Jesaja 8,1-13

 

 

 

Liebe Freunde,

 

das ist ja mal eine äußerst ungewöhnliche Aktion, die Jesaja machen soll. Gott gibt ihm den Auftrag, eine große Tafel zu nehmen und darauf zu schreiben: מַהֵר שָׁלָל חָשׁ בַּז Ok, hier stehen die hebräischen Buchstaben, die können die meisten von uns nicht lesen. Aber auch wenn ich es mit unseren Buchstaben schreibe, wird es kaum verständlicher: Maher-Schalal-Chasch-Bas. Und wenn ich das nun ins Deutsche übersetze, dann sind wir noch nicht unbedingt viel schlauer: „Schnelle Beute, rascher Raub!“ Das soll Jesaja in deutlicher, gut lesbarer Schrift, auf eine Tafel schreiben. Es ist nicht ersichtlich, wozu das gut sein soll. Es ist auch nicht nachvollziehbar, warum zwei hochrangige Mitglieder der Priesterschaft die geheimnisvolle Botschaft des Jesaja beglaubigen sollen. Aber so richtig verrückt ist es, dass Jesajas Frau in zeitlicher Nähe zu dieser Plakataktion einen Sohn zur Welt bringt, der diesen wohlklingenden Namen tragen soll: „Maher-Schalal-Chasch-Bas“. Armes Kind, musste ich so denken. Maher-Schalal-Chasch-Bas. Was für ein bescheuerter Name!

 

Wozu das alles? Was soll die Botschaft bedeuten? Wer macht schnelle Beute? Wer wird zum raschen Raub? Diese Fragen werden erst mit der Geburt des Jungen beantwortet. Bevor der Junge richtig sprechen kann werden das Königreich der Aramäer und das Nordreich Israel zur Beute und zum Raub der Assyrer. Vielleicht erinnern wir uns zurück an die Angst, die beim König Ahas von Jerusalem und der ganzen Bevölkerung des Hoheitsgebietes von Juda geherrscht hat. Denn die Könige von Aram und Israel wollten einen Aufstand gegen die Weltmacht der Assyrer anzetteln und Jerusalem in dieses revoltierende Bündnis hineinzwingen. Da hatte Jesaja schon die Perspektive Gottes auf diesen Konflikt weitergegeben und die beiden feindlichen Mächte mit verkohlten, qualmenden Holzstummel verglichen. Was für Ahas und für Jerusalem wie eine unheimliche Bedrohung aussieht, das ist in den Augen Gottes nur noch viel Rauch um nichts, nur noch ein verglimmendes Feuer, von dem keine Gefahr mehr ausgeht.

 

Mit diesen beiden ungewöhnlichen Maßnahmen soll Jesaja nun den Juden erneut Hoffnung machen. Allen Widerwärtigkeiten zum Trotz, entgegen allen bedrohlichen Augenschein gibt Gott auf sehr eindrückliche Weise die Zusage, dass die kleinen Rebellenstaaten dem Volk Gottes nichts anhaben können.

 

Ich glaube, nur wenige von uns bekommen von Gott den Auftrag zu so einer ungewöhnlichen Art der Verkündigung des Willens und Wortes Gottes. Aber zeichenhaft leben, anschaulich und plakativ Gottes Botschaft sichtbar machen, das können wir schon auch. Eine Möglichkeit haben manche von uns an Ostern praktiziert: Wir haben die Auferstehungsbotschaft mit Kreide auf die Straßen oder Bürgersteige geschrieben. Andere kleben sich einen Aufkleber ans Autoheck, zum Beispiel einen Fisch. Das ist ja auch so eine „Geheimbotschaft“, die nicht alle interpretieren können. Dieses Symbol entstammt der ersten christlichen Epoche im römischen Reich. Das Zeichen war eine Art SMS, ein Erkennungszeichen mit Kurzbotschaft. Das griechische Wort für Fisch heißt „Ichtys“. Und darin steckt das Bekenntnis: Iesus christos theu hyios sotär. Und das wiederum heißt: Jesus Christus Gottes Sohn Retter.

 

Besonders in katholischen Landstrichen stehen am Wegrand Darstellungen der Kreuzigung Jesu. Auf vielen Kirchtürmen zeigt ein Wetterhahn die Windrichtung an. Der Hahn soll an den Jünger Petrus erinnern. Während der Gerichtsverhandlung hat er Jesus verleugnet, ehe der Hahn gekräht hat. Petrus hat sein Fähnchen in den Wind gedreht. Der Hahn auf dem Kirchturm soll uns darum eine Mahnung sein, trotz allem zu Jesus zu stehen.

 

Solche und ähnliche Symbole erscheinen manchen irgendwie merkwürdig. Ja, sie sind merkwürdig, sie sind es wert und sie sind würdig, dass wir mal aufmerken. Gott selbst ist übrigens auch ein Freund von so merkwürdigen Aktionen. An dieser Stelle muss ich noch einmal kurz zurückgreifen auf die Predigt über Jesaja 7. Wir erinnern uns, dass Jesaja dem König Ahas die Erlaubnis gegeben hat, von Gott ein Zeichen seiner Macht und Größe, seiner Glaubwürdigkeit und Zuverlässigkeit zu fordern. Und Ahas hat damals abgelehnt. Darüber echauffiert sich Jesaja ziemlich heftig. Und dann sagt er: „Jetzt gibt euch der HERR von sich aus ein Zeichen: Die junge Frau (oder die Jungfrau) wird schwanger werden und einen Sohn bekommen. Immanuel (Gott ist mit uns) wird sie ihn nennen“ (Jesaja 7,14). Vordergründig dürfte sich diese Ankündigung auf die Geburt eines Sohnes von König Ahas und seiner Frau Abi beziehen. Dieser Sohn trägt den Namen Hiskia, er wird der Nachfolger von Ahas. Und in diesem Hiskia zeigt sich tatsächlich, dass Gott mit seinem Volk ist, denn Hiskia war ein Mann des Glaubens.

 

Aber hintergründig und über die Erfüllung durch die Geburt von Hiskia hinaus weist der Prophezeiung auf die Geburt von Jesus hin. In der Weihnachtsgeschichte wird ausdrücklich auf diese Aussage von Jesaja 7,14 Bezug genommen, um das Wunder der Jungfrauengeburt zu untermauern. Tatsächlich, die Geburt Jesu durch die Jungfrau Maria ist eine sehr außergewöhnliche und eine ganz besonders merkwürdige Aktion Gottes. In einem normalen und auf natürliche Weise geborenen Kind kommt Gott zu uns. Jesus Christus ist der Immanuel, der „Gott ist mit uns“! Die Frage ist, ob wir dieses merkwürdige Handeln Gottes, diese Botschaft verstehen und dankbar staunend und anbetend anerkennen. Gott sichert uns in der Menschwerdung seines Sohnes zu, dass er bei uns ist, uns bewahrt und beschützt.

 

Wenn wir wieder in die Botschaft zur Zeit des Jesaja hineinhorchen, dann hören wir, dass Gott angesichts von Säbelrasseln und der Mobilmachung der Feinde bei seinem Volk ist:

 

„Erhebt nur das Kriegsgeschrei, ihr Völker – es wird euch angst und bange werden! Hört genau zu, ihr fernen Nationen: Rüstet euch ruhig zum Krieg – wenn es so weit ist, werdet ihr weiche Knie bekommen! Schmiedet Pläne und fasst Beschlüsse, so viel ihr wollt – sie werden scheitern, nichts wird euch gelingen! Denn Gott ist mit uns (denn hier ist Immanuel)!“ So steht es in Jesaja 8,9-10. Und so steht es auch über der Gemeinde Jesu. Weil Gott uns zu sich gerufen und in seine Obhut genommen hat, deswegen sind wir in ihm geborgen. In einem alten Kirchenlied bekennt der Dichter Johann Franck:

 

„Unter deinem Schirmen bin ich vor den Stürmen aller Feinde frei. Lass den Satan wettern, lass die Welt erzittern, mir steht Jesus bei. Ob es jetzt gleich kracht und blitzt, ob gleich Sünd und Hölle schrecken, Jesus will mich decken.“

 

Und mag die Welt erzittern, wir sind in seiner Hand. Aus dieser Hand, so hat es Jesus fest versprochen, kann uns nichts und niemand reißen. Der Immanuel Jesus hat versprochen, dass er bei uns ist, egal was kommt, bis ans Ende der Welt und ans Ende der Zeit. Und deswegen müssen wir auch nicht vor Angst vergehen und kopflos oder haltlos sein angesichts von Herausforderungen und Belastungen des Lebens und des Alltags.

 

Aber lasst uns zunächst hören, was Gott damals seinem Volk zugesagt hat, um dann zu hören, was uns das heute zu sagen hat:

 

„Denn so hat der HERR zu mir gesprochen, indem er mich fest bei der Hand fasste und mich davor warnte, auf dem Weg dieses Volkes zu gehen: Nennt nicht alles Verschwörung, was dieses Volk Verschwörung nennt, und vor dem, was es fürchtet, fürchtet euch nicht und erschreckt nicht davor! Den HERRN der Heerscharen, den sollt ihr heiligen (mit dem sollt ihr euch verschwören); er sei eure Furcht und euer Schrecken!“ So in Jesaja 8,11-13.

 

Noch stand ja die Bedrohung durch die Aramäer und das Königreich Israel quasi vor der Haustür des Reiches Juda. Und diese Verschwörung der beiden Königreiche gegen Juda war menschlich betrachtet sehr gefährlich. Aber bei Ahas und den Bewohnern von Jerusalem und den umliegenden Ortschaften hat sich eine Panik breitgemacht, die das Vertrauen auf Gott regelrecht erstickt hat. Denn sie haben in dem Konflikt schon das Ende und den Weltuntergang gesehen. Das hebräische Wort für Verschwörung hat hier den bitteren Beigeschmack von >Gefahr für den Staat< und >Untergang<. So haben die Leute sich auch verhalten, so waren Ahas und das ganze Volk voller Angst und in heller Aufregung. In aller Hektik haben sie nach dem Motto gehandelt: Hilf dir selbst, denn Gott kann dir nicht mehr helfen. Und wie ich schon letzten Sonntag gesagt habe, so können wir es hier erneut beobachten, dass aus dem Grundmisstrauen Gott gegenüber eine Grundangst folgt. Und wir erkennen, dass die Furcht vor der Bedrohung leider die Ehrfurcht vor Gott blockiert. Dabei soll es genau andersherum sein. Fürchtet Gott, dann müsst ihr die Feinde nicht mehr fürchten. Gott fordert sein Volk auf, sich mit ihm zu verschwören. Hier ist das Wort „verschwören“ im positiven Sinn gemeint. Denn darin steckt, dass zwei sich etwas schwören. Gott schwört, dass der bei uns ist. Und wir sollen ihm schwören, dass wir bei ihm sein und bleiben wollen.

 

Ihr Lieben, als ich das Wort „Verschwörung“ gelesen habe, da ist mir natürlich gleich in den Sinn gekommen, wo und wie dieses Wort und die damit verbundenen Gedanken heute verwendet werden. Viele wittern in den vielen ausländischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern eine globale Verschwörung gegen die westliche Kultur und die europäischen Werte. Und weil viele der Migranten und Flüchtlinge aus islamisch geprägten Ländern kommen, sieht man darin nicht nur eine Verschwörung, sondern den Untergang unserer abendländischen Zivilisation. Auch in manchen christlichen Kreisen wurden und werden die Unkenrufe laut, dass wir vom Islam überrollt werden. Ich will nun wahrlich nichts kleinreden oder bagatellisieren. Der Islam in seinen Grundzügen ist keine friedliche Religion, Mohammed hat den Tod der Ungläubigen gefordert, das Ziel ist die Unterwerfung aller unter den Islam (das arabische Wort heißt auch Unterwerfung). Und ich will auch nicht den islamistischen Terror zum Beispiel in Afghanistan verharmlosen. Ich bin übrigens auch gegen den Muezzin-Ruf von den Minaretten in unserem Land. Denn hier wird nicht nur zum Gebet aufgerufen, sondern der globale Anspruch des muslimischen Gottes Allahs wird laut ausgerufen und proklamiert.

 

Aber so manches Verschwörungsgejammer und so manches Furchtgezeter tut so, als ob es Jesus Christus nicht gäbe. Man fürchtet sich mehr vor einer anderen Religion als dass man unseren Gott und Heiland fürchtet. Und das meine ich auch, dass deswegen unser ehemals christliches Abendland seine Werte und seine Substanz verliert, weil die Gesellschaft sich vor allem möglichen fürchtet, aber nicht mehr Ehrfurcht vor Gott hat.

 

Und ich meine, dass auch in manchen Gruppen und Vereinigungen, in manchen Köpfen und Herzen mit Corona nicht gut umgegangen wird. Oh weh, wie oft und unüberlegt wird hier das Wort von der Verschwörung in den Mund genommen. Von Bill Gates und der WHO über die Pharmaindustrie bis hin zu Welteroberungsphantasien gibt es die abenteuerlichsten Theorien, was alles hinter Corona und dem Umgang mit der Pandemie steckt. Ich stelle nicht in Abrede, dass im Umgang mit der Seuche Fehler gemacht wurden und werden. Ich will auch die Schmerzgrenzen bei vielen Familien und die wirtschaftlichen Belastungen vieler Kleinunternehmer nicht ignorieren. Aber lasst euch doch bitte nicht vor den Karren von manchen Verschwörungstheoretikern spannen, die entweder mit dem Gott der Bibel überhaupt nichts zu tun haben. Oder – und das empfinde ich als noch tragsicher – die Gott und die Bibel für ihre Forderungen missbrauchen. „Nennt nicht alles Verschwörung, was die Verschwörung nennen!“

 

Natürlich sollen und können wir wachsam und aufmerksam sein, natürlich sollen wir Entwicklungen und Entscheidungen kritisch begleiten. Aber dabei sollen wir bitte nicht aus den Augen verlieren, was wir ganz gerne singen: „Wenn alles bricht, Gott verlässt uns nicht; größer als der Helfer ist die Not ja nicht“ (aus dem Lied „Harre meine Seele“). Darum lasst uns leben als Leute, die Gott fürchten. Die Frucht vor Gott im Sinne von Ehrfurcht ist etwas ganz anderes als Angst (nicht umsonst kennen wir umgangssprachlich die „Heidenangst“). Angst führt in die Enge. Furcht vor Gott führt ins Vertrauen und erfährt die Zuwendung Gottes. Martin Luther hat in seiner Erklärung der zehn Gebote gesagt, dass wir Gott über alle Dinge fürchten, lieben und vertrauen sollen. Und genau dazu will uns der Bibeltext und die Predigt ermutigen und einladen.

 

AMEN