Auf der Spur des Glücks
Shalom-Menschen haben Grenzen

 

Liebe Freunde,

 

versucht doch mal bitte, mit dem Wort „glücklich“ andere Wörter zusammen zu basteln. Fangen mit den nicht so schönen an: Da ist jemand unglücklich oder gar todunglücklich. Oder - positiv - überglücklich oder einfach nur glücklich. Und viele wären gerne grenzenlos glücklich. Grenzenlos glücklich im Urlaub und der Beziehung, nach der Geburt des gesunden Kindes und nach überstandener Krankheit. Weil wir so gern so richtig glücklich sein wollen, deswegen passt Glück und Grenze, Glück und Einschränkung nicht so richtig zusammen. Ich will heute aber über Glück und Grenzen predigen und beide versöhnt miteinander darstellen. Aber lasst mich noch einmal betonen, dass ich bei dem großen Thema Glück nicht an das locker-flockige „Happy-Sein“ denke. Sondern wenn ich von Glück spreche, dann steht für mich der biblische Begriff „Shalom“ dahinter. Shalom meint unser körperliches und psychisches, soziales und vor allem geistliches Wohlergehen. Es geht um Wohlbefinden, Ganzheit, Erfüllung, den zufriedenen Zustand mit mir selbst, mit anderen und vor allem mit Gott.

 

Über Glück und Grenzen möchte unter drei Aspekten sprechen.

 

1.) Unser Glück, unser Shalom hat Grenzen.

 

2.) Wir können den Shalom nur mit Grenzen erfahren.

 

3.) Damit wir Frieden, Glück, Shalom haben, müssen wir uns abgrenzen.

 

Als Leitvers über meine Predigt setze ich einen Satz aus Psalm 147:

 

Er schafft deinen Grenzen Frieden.

 

Zum 1.) Unbestritten: wir haben Grenzen und wir stoßen an unsere Grenzen. Eigentlich muss ich sie nicht mehr aufzählen, oder? Kräfte lassen nach, Krankheiten nehmen zu; mehr Schmerzen, weniger Beweglichkeit; Blutdruck zu hoch oder zu niedrig; Treppen zu steil, Atmung zu flach; Knie und Knochen, Tinnitus und Hörgerät, Parkinson und Diabetes, Prostata und Blasenleiden, Augenleiden und Sehschwäche, Schlaganfall und Herzinfarkt. Bei den gesundheitlichen und körperlichen Grenzen könnten wir noch stundenlang weitermachen.

 

Daraus ergeben sich zwangsläufig andere Grenzen. Grenzen der Beweglichkeit, der Mobilität. Es geht aufgrund solcher Einschränkungen manches einfach nicht mehr, was vor ein paar Jahren noch möglich war. Wir stoßen an unsere Grenzen.

 

Aber nicht nur die organisch-physisch bedingten Grenzen machen uns zu schaffen. Die Ressourcen für unsere psychische, mentale Belastbarkeit sind auch begrenzt. Wir sind zuweilen schlichtweg überfordert, stöhnen und sind mit unseren Kräften am Ende. Manche werden aggressiv, andere werden depressiv.

 

Solche Grenzerfahrungen kennen wir alle. Sie haben nicht nur mit dem Alter zu tun, sondern mit unsere Persönlichkeitsstruktur, mit unserer Prägung und mit dem, wie wir das Leben anpacken und betrachten. Wir werden eigentlich ständig, auf Schritt und Tritt mit unseren Grenzen konfrontiert. Und wir leiden, weil wir unsere Unzulänglichkeit und unser Scheitern, unser Versagen und unsere Schwächen schmerzhaft spüren.

 

Die Folge ist, dass wir unglücklich sind, dass wir unzufrieden sind. Die Zuversicht aber, die Gottes Wort uns schenken und zusprechen will, liegt in dem Satz: „Er schafft deinen Grenzen Frieden.“ Gott will dir in deiner Begrenztheit, in deiner Schwäche, in deiner Unzulänglichkeit seinen Frieden schenken. Er will uns erlösen aus der Vorstellung, dass wir nur dann glücklich und zufrieden sind, wenn wir keine Grenzen mehr haben. Nein, in deinen Grenzen umgibt er dich mit seinem Shalom. Und wenn die Grenzen werden enger, rennen wir nun ständig gegen diese Mauern und holen uns eine blutige Stirn? Oder erfahren wir den Shalom Gottes auch dann, wenn wir beschränkt, eingeschränkt, begrenzt sind und sein müssen?

 

Im Psalm 4 finden wir ein Abendgebet von David. Darin geht es auch um schmerzhafte Grenzerfahrungen. Und dann steht da im Vers 7: „Viele jammern: «Wann wird es uns endlich besser gehen?»“ Die Antwort des Psalmisten ist eine Bitte an Gott. „Herr, lass leuchten über uns das Licht deines Antlitzes! Du erfreust mein Herz. Während andere sich nur über eine reiche Ernte freuen können, ist meine Freude viel größer. Ich liege und schlafe ganz mit Frieden, denn allein du, Herr, hilfst mir, dass ich sicher wohne.“

 

„Er schafft deinen Grenzen Frieden.“ Darum lebe im Frieden in und mit deinen Grenzen.

 

Zum 2.) Wir können den Shalom nur mit Grenzen erfahren. Damit meine ich: Lebe in den Grenzen, die Gott dir setzt – und habe Frieden. Die Grenzen Gottes, seine Gebote, werden von vielen Menschen als Spaßbremsen, als Stimmungskiller, als Glückszerstörer empfunden. Sie schränken das Leben angeblich ein. Wer sich nicht über diese Grenzen hin und wieder hinwegsetzt, der kann ja nicht richtig glücklich sein. Aber ich behaupte, dass es gerade unserem Leben Glück und Frieden beschert, wenn wir uns an den Geboten Gottes orientieren. Denn das Glück liegt nicht jenseits der Anweisungen und Regeln Gottes, sondern innerhalb. Diese Grenzen schaffen dir Frieden und Glück, weil wir in der Anbindung an Gott die größtmögliche Freiheit haben. Deswegen mache ich mit uns einen Schnelldurchlauf durch die zehn Gebote

 

Wer sich selbst oder andere Menschen zum Maß aller Dinge macht und zum Gott erhebt, fällt ins Bodenlose, wenn er ewigen Halt braucht. Dabei ist es so befreiend und beglückend, dass ich weiß, dass ich Gott gehöre, und nicht mir oder anderen Menschen, materiellen Gütern oder anderen Göttern.

 

Wenn wir aber den grenzenlosen Gott mit unzulänglichen Bildern auf unsere Begrenztheit zerren wollen und ihn uns verfügbar machen wollen, dann verlieren wir ihn. Wenn wir uns der Macht Gottes bemächtigen wollen, indem wir seinen Namen missbrauchen für unsere Bedürfnisse, dann ist das eine ungeheure Selbstüberheblichkeit, an der wir uns verheben. Deswegen setzt Gott die hilfreiche Grenze, dass ihn uns nicht verfügbar machen sollen.

 

Gott begrenzt unsere Arbeitszeit auf sechs Tage, und den 7. Tag gönnt er uns, um zu ruhen und zu entspannen, ihm in besonderer Weise zu begegnen. Wir schneiden uns ja ins eigene Fleisch, wenn wir meinen, dass wir nur dann glücklich und zufrieden sind, wenn wir diese Begrenzung mutwillig überschreiten.

 

Gott schenkt uns das Leben, aber nicht aus dem Reagenzglas oder der Retorte, sondern durch unsere Eltern. Er stellt uns hinein in eine Familie und gestattet es vielen von uns, selbst Familie zu haben. Wir sollen darum Vater und Mutter ehren. Nicht vergöttern, aber auch nicht verachten. Leider vergessen viele Kinder und viele Eltern, wie dringend nötig ein respektvoller und von gegenseitiger Achtung geprägter Umgang in der Familie ist. Ich könnte euch manche tragische Stories erzählen von Familien, wo die Eltern allenfalls die Kinder angehalten haben, Vater und Mutter zu ehren. Aber den Kindern sind sie den Respekt und die Wertschätzung schuldig geblieben. Und dann wundern sich die Senioren, wenn die Kinder sie im Alter nicht mehr achten. Wieviel Unglück und Unfrieden gibt es in Familien.

 

Gott schenkt uns das Leben. Und unserem Nächsten und Übernächsten auch. Niemand hat das Recht, dem anderen das göttliche Lebensgeschenk zu rauben. Wir finden kein Glück und keinen Frieden, wenn wir das Leben eines anderen Menschen auslöschen oder beeinträchtigen. Du sollst nicht töten, diese Grenze Gottes schafft Frieden, und nicht das Recht des Stärkeren.

 

Das nächste Gebot verbietet den Ehebruch. Es liegt auf der Hand, dass es weder Glück noch Frieden für irgendeinen der Beteiligten bringt, wenn jemand aus der Ehe ausbricht oder jemand in eine Ehe einbricht. Bruch ist Bruch. Zu unserem Glück und Frieden hat Gott das so festgelegt und diese Grenze gesetzt.

 

Das gleiche gilt für den Diebstahl. Wen macht es glücklich, wenn einer den anderen beklaut? Wir haben ja schon mit der letzten Predigt gelernt, dass die äußeren Umstände und Besitztümer nur 10 % unseres Glückwertes ausmachen. Wenn der Besitz auch noch unrechtmäßig erworben wurde, dann ist das Glücksgefühl sicher noch geringer.

 

Gott verpflichtet uns auf die Wahrheit und die Wahrhaftigkeit. Deswegen setzt er uns die beglückende Grenze, dass wir nicht lügen sollen. Wenn wir lügen, betrügen wir uns selbst.

 

Und schließlich will Gott uns dankbar, zufrieden und glücklich machen. Wenn wir aber mürrisch und neidisch, missgünstig und raffgierig auf das sehen, was andere haben, dann übersehen wir das, was Gott uns gegeben hat. Und auch das ist eine beglückende Grenze, die Gott zu unserem Shalom aufgerichtet hat und sagt: Du sollst nicht begehren.

 

Zum Glück setzt Gott Grenzen. Zu unserem Shalom halten wir uns daran. Anderenfalls werden wir grenzenlos unglücklich.

 

Ich schließe noch einen dritten Gedanken an, der mit Grenzen und mit Glück zu tun haben. Damit wir Frieden, Glück, Shalom haben, müssen wir uns abgrenzen. Abgrenzen müssen wir uns gegen den schlechten, lebensbelastenden Einfluss von manchen Menschen. Vielen ist der Bibelvers aus Sprüche 1,10 geläufig: „Mein Sohn, wenn dich die bösen Buben locken, so folge ihnen nicht.“ So mancher musste sich dagegen wehren, wenn die Schulfreunde früher einen überreden wollten, auch mal eine zu rauchen, sich auch mal zu betrinken, auch mal was machen, was doch alle machen. Stell dich nicht so an, sei doch kein Milchbubi und kein Spielverderber. Manche kennen das. Und es war nicht immer leicht, dann aufrecht und geradlinig zu sein und zu bleiben. Aber zu unserem Glück mussten wir uns abgrenzen.

 

Wir müssen uns grundsätzlich und überhaupt dagegen wehren und davon abgrenzen, wenn andere Menschen uns dominieren und manipulieren wollen, wenn sie uns für ihre Zwecke missbrauchen. Denn das wird uns das Glück rauben. Aber eben nicht nur oberflächlich das Glück, sondern in der Tiefendimension unseres Lebens beeinträchtigen solche Menschen unseren Shalom. Was raubt mir den geheilten Frieden mit Gott, mit mir selbst und mit meinen Nächsten? Die Frage will ich noch etwas präziser stellen: Wem gestatte ich es, mir meine Frieden zu rauben, mein Leben zu beeinträchtigen? Das sind zum Beispiel die Ansprüche von Bekannten und Freunden. Vielleicht kennt ihr Leute, bei denen immer alles nach ihren Vorstellungen gehen muss. Leute, die einen ständig bevormunden oder kritisieren. Es ist gar nicht so leicht, sich deren Dominanz zu entziehen. Wie kann man sich zum eigenen Schutz abgrenzen, ohne diese Leute zu verlieren? Diese Personen beschneiden unser Glück, unseren Shalom, weil wir es ihnen zugestehen. Wir gewähren ihnen den Freiraum, sich in unser Leben reinzudrängen. Wir brauchen die Freiheit, die Manipulation und Dominanz zu durchschauen und zu durchbrechen. Zu unserem Glück dürfen, müssen wir es ansprechen und uns abgrenzen. Das können auch die Eltern oder die Kinder sein, gegen die wir uns zum Glück abgrenzen müssen. Als wir in Martinhagen gewohnt haben, bin ich oft nach Neukirchen gefahren und hin und wieder hat mich meine Route an Homberg und an meinem Heimatdorf Berge vorbeigeführt. Meine Mutti hat gesagt: Na, Junge, dann wirste doch wohl mal bei uns reinschauen. Du wirst doch wohl nitt an deinem Heimatdorf vorbeifahren! Doch, das werde ich, Mutti, weil es die Zeit nicht zulässt und weil mich meine Familie in Martinhagen erwartet. Ich musste mich abgrenzen gegen die Ansprüche meiner Mutter.

 

Andere müssen sich wehren gegen die Vereinnahmung durch die Kinder, die ständig verlangen, dass die Eltern springen und erledigen und Enkelkinder hüten. Zum Glück müssen wir uns abgrenzen. Oder die Erwartungen der Geschwister, was man tun und lassen sollte. Oder auch gegen die unheimliche Weltmacht „man“. Das macht man aber so oder so. Und das trägt man heutzutage. Und das geht ja gar nicht, wenn man was gelten will und ankommen soll.

 

Das raubt uns nicht nur den Nerv, das raubt uns den Frieden und das Glück. Gegen solches müssen wir uns abgrenzen, damit wir offen und bereit sind für das, was Gott für uns und mit uns vorhat. Wir müssen zu manchen Erwartungen anderer Nein sagen, damit wir zu dem Ja sagen können, was Gott von uns erwartet. Und das dient unserem Glück und unserem Frieden.

 

Es ist nicht leicht, im Frieden und glücklich zu leben. Denn da sind die Grenzen, die uns belasten und einengen. Aber in diesen Grenzen können wir den Frieden Gottes erleben. Dann sind da die Grenzen, die Gott uns zu unserem Glück steckt. Und in diesen Grenzen können wir im Frieden Gottes leben. Und manchmal müssen wir abgrenzen, damit wir in dem Frieden Gottes leben können, den er für uns vorgesehen hat.

 

Und der Friede Gottes, der all unseren Verstand übersteigt, der bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus, unserem Herrn.

 

AMEN