Osterpredigt 2021

 

 

 

Liebe Gemeinde!

 

Wir feiern mit dem Osterfest nichts Geringeres als die Überwindung des Todes und die Verwirklichung des Traumes vom ewigen Leben. Denn die Auferweckung Jesu von den Toten, seine Auferstehung aus dem Grab bedeutet, dass der Tod nicht das letzte Wort hat. Sondern Jesus lebt. Ihn konnte der Tod nicht festhalten. Bislang galt: Wer tot war, der war unwiderruflich tot. Da gab und gibt es nichts dran zu rütteln. Und Jesus war wirklich tot. Alle anderen Theorien sind Hirngespinste, sind Ammenmärchen, sind allesamt untaugliche Versuche, den Schmerz vom grausamen Tod Jesu zu mildern und das Wunder von der Auferstehung zu schmälern. Die Tötungsmethode der Römer, durch die Jesus damals umgebracht wurde, war brutal und grausam, und sie war „totsicher“. Und wenn die Männer vom Exekutions-kommando festgestellt haben, dass der „Jesus von Nazareth, König der Juden“ gestorben ist, dann ist es nicht nötig, dass Pathologen oder Gerichtsmediziner seinen Tod wissenschaftlich bestätigen.

 

In den Berichten über die Auferweckung Jesu und in den Glaubensaussagen über seine Auferstehung wird ausdrücklich betont, dass Jesus am dritten Tag auferstanden ist. Drei Tage war er tot. Wir meinen zwar, dass drei Tage drei mal 24 Stunden bedeuten. In der damaligen Zeit allerdings galt ein Tag, der schon fast zu Ende gegangen war, als ein ganzer Tag. Und ein gerade eben begonnener Tag galt auch schon als ein ganzer Tag. An Karfreitag starb Jesus, am Samstag lag er im Grab und am dritten Tag, dem Auferstehungssonntag hat Gott ihn auferweckt. Jesus war drei Tage tot. Aber warum drei Tage? Warum hat er nicht an dem späten Nachmittag kurz vor seiner Beerdigung die Augen wieder aufgemacht und gerufen: „Hallo, da bin ich wieder.“? Warum ist das so bedeutsam, dass Jesus drei Tage tot war? In der Welt der Antike galt jemand als richtig tot, wenn er drei Tage im Grab lag. Die Kriterien sind ganz einfach; wenn sich nach drei Tagen immer noch nichts gerührt hat, wird nichts mehr passieren. Damit ist der Tod endgültig bestätigt!

 

Erstaunlicherweise aber ist bei Jesus am dritten Tag das alles Entscheidende passiert! Er war wirklich tot. Und am dritten Tag ist er wirklich auferstanden. Dabei ist seine Auferstehung so unglaublich, dass niemand auf die Idee kommt, sich so etwas auszudenken. Aber seine Auferstehung ist gleichzeitig auch so gut bezeugt und so plausibel, dass niemand auf die Idee kommen sollte, sie anzuzweifeln. Ich will nur zwei Beispiele nennen, die für eine reale Auferstehung sprechen. Sowohl Lukas als auch Johannes berichten davon, dass die Leinentücher, in die der Leichnam eingewickelt worden war, ordentlich zusammengelegt im Grab lagen. Wenn irgendwer die Leiche gestohlen hätte, wären die Grabräuber niemals auf den Gedanken gekommen, den toten Körper erst aus diesen Tüchern rauszuholen. Und das zweite: wenn irgendjemand die Geschichte von der leibhaftigen Auferstehung hätte erfinden wollen, dann wären in dieser Story ganz sicher keine Frauen die ersten Zeugen der Auferstehung gewesen. Denn Frauen galten damals nicht als glaubwürdig, ihre Aussagen waren bei Gericht nur bedingt zugelassen.

 

Es ist sinnvoll, plausibel und logisch, daran zu glauben, dass Jesus lebt. Und es ist deswegen keine Einbildung und kein Hirngespinst, wenn Christen sagen und erleben, erfahren und proklamieren, dass sie mit Jesus leben. Wir wissen, dass er lebt und für uns da ist. Er begleitet mich und er leitet mich in meinem Alltag. Wenn ich bete, dann rede ich nicht mit einem, der irgendwann mal gelebt hat und der zwar ein toller Mensch und ein wunderbarer Lehrer und Wundertäter gewesen ist, der aber dann halt auch gestorben ist. Ich verlasse mich auch nicht auf irgendwelche Geschöpfe, seien es Talismane oder Gestirnskonstellationen. Sondern mein Herr und Heiland Jesus lebt. Er geht mit mir durch Dick und Dünn. Er lässt mich auch in Krisenzeiten und finsteren Phasen meines Lebens nicht allein. Er hilft mir hindurch, schenkt Kraft und Hoffnung, Mut und Zuversicht.

 

Aber auch ich, der ich mit dem auferstandenen Jesus unterwegs bin, auch ich werde wahrscheinlich irgendwann mal alt und schwach, gebrechlich und krank. Auch bei mir werden irgendwann mal die Knochen brüchig und die Gelenke steif. Meine Organe beginnen zu versagen, mein Organismus hat nicht mehr genug Energie, um mich am Leben zu erhalten. Sei es nun eine Krankheit oder ein Unfall, irgendwas wird rein physiologisch dafür sorgen, dass ich sterben werde. Irgendwann werde ich das erleiden, was ein Mann namens Lazarus damals zur Zeit Jesu, erlitten hat. Wir lesen den Anfang des Berichtes aus Johannes 11,1-7.

 

Wir hören hier, dass sich die beiden Schwestern Marta und Maria mit einer dringenden Bitte an Jesus wenden. Ihr Bruder ist schwer krank. Wie würden wir so ein Anliegen vor Jesus bringen, wie würden wir ihn motivieren, zu kommen und zu helfen und zu heilen? Wir würden vielleicht auf alles Mögliche hinweisen, was wir schon Gutes gemacht und geleistet haben. „Lieber Herr, du weißt doch, dass ich immer fromm und anständig war, dass ich für meine Familie gesorgt habe und dass ich auch in der Nachbarschaft und Bekanntschaft immer hilfsbereit gewesen bin. Deswegen bitte ich dich, hilf uns doch!“ Oder wir würden uns entschuldigen, dass wir zwar nicht immer so fromm und so brav gewesen sind, aber so schlecht waren wir ja nun auch nicht. „Also, bitte, lieber Gott, hilf uns!“ Mir ist aufgefallen, dass die Schwestern nichts anführen, womit sie Jesus imponieren wollen, damit er ihrem Bruder hilft. Sie hätten erwähnen können: „Herr Jesus, wir hatten immer ein offenes Haus für dich und deine Schülertruppe. Und du bist auch immer satt geworden, wenn ihr bei uns zu Gast gewesen seid.“ Nein, nichts dergleichen. Sondern einfach der Satz: „Herr, sieh doch, der, den du liebhast, ist krank!“ Warum soll Jesus kommen, worum soll er helfen? Weil er Lazarus liebhat.

 

Wissen Sie, dass Jesus Sie liebhat? Wissen Sie, dass Sie nichts dafür tun können, dass Jesus Sie mehr oder dass er Sie weniger liebt. Das Einzige, was wir tun können und sollen ist, auf seine Liebe zu antworten, seine Liebe zu erwidern. Dann wird die Beziehung zu Jesus vollkommen. Aber er will uns helfen und uns beistehen, nicht, weil wir es verdient hätten, sondern weil er uns liebt.

 

Wenn Jesus aber Lazarus liebhat, was macht er dann mit dieser Information, dass sein Freund krank ist?

 

Jesus hört sich das alles gut an und dann sagt er, dass diese Krankheit nicht zum Tod seines Freundes führt. Gut, könnte man meinen, wenn Jesus sich da so sicher ist, dann hat es tatsächlich keine Eile, nach Betanien zu laufen. Der Weg von seinem momentanen Aufenthaltsort dorthin ist etwa 40 bis 50 Kilometer weit (das ist eine Strecke, für die man zu Fuß gut und gerne einen Tag benötigt). Aber Jesus weiß es doch besser als wir zunächst vermuten. Die Krankheit ist nicht tödlich, so sagt er, sondern sie führt zur Verherrlichung Gottes und seines Sohnes. Dabei weiß er doch, dass Lazarus im Sterben liegt und dass er kurze Zeit später tatsächlich stirbt. Warum wartet Jesus dann noch zwei Tage? Wenn man die Zeit einkalkuliert, die für die Bewältigung des Weges nötig ist, dann vergehen insgesamt vier Tage, bis Jesus in Betanien eintrifft. Im Bericht des Johannesevangeliums lesen wir: „Als Jesus kam, fand er Lazarus schon vier Tage im Grabe liegen“ (11,17). Lazarus war also bereits verstorben, als Jesus die Nachricht von seiner Krankheit erfährt. Obwohl Jesus das ganz bestimmt weiß, lässt er noch zwei Tage verstreichen, bis er sich auf den Weg macht. Und erst dann besucht Jesus seinen Freund, aber nicht am Krankenbett, sondern auf dem Friedhof.

 

Nachdem Jesus in Betanien ankommt, läuft Marta zu ihm.

 

Lesung Johannes 11,20-27

 

Der leichte Vorwurf ist unüberhörbar. „Wärst du hier gewesen.“ Jetzt aber ist Lazarus schon vier Tage tot. Seit Tot ist also endgültig bestätigt. Er liegt im Grab, der Verwesungsprozess hat schon eingesetzt. Da lässt sich nichts mehr machen.

 

Ich bleibe bei diesem Gedanken mal kurz stehen. Das ist ja unsere Ansicht auch. Wenn ein Angehöriger oder Bekannter gestorben ist, dann ist es aus und vorbei. Und wenn der Leichnam dann auch noch verbrannt wird, dann war’s das. Da lässt sich nichts mehr machen. Wie soll das dann aber vor sich gehen mit der Auferstehung der Toten, von der Christen im Glaubensbekenntnis sagen, dass sie daran glauben. Wie soll Gott das hinkriegen? Diese Frage lassen wir mal so im Raum stehen. Wir werden nachher noch einmal darauf zurückkommen. Jetzt hören wieder hinein in das Gespräch zwischen Jesus und Marta. Marta relativiert ihren Vorwurf und traut Jesus trotz allem und immer noch zu, dass er auch jetzt Erstaunliches tun kann. „Was du bittest von Gott, das wird dir Gott geben.“ Als Jesus dann sagt: „Dein Bruder wird auferstehen!“, da bekommt sie wahrscheinlich doch Zweifel an ihrer eigenen Glaubenscourage. „Ich weiß wohl, dass er auferstehen wird – bei der Auferstehung am Jüngsten Tage.“ Damit unterstreicht sie aber auch gleichzeitig die Hoffnung auf die endzeitliche Auferstehung der Toten. Diese Hoffnung deutet sich in manchen alttestamentlichen Schriften an. In Jesaja 26,19 steht: „HERR, deine Toten werden wieder leben, die Leichen meines Volkes werden auferstehen! Ihr alle, die ihr in der Erde liegt, wacht auf und jubelt vor Freude! Du, HERR, bist wie der belebende Tau; darum gibt die Erde die Toten heraus.“ Und in Daniel 12,2 ist zu lesen: „Die vielen, die in der Erde schlafen, werden erwachen, die einen zu ewigem Leben, die andern zu ewiger Schmach und Schande.“

 

Das wird so sein, aber das ist Zukunftsmusik. Davon ist Marta überzeugt. Das glaubt sie ganz fest. Und dann sagt Jesus - wieder in Form von einem „Ich-bin-Wort“ - etwas ganz und gar Revolutionäres: „Ich, ich bin, der ich bin, die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt, der wird leben, auch wenn er stirbt. Und wer lebt und an mich glaubt, wird nimmermehr sterben, wird in Ewigkeit nicht von Gott getrennt.“

 

Wie bei anderen „Ich-bin-Aussagen“ von Jesus gilt auch hier, dass uns das zugesprochen wird, womit Jesus sich vergleicht. Wenn er beispielsweise sagt, dass er das Brot ist, dann werden wir bei ihm und von ihm satt, dann stillt er unseren Lebenshunger. Wenn er sagt, er sei das Licht, dann macht er unser Leben hell. Und wenn er sich als den guten Hirten vorstellt, dann weidet und leitet er uns, dann setzt er sich für uns total ein. So ist es auch hier: Jesus ist die Auferstehung und das Leben. Mit ihm haben wir die Garantie, dass der Tod nicht das letzte Wort hat, dass er nicht die Endstation für uns ist. Zwar gilt nach wie vor die Aussage aus dem Propheten Daniel, dass die Toten alle am Ende der Zeiten auferstehen werden. Aber Jesus zeigt den Unterschied auf, ob man zum ewigen Leben oder zur ewigen Schmach und Schande auferweckt wird. „Wer an mich glaubt!“ Das ist der springende Punkt. An Ostern vergewissern wir uns, dass Jesus nicht etwas verspricht, was er selbst nicht einhält. Er, der verspricht, dass wir im Vertrauen auf ihn am Ende der Zeiten auferweckt werden zum ewigen Leben, der ist selbst vom Vater auferweckt worden. Er selbst ist auferstanden und ist darum die Gewähr dafür, dass wir mit ihm leben und in Ewigkeit nicht von Gott getrennt sind.

 

Und was ist, wenn wir sterben? Warum verhindert er es nicht, dass auch Christen sterben, manchmal auf sehr furchtbare Art und Weise? Es ist meine ich so wie bei Lazarus. Jesus weiß, dass wir sterben müssen wie sein Freund damals. Aber das ist dann eben nicht das Ende für uns. Damals wollte Jesus seine Vollmacht unter Beweis stellen und hat den Lazarus noch einmal ins Leben zurückgerufen. Und so wird er es am Jüngsten Tag auch schaffen, uns alle auferstehen lassen. Er wird das wiederherstellen, was der Tod ruiniert hat. Und auch das geschieht zur Verherrlichung Gottes, des Vaters, und seines Sohnes Jesus Christus.

 

Wir feiern mit dem Osterfest nichts Geringeres als die Überwindung des Todes und die Verwirklichung des Traumes vom ewigen Leben. Denn Jesus lebt, mit ihm auch ich!

 

AMEN