wieder gesund wirst. Aber die Gewissheit hat Raum gewonnen, dass die Krankheit nicht das Ende ist und nicht das letzte Wort hat und dass Gott auch in der Krankheit da ist.

 

Wir dürfen Gottes Verheißungen ernst nehmen, ernstes nehmen als unsere Besorgnisse. Mir geht es so, dass ich mir schon Sorgen um die Entwicklung und den Fortbestand christlicher Gemeinden und Gemeinschaften mache. Aber über diesen Befürchtungen höre ich die Zusage Jesu, dass die Pforten der Hölle seine Gemeinde nicht überwinden kann. Mögen einzelne Gruppen und Kreise aussterben, die weltweite Kirche Jesu wird nicht sterben.

 

Manchmal also gibt uns Gott ein Wort, mit dem wir seine Sicht der Dinge gewinnen dürfen.

 

Manchmal aber stehen wir vor Herausforderungen, in denen wir kein unmittelbares Wort von Gott haben. Wir müssen Probleme bewältigen und haben keinen Schimmer, wie das gehen soll, welche Option die am wenigsten schlechte ist. Dann stellt sich die Frage, ob wir eigenmächtige, kopflose Kurzschlussentscheidungen treffen, oder ob die Problembewältigung von einem Grundvertrauen zu Gott geprägt ist. Ich will ein persönliches Beispiel aus unserer Familie berichten.

 

Unsere Tochter war vom Spätsommer 2011 bis zum Sommer 2012 für ein sozial-missionarisches Jahr in Ghana. Dort hat sie im Norden des Landes Kinder betreut und unterrichtet und in einer christlichen Gemeinde mitgearbeitet. Kurz vor der Heimreise ist sie von einem jungen Mann unsittlich bedrängt worden und sie ist ungewollt schwanger geworden. Davon wusste sie noch nichts, als sie zu uns nach Hause gekommen war. Zum Wintersemester wollte sie studieren. Dann aber hat die Untersuchung beim Frauenarzt ergeben und gezeigt: sie ist schwanger. Was das alles bedeutet und mit sich bringt, muss ich wohl nicht lang und breit ausführen. Was tun? Abtreiben? Bei diesen Umständen und nach geltendem Recht wäre das ohne weiteres möglich gewesen. Aber sie hat sich diesbezüglich sofort positioniert und gesagt: „Soll ich geschehenes Unrecht durch ein noch größeres Unrecht ungeschehen machen? Niemals! Das kommt nicht in Frage!“ So haben wir als Eltern und als Familie mit unserer Tochter die Herausforderung angenommen und waren gespannt, welche Antwort und Perspektive Gott hat. Ich habe in der Zeit gebetet: „Lieber Vater, wir haben da ein ziemlich großes Problem. Ich bin gespannt, die du damit umgehst.“ Gott ist damit umgegangen und hat geholfen, bewahrt, seelische und geistliche Hilfe und Heilung geschenkt. Unsere Enkeltochter ist mittlerweile 8 Jahre alt. Sie ist ein gesunder Schatz, sie hat einen biologischen Papa, der in Afrika wohnt (und den sie nicht kennt) und einen richtigen Papa, den ihre Mama vor einem Jahr geheiratet hat.

 

Ich möchte uns einfach Mut machen, die Perspektive und Blickrichtung Gottes einzuüben und mit dieser Sicht seine Wunder erleben.

 

Jesaja gibt dem König Ahas noch eine zweite Zusage und Ansage. Nachdem der Prophet nochmal im Namen Gottes die Größe der Bedrohung und die Ausweglosigkeit aus dem Konflikt relativiert (weder König Rezin von Damaskus noch der König von Samaria wird Jerusalem beherrschen) fordert er Ahas und das ganze Volk auf zu glauben. „Glaubt ihr nicht, so bleibt ihr nicht.“ So hat Martin Luther die Worte ins Deutsche übersetzt. Im Hebräischen klingen die beiden Tätigkeitsworte sehr ähnlich. „Im loh ta’aminu ki loh te’amenu“. Diesen Gleichklang versuchen manche Übersetzungen ins Deutsche zu übertragen. „Wenn euch der Glaube an mich nicht hält, dann hält euch gar nichts mehr“ (Hoffnung für alle). „Wenn ihr nicht (im Vertrauen) bei Gott bleibt, dann bliebt ihr überhaupt nicht“ (Gute Nachricht). „Vertraut ihr nicht, bleibt ihr nicht betreut“ (Buber). In all diesen Varianten steckt zunächst mal die Grundwahrheit, dass unser Leben ohne ein Grundvertrauen nicht funktioniert. Wenn wir nicht glauben und darauf vertrauen, dass wir die Lebensmittel, die wir einkaufen, bedenkenlos essen können, werden wir vor lauter Misstrauen verrückt. Wenn wir nicht glauben und vertrauen, dass es die Menschen in unserem nahen Umfeld gut mit uns meinen, sind wir über kurz oder lang beziehungsunfähig. Leider passiert es je und dann, dass wir von uns nahestehenden Menschen enttäuscht werden. Aber ich hoffe doch sehr, dass wir durch solche Ausnahmen das grundsätzliche Vertrauen nicht aufgegeben haben. Wenn wir nicht glauben und vertrauen, dass es morgens hell wird und die Sonne aufgeht, dass sie abends wieder untergeht und es in der Nacht dunkel ist, wenn wir nicht glauben, dass der Zyklus der vier Jahreszeiten immer wiederkehrt, dass Frost und Hitze zur rechten Zeit kommen und gehen, wenn wir das krankhaft misstrauisch in Zweifel ziehen, dann werden wir unseres Lebens nicht mehr froh.

 

Ich habe eine alte, demenzkranke Person im Altenheim vor Augen. Und ich meine, dass kleine Kinder und solche alte Menschen Wahrheiten ans Licht bringen, die für uns hilfreich sein können. Diese alte Person fragt oft schon ab 16 Uhr, was sie als nächstes tun soll. Immer wieder fragt sie das gleiche. Sie ist sehr verunsichert, obwohl sie die regelmäßigen und geordneten Abläufe genau kennt. Es hört sich tatsächlich an wie eine Schallplatte, die einen Sprung hat. Die Person ist aber nicht nur unsicher, sondern sie ist voller Zweifel und voller Misstrauen. Wenn wir ihr sagen und versichern, dass sie um 18 Uhr das Abendbrot bekommt und anschließend ihre Tabletten, dass sie dann aufs Zimmer und ins Bett gebracht wird, dass sie um 20 Uhr auf jeden Fall noch ihre große Tablette kriegt, dann zweifelt sie das an. Dann spricht sie unverhohlen ihr Misstrauen aus und ist der festen Überzeugung, dass alle Versprechen nur leere Worte sind. Und die Folge davon ist: „Ich habe Angst!“

 

Natürlich weiß ich um die Einschränkungen durch die Demenz. Und ich weiß auch, dass aus der Unsicherheit die Angst resultiert. Und doch sehe ich einen ganz engen Zusammenhang zwischen Misstrauen und Angst. Aus einem Grundmisstrauen erwächst vielfach eine Grundangst. Daraus ergibt sich aber im Umkehrschluss, dass wir mit einem immer größer werdenden Grundvertrauen Gott gegenüber in immer größere Freiheit und Gelassenheit wachsen können. Und das ist die Einladung Gottes an uns, ihm zu vertrauen und dadurch Frieden und Ruhe zu erfahren.  

 

Sollten wir uns aber langfristig dem Glauben und dem Vertrauen Gott gegenüber verweigern, hat das unweigerlich Auswirkungen auf das Leben hier und die Ewigkeit dort. Denn wer sich nicht auf Gott verlässt, ist dann auch für alle Zeiten von Gott verlassen. Das muss ich der Ehrlichkeit halber noch erwähnen, wenn es auch für uns heißt: „Glaubt ihr nicht, so bleibt ihr nicht.“

 

Für den Ahas hat Gott noch eine extra Motivation für das Vertrauen und den Glauben. Er bietet ihm die Erlaubnis an, von Gott ein Zeichen seiner Macht und Größe, seiner Glaubwürdigkeit und Zuverlässigkeit zu fordern. Das klingt ja fast zu märchenhaft, um wahr zu sein. Aber Gott will dem Ahas zeigen, dass er wirklich die Macht hat, zu helfen und zu beschützen. Und was macht Ahas? Er lehnt dankend ab. Verwundert reiben wir uns die Augen und die Ohren. Ich glaub, ich seh nicht richtig. Hab ich mich verhört? Warum nimmt Ahas dieses Angebot nicht an? Er tut das nicht aus Bescheidenheit oder Demut oder frommer Zurückhaltung. Sondern er tut es aus Unglauben und Feigheit. Sein Unglaube, sein tiefsitzendes Misstrauen traut Gott nicht. Ahas traut es Gott nicht zu, dass er in der heiklen politischen und militärischen Krise helfen kann. Deswegen lässt Ahas sich erst gar nicht auf Gott ein. Und er lehnt das Angebot Gottes aus Feigheit ab. Denn wenn Gott tatsächlich seine Macht erweisen würde, dann hätte der König keine Argumente mehr für sein angestrebtes Bündnis mit den Assyrern. Ahas vertraut lieber auf seine eigene politische Taktik und auf die Hilfe des Feindes, statt auf Gott.

 

Ist das nicht bis heute so, dass manche Menschen sich erst gar nicht auf ein Gebet und einen Hilferuf an Gott einlassen? Denn wer betet, wer mit Gott in Berührung kommt, wer mit ihm in Kontakt tritt, wer sich auf ihn einlässt und verlässt, der könnte ja unter Umständen erfahren, dass Gott hilft und handelt und eingreift. Und dann? Dann hätten wir kein Argument mehr für unser Misstrauen, für unseren Eigensinn. Gott aber lädt uns ein, fordert uns auf, ermutigt und ermahnt uns eindringlich, dass wir uns an ihn wenden sollen. „Rufe mich an in der Not, so will ich dich erretten, und du sollst mich preisen.“ „Bittet, so wird euch gegeben; suchet, so werdet ihr finden; klopft an, so wird euch aufgetan.“ „Wenn ihr mich so ganzem Herzen suchen werdet, will ich mich von euch finden lassen.“

 

Diese und noch viele andere Einladungen sollen und dürfen wir hören, ernstnehmen und annehmen.

 

Ich möchte die drei Gedanken meiner Predigt als persönliche Bitte an Gott formulieren und vor ihm aussprechen.

 

Herr, hilf mir, dass ich deine Sicht auf die Dinge gewinne.

 

Herr, hilf mir, dass ich dir mehr glaube und weniger misstraue, damit ich hier und in Ewigkeit in dir geborgen und bewahrt bin.

 

Herr, hilf mir, dass ich dich noch mehr ernst nehme und deine Einladungen beherzige.

 

Und der Friede Gottes, der höher ist als all unsere Vernunft, der bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus!

 

AMEN