Predigt über Philipper 3,7-14

 

Liebe Freunde!

Er ist ein talentierter, ein sehr begabter und intelligenter junger Mann. Kommt aus gutem Haus, seine Eltern sind vermögend und können ihm ein teures Studium ermöglichen. Vom Vater erbt er die römische Staatsbürgerschaft, von der Mutter die religiösen Wurzeln und Traditionen. Er bringt alle Voraussetzungen für eine vielversprechende Karriere mit. Das Studium absolviert er bei den besten Professoren der damaligen Zeit. Er engagiert sich und ist leidenschaftlich, hat ein tadelloses Führungszeugnis und einen scharfen Verstand. Wenn einer sich die Anerkennung Gottes verdient hat und wenn es einer Gott recht machen kann, dann er. Erste Bewährungsproben hat er mit Bravour bestanden. Damit hat er sich für größere Aufgaben empfohlen. Ausgestattet mit Empfehlungsschreiben von oberster Stelle wird er mit einer heiklen Mission im benachbarten Ausland betraut. In Begleitung einer berittenen Eskorte der jüdischen Religionspolizei macht er sich auf den Weg. Einer erfolgreichen Erfüllung des Auftrages und einer aussichtsreichen Laufbahn steht nichts mehr im Weg.

Szenenwechsel!

Knapp 30 Jahre später. Er ist in Rom. Dort sitzt er im Gefängnis. Im Zuge einer Hafterleichterung haben sie ihn unter Hausarrest gestellt. Zwar kann er hin und wieder Besuch empfangen und er darf auch Briefe schreiben. Aber seine Möglichkeiten, sein Handlungsspielraum wurde massiv eingeschränkt. Ihm wurden gewissermaßen die Flügel gestutzt. Er wartet schon wer weiß wie lange auf den Prozess und es ist absolut ungewiss, wie die Verhandlung ausgehen wird. Manche seiner Weggefährten haben sich von ihm distanziert, andere überschütten ihn mit Häme und Spott und nutzen es für ihre eigene Profilierung aus, dass er aus dem Verkehr gezogen wurde. Er aber sieht bei alle dem das Gute und das Förderliche. Deswegen kann er schreiben: „Liebe Freunde, ihr sollt wissen, dass alles, was hier mit mir geschehen ist, letztlich zur Verbreitung der Botschaft Gottes beigetragen hat. Denn hier weiß jeder - und das gilt sogar für die Soldaten der Palastwache -, dass ich für Christus in Ketten liege. Doch durch meine Gefangenschaft haben viele Mut gefasst und sind sehr viel furchtloser darin geworden, anderen von Christus zu erzählen.“

Er schimpft nicht Zeder und Mordio, er rebelliert nicht und flippt nicht aus. Er fragt nicht, was denn diese Scheiße hier alles soll. Und er trauert auch nicht seinem früheren Leben nach, dem Leben ohne Christus. Dem Leben mit allen vermeintlichen Vorzügen und Leistungen und Erfolgen. Sondern er, der ehemalige Feind der Gemeinde Jesu, der frühere erbitterte Verfolger der Kinder Gottes, er, der mittlerweile ein glühender Nachfolger Jesu Christi und leidenschaftlicher Verfechter des Evangeliums geworden ist, er schreibt folgendes:

„Das alles, was mir früher als Vorteil erschien, habe ich durch Christus als Nachteil erkannt. Ich betrachte überhaupt alles als Verlust im Vergleich mit dem überwältigenden Gewinn, dass ich Jesus Christus als meinen Herrn kenne. Durch ihn hat für mich alles andere seinen Wert verloren, ja, ich halte es für bloßen Dreck (wörtlich: für Scheißdreck). Nur noch Christus besitzt für mich einen Wert. Zu ihm möchte ich um jeden Preis gehören. Deshalb will ich nicht mehr durch mein eigenes Tun vor Gott als gerecht bestehen. Ich suche nicht meine eigene Gerechtigkeit, die aus der Befolgung des Gesetzes kommt, sondern die Gerechtigkeit, die von Gott kommt und denen geschenkt wird, die glauben. Ich möchte vor Gott als gerecht bestehen, indem ich mich in vertrauendem Glauben auf das verlasse, was er durch Christus für mich getan hat. Ich möchte nichts anderes mehr kennen als Christus: Ich möchte die Kraft seiner Auferstehung erfahren, ich möchte sein Leiden mit ihm teilen. Mit ihm gleich geworden in seinem Tod, hoffe ich auch, zur Auferstehung der Toten zu gelangen.

Ich meine nicht, dass ich schon vollkommen bin und das Ziel erreicht habe. Ich laufe aber auf das Ziel zu, um es zu ergreifen, nachdem Jesus Christus von mir Besitz ergriffen hat. Ich bilde mir nicht ein, Brüder und Schwestern, dass ich es schon geschafft habe. Aber die Entscheidung ist gefallen! Ich lasse alles hinter mir und sehe nur noch, was vor mir liegt. Ich halte geradewegs auf das Ziel zu, um den Siegespreis zu gewinnen. Dieser Preis ist das ewige Leben, zu dem Gott mich durch Jesus Christus berufen hat.“

Was war passiert?

1.             Von Christus ergriffen – darum will ich ihn ergreifen

Der junge jüdische Pharisäer Paulus, der eingebildete Christenverfolger, wurde von Christus selbst gestellt. Jesus selbst hat nach ihm gegriffen. Und mit einem Mal und in der Folge immer mehr und immer tiefgründiger hat er begriffen, dass ihm seine ganze fromme Herkunft und Ausbildung, seine Gesetzestreue und Karriere, seine Leidenschaft und sein Eifer nicht die Anerkennung Gottes eingebracht hat. Sondern geradewegs das Gegenteil ist passiert. Alles das, womit er sich die Zuneigung Gottes verdienen wollte und womit er es seinem Gott recht machen wollte, hat dazu geführt, dass er sich immer weiter weg von Gott bewegt hat. Denn mit der Selbstgerechtigkeit hat selbst ein Paulus es nicht geschafft, vor Gott lupenrein und fehlerlos dazustehen. Aber das schlimmste war ja, dass er den Weg, den Gott vorgesehen hat für uns Menschen, den Weg, auf dem wir seine Anerkennung erlangen sollen, den Weg hat Paulus mit aller Gewalt bekämpft. Paulus wollte beweisen, dass er Jesus Christus und seine Vergebung nicht nötig hat. Er wollte sich die Gerechtigkeit vor Gott selbst verdienen. Damit aber hatte er buchstäblich alle Hände voll zu tun und sein Herz war nur darauf ausgerichtet. Und deswegen waren seine Hände nicht leer und sein Herz nicht bereit, das Evangelium von der befreienden Gnade Gottes in Jesus Christus zu ergreifen.

Dass Paulus das dann begriffen hat, schreibt er sich nun aber auch nicht selbst zu, so als wäre es sein Verdienst. Sondern er betont, dass Jesus nach ihm gegriffen hat. Jesus hat ihn überzeugt, überführt, gepackt. Und das ist nun wirklich ergreifend. Das ist ergreifend und es ist immer wieder neu faszinierend zu erkennen, dass wir Gottes Anerkennung nur dadurch erlangen, wenn wir Jesus Christus vertrauen. Und nur das gilt. Auch für uns: nur das gilt. Aller Einsatz für Jesus, alle Mitarbeit in der Gemeinde, aller Dienst an den Menschen, alle Einsichten und Erkenntnisse sorgen nicht dafür, dass wir Jesus nicht mehr nötig hätten. Jeder leidenschaftliche Einsatz für Jesus kann nicht dafür sorgen, dass wir uns Gottes Anerkennung verdienen können. Aber weil wir im Glauben an Jesus Gottes Anerkennung gefunden haben, sollen wir uns leidenschaftlich für ihn einsetzen.

2.             Von Christus erkannt – darum will ich ihn immer besser erkennen

Was passiert, wenn zwei Menschen sich kennen lernen? Sie kommen sich näher, sie lernen sich dadurch immer besser kennen. Und wenn die Chemie stimmt und der Funke überspringt, dann vertieft sich die Beziehung und es wächst eine enge, eine innige Gemeinschaft. Denn Erkenntnis bringt zusammen. Davon spricht Paulus. Er weiß, dass Jesus ihn erkannt und darum auch durchschaut hat. Und trotzdem, oder vielleicht gerade deswegen ist bei Jesus der Funke übergesprungen und er schenkt dem Paulus seine ganze Liebe und Zuneigung. Paulus hätte wahrscheinlich diese Zeilen gesungen, wenn er sie gekannt hätte: „Und ich danke dir, dass du mich kennst und trotzdem liebst, und dass du mich beim Namen nennst und mir vergibst.“ Kürzlich ist ja Olivia Newton-John gestorben. Weltberühmt wurde sie mit dem Musical-Film Grease. Und einer der bekanntesten Songs ist „You’re the one, that I want“. Du bist der einzige, den ich will. Du bist die einzige, die ich will. Genau das sagt Jesus dir. Und wer das erkannt hat, der will selbst auch Jesus immer besser kennenlernen.

Das ist auch für uns notwendig. Wie geschieht das? Das passiert so, dass wir uns mit ihm beschäftigen. Und ich stelle immer wieder fest, dass viele – auch in unseren Gemeinden – so furchtbar wenig über Jesus wissen. Kürzlich habe ich diesen Satz gelesen: „Ohne geistliche Lehre bleibt geistliche Leere!“ Wer ihn erkennen will, muss sein Wort lesen und sich mit anderen darüber austauschen. Anders geht es meines Erachtens nicht! Und Jesus immer besser kennenlernen geschieht natürlich hauptsächlich dadurch, dass wir mit ihm leben. Wir haben doch unsere Ehepartner nicht dadurch kennengelernt, dass wir nur ihre Biografie gelesen haben. Nein, im alltäglichen Lebensvollzug lernt man sich kennen und immer mehr lieben. Genauso ist es auch mit Jesus. Je mehr wir mit ihm reden, nach seinem Willen fragen und mit ihm leben, desto mehr erfahren wir auch, wer und wie er ist.

3.             Von Christus erwartet – darum will ich seinen Erwartungen gemäß leben

Im Vers 10 schreibt Paulus, dass er die Kraft der Auferstehung Jesu erfahren und erkennen will. Das ist ja das Ziel unserer Lebensreise, dass wir die Auferstehung von den Toten erleben und in der neuen Welt Gottes ohne Krieg, ohne Streit, ohne Krankheit, ohne Tränen und Geschrei sein werden. Dort in der himmlischen Herrlichkeit werden wir von Christus erwartet. Das Ziel also ist geklärt. Und die Vergangenheit ist auch bereinigt, denn alle Unzulänglichkeiten und alles Scheitern und Versagen, alle Selbstgerechtigkeit und Überheblichkeit ist vergeben. Na, dann ist ja alles in Butter. Dann können wir uns doch einen fröhlichen Lenz machen. Wir lassen die Beine und die Seele baumeln und warten still vergnügt, dass Jesus bald wiederkommt. Nein? Nein! Auf keinen Fall!

Denn wir sind unterwegs mit einem Auftrag! Wir sollen unser Leben nach Gottes Willen gestalten. Der Heilige Geist soll uns prägen und leiten und befähigen, dass wir mit unserem Leben auf Gott hinweisen. In unserem Einflussbereich sollen wir das Gute und die Güte Gottes weitergeben. Das alles machen wir aber nicht, um nach getaner Arbeit dann einen entsprechenden Lohn zu bekommen. Wir leben nicht mit Gott und für ihn, damit wir uns auf diese Weise seine Anerkennung verdienen. Sondern weil wir schon seine Anerkennung haben, deswegen wollen wir uns leidenschaftlich für ihn und seine Ehre einsetzen. Christus und die Freude an ihm sind die Motivation. Mich persönlich begeistert es tatsächlich immer wieder neu, von Jesus zu sprechen. Und auch wenn es mein Beruf und mein Job ist, so ist es doch immer auch Berufung und Leidenschaft. Denn die Überzeugung, dass Jesus das Beste in meinem Leben ist, motiviert mich. Darum ist mein aktives Christsein nicht Zwang oder Krampf, um etwas zu erreichen, sondern Engagement und Kampf.

Am Ende des Lebensdauerlaufes erwartet uns Jesus. Das ist die Hoffnung, die Paulus hat und die ich auch habe. Dort bei Jesus am Ziel erwartet uns ein Siegespreis. Diesen Preis bekommen aber nicht, wie in einem Wettkampf bei den olympischen Spielen, nur die ersten drei Läufer, sondern alle. Alle, die mit Jesus gelaufen sind, die mit ihm unterwegs sind im Leben und im Sterben, die werden von ihm geehrt und belohnt.

Von Christus ergriffen – das will ich immer mehr begreifen und ihn ergreifen. Von Christus erkannt – und wie gut ist es, ihn immer besser zu erfahren und kennenzulernen! Von Christus erwartet – darum will ich aus Freude und Dankbarkeit seinen Erwartungen gemäß leben.

AMEN