All I Want For Christmas Is You

 

 

 

Liebe Freunde,

 

kürzlich hat mich eine Bewohnerin im AWO Altenpflegeheim auf ihr Fernsehgerät angesprochen. „Das Ding will nicht mehr so wie ich“, sagte sie. Sie muss die Fernbedienung x-mal drücken und dann noch wer weiß wie lange warten, bis das Gerät endlich angeht. Ich habe den Apparat mir angeschaut, aber keinen Fehler entdeckt, den ich beheben könnte. „Naja“, so war ihr Fazit, „dann muss ich mir wohl einen neuen Fernseher kaufen. Aber erst nach Weihnachten, weil dann alles reduziert wird und billiger ist.“ Ich habe ihr erklärt, dass das nicht mehr unbedingt der Fall ist und dass es in diesem Jahr wahrscheinlich sowieso alles etwas anders sein wird als die Jahre zuvor. Aber ich dachte so in dem Moment, dass wir uns ja schon irgendwie freuen, wenn etwas reduziert ist, wenn’s etwas billiger sein darf. Das finden wir gut.

 

In diesem Jahr scheint Weihnachten auch reduziert stattzufinden. Reduzierte Feiern, reduzierte Gottesdienste, reduzierte Geschenke. Aber das freut uns überhaupt nicht. Reduziert ist also nicht immer gut. Preisreduziert? Prima! Kalorien- oder fettreduziert? Auch ok. Aber Fest-reduziert? Das mögen wir nicht. Wenn ein Produkt billiger ist, dann können wir damit leben. Aber wird Weihnachten für uns auch billig, wenn vieles reduziert werden muss?

 

Mit reduzierter Ware, mit billigen Produkten verbinden wir in der Regel, dass die Sachen für uns ein Schnäppchen sind, dass die Sachen vielleicht auch minderwertig sind. Dabei bedeutet das Wort „billig“ ursprünglich gar nicht, dass etwas besonders kostengünstig ist. Sondern „billig“ hatte früher die Bedeutung, dass etwas passend und richtig angemessen ist. Wir haben von diesem Sinn des Wortes noch eine Ahnung, wenn wir sagen, dass etwas „recht und billig“ ist. Zum Beispiel sagt jemand: „Das ist nur recht und billig, dass der Händler mir das kaputte Gerät umgetauscht hat. So gehört sich das, so ist das richtig, so ist es stimmig, passend und gewollt.“

 

Deswegen ist es meines Erachtens nur recht und billig, wenn wir in diesem Jahr Weihnachten insofern reduziert feiern, als dass wir uns nicht mit Nebensächlichkeiten befassen, sondern hoffentlich mit dem, worum es im Eigentlichen, im Kern des Festes geht.

 

Eine solche Bescheidenheit und eine Reduzierung auf das Allerwichtigste besingt Mariah Carey auch in ihrem Lied „All I Want For Christmas“. Das ist das aktuell erfolgreichste kommerzielle Weihnachtslied weltweit. Aber was ist das Einzige, was sie sich zu Weihnachten wünscht? „Ich will gar nicht viel zu Weihnachten, genau genommen brauche ich eigentlich nur eine einzige Sache. Ich mache mir keine Gedanken über Geschenke unter dem Christbaum, ich wünsche mir nur, dass du mir gehörst – und das mehr als du ahnst. Bitte mach', dass mein Wunsch in Erfüllung geht: Denn alles, was ich mir zu Weihnachten wünsche, bist du!“ Wer dieses „Du“ ist kann man nur erahnen. Nein, es ist klar, dass das nur ihr Freund, Partner, Lebensgefährte, ihr herzallerliebster Schatz ist.

 

Wusstet ihr, dass Mariah Carey als die berühmt-berüchtigtste Diva im ganzen Musik-Business gilt und dass ihr Stimmumfang 5 Oktaven beträgt? Sie ist eine der erfolgreichsten, bekanntesten und reichsten Musikerin überhaupt. Und sie hat dieses Weihnachtslied bereits 1994 geschrieben und produziert. Aber erst 25 Jahre später schaffte es der Song auf Platz eins der Billboard „Hot-100-Charts“. Unter anderem ist sie mit diesem Song weltberühmt geworden.

 

Neben Mariah Carey gibt es eine andere Maria, die auch weltberühmt geworden ist. Aber nicht, weil sie einen Welthit geschrieben und gesungen hat, nicht weil sie eine (auf)reizende Frau ist. Sondern weil sie die Mutter des Erlösers geworden und gewesen ist. Die Geburt ihres Sohnes ist ja auch der Grund, warum wir überhaupt Weihnachten feiern. Diese Maria aus Nazareth, einem kleinen Kaff im Norden von Israel, kam aus armen Verhältnissen. Das sind nicht die besten Voraussetzungen, etwas Großartiges von weltweiter Bedeutungen zu bewerkstelligen. Und die Chance, dass sie irgendwie berühmt wird, ist denkbar klein. Und doch ist sie bekannt, und in der Kirchen- und Kunstgeschichte, in Musik und Literatur nimmt sie einen unvergleichlichen Platz ein. Wie ist es dazu gekommen? Alles begann damit, dass ein Bote Gottes ohne Ankündigung und Vorwarnung bei ihr aufgetaucht. Ich lese aus dem Bericht des Lukas vor:

 

„Gott sandte den Engel Gabriel nach Nazaret in Galiläa zu einem jungen Mädchen mit Namen Maria. Sie war noch unberührt und war verlobt mit einem Mann namens Josef, einem Nachkommen Davids. Der Engel kam zu ihr und sagte: »Sei gegrüßt, Maria, der Herr ist mit dir; er hat dich zu Großem ausersehen!« Maria erschrak über diesen Gruß und überlegte, was er bedeuten sollte. Da sagte der Engel zu ihr: »Hab keine Angst, du hast Gnade bei Gott gefunden! Du wirst schwanger werden und einen Sohn gebären. Dem sollst du den Namen Jesus geben. Er wird groß sein und wird ›Sohn des Höchsten‹ genannt werden. Gott, der Herr, wird ihn auf den Thron seines Ahnherrn David erheben, und er wird für immer über die Nachkommen Jakobs regieren. Seine Herrschaft wird nie zu Ende gehen.«“

 

Was für eine Ansage!? Du wirst schwanger. Man könnte davon ausgehen, dass eine junge Frau, die in einer festen Beziehung ist, sich darüber freut. Ok, das Kind war nicht geplant, aber wenn es denn so ist, dann werden sie und Josef demnächst heiraten und das Kind schon schaukeln. Das klitzekleine Problem war dabei nur, dass Maria und Josef sich ganz sicher an das Keuschheitsgelübde gehalten haben, weil sie zwar verlobt, aber noch nicht verheiratet warten. Sie hatten noch keinen Geschlechtsverkehr. Maria war Jungfrau. Josef KONNTE nicht der Vater sein. Das ist wie ein Lottogewinn, ohne jemals Lotto gespielt zu haben. Wie reagiert nun diese junge Frau, die vermutlich etwa 14 oder 15 Jahre jung gewesen ist? Sie hätte laut loslachen können (heute würde sie nach der versteckten Kamera suchen). Sie hätte zweifeln und diskutieren können (in Biologie hat sie ja aufgepasst, sie wusste, wie kleine Babys im Bauch entstehen). Sie hätte auch in hysterische Panik oder sprachlose Lethargie verfallen können. Aber ihre Reaktion fiel ganz anders aus.

 

„Maria antwortete: »Ich bin die Dienerin des Herrn und beuge mich seinem Willen. Möge alles, was du gesagt hast, wahr werden und mir geschehen.«“

 

Hier kommen eine Herzenshaltung und ein Gottvertrauen zum Vorschein, die Maria auszeichnen. Dabei geht sie mit dieser Entscheidung ein unglaubliches Risiko ein! Machen wir darum an dieser Stelle mal eine kurze Risikoanalyse. Als junge, unverheiratete Frau, die schwanger wurde, befand sie sich in einer katastrophalen Lage. Wenn nämlich ihr Josef nicht bereit war, sie zu heiraten (und auch der wusste 100%ig, dass er nicht der Vater des Kindes war!), dann blieb sie höchstwahrscheinlich für den Rest ihres Leben unverheiratet. Josef hätte sogar die Möglichkeit gehabt, sie anzuzeigen. Dann wäre sie nach damaligem Recht eventuell gesteinigt worden. Wenn ihr Vater sie auch zur „Persona non Grata“ erklärt, dann ist sie gezwungen, ihren Lebensunterhalt mit Betteln oder Prostitution zu bestreiten. Und allein schon mit der Erklärung, sie sei schwanger durch den Heiligen Geist, riskiert sie, für verrückt gehalten zu werden.

 

Maria reduziert alles auf ihr Gottvertrauen! Allen Umständen und möglichen Konsequenzen zum Trotz schenkt sie den Worten des göttlichen Boten Glauben. Es steht zu befürchten, dass sie möglicherweise mit dem Kind allein dasteht. Aber sie vertraut auf Gott. Sie läuft Gefahr, verachtet, verlassen und verspottet zu werden. Aber sie vertraut auf Gott. Sie muss damit rechnen, nie wieder zu einer Familienfeier eingeladen zu werden und auch an keinem Gottesdienst in der Synagoge oder im Tempel teilnehmen zu können. Aber sie vertraut auf Gott. Sie reduziert sich und ihr Leben und alle Umstände auf Gott.

 

„Reduce to the max“. Diesen Satz habe ich mal gelesen, als es um eine Texterarbeitungsmethode ging. Man nimmt sich einen kurzen Text oder eine Aussage vor und streicht alle Aussagen und Wörter, die nicht so wesentlich sind. Am Ende sollen nur 5 Wörter noch übrigbleiben. Reduce to the max – auf das Maximum reduzieren. Maria reduziert sich auf das Maximum, das Vertrauen auf Gott.

 

Was passiert, als sie das tut? Sie willigt aktiv ein in das Vorhaben Gottes. Sie ist ja nicht passiv, es widerfährt ihr nichts, wozu sie nicht ihr Einverständnis gegeben hätte. Sondern sie hat sich freiwillig darauf eingelassen, den Sohn Gottes auf die Welt zu bringen. Und somit spielt Maria eine ganz entscheidende Rolle in der Welt- und Heilsgeschichte, die Gott schreibt. Maria trägt ganz maßgeblich dazu bei, dass wir Menschen mit Gott wieder ins Reine kommen können. Nein, damit meine ich nicht, dass sie eine Heilsvermittlerin wird. Und ich meine auch nicht, dass sie bei Jesus oder dem himmlischen Vater für uns beten und ein gutes Wort einlegen muss. Davon halte ich gar nichts. Sondern einfach weil sie sich Gott zur Verfügung gestellt hat, deswegen kommt Jesus auf diese Weise zur Welt.

 

Daraus können wir zweierlei auch für uns lernen. Erstens: Gott zwingt uns nicht, ihm zur Verfügung zu stehen, sondern er lässt uns in Freiheit entscheiden. Und zweitens: Gott braucht uns nicht zur Umsetzung seiner Pläne, aber er will uns gebrauchen.

 

Und das finde ich so spannend und beeindruckend! Gott will uns einbauen in seinen Plan, dass die Menschen mit ihm ins Reine kommen. Er will auch uns einbinden in sein großes Projekt, dass die Menschen Gott in der Höhe wieder ehren und dass damit dann auch Frieden unter uns Menschen einkehrt. Aber natürlich heißt das, dass wir uns zuerst selbst darauf einlassen, Gott zu vertrauen und ihm die Ehre zu geben. Und damit beginnt dann auch schon das große Abenteuer des Glaubens, weil wir damit rechnen dürfen, dass Gott etwas mit uns vorhat. Wobei wir sicher nicht alle dazu bestimmt sind, herausragende Weltveränderer zur Welt zu bringen (das ist für die Männer auch nicht so gut möglich) oder eine epochale Umwälzungen in Gang zu bringen. Aber wenn wir Gott fragen, wie er sich unser Leben vorgestellt hat, welche Berufung er für uns hat, dann wird er uns schon deutlich machen, was er im Sinn hat. Und wenn Gott uns mitteilt, was er mit uns vorhat, dann dürfen wir auch davon ausgehen, der er unsere Erfahrungen und Fähigkeiten, unser Wissen und die Begabungen gebrauchen kann. Manche denken ja eher klein von sich und meinen, dass sie nichts Rechtes zur Ausbreitung des Evangeliums beitragen können. Aber wir sollten Gott in der Wahl seiner Helden nicht einschränken. Er kann und will dich und mich gerne einsetzen und gebrauchen, damit die Welt ein bisschen besser wird.

 

Kommen wir nochmal zurück auf die beiden Marias, die jede für sich auf eine ganz spezielle Art und Weise weltberühmt geworden ist. Bei der einen waren es ihr Gesangstalent, ihre Schönheit und Bühnenpräsenz und ihre Fähigkeit, sich ins Rampenlicht zu stellen. Bei der anderen Maria war es lediglich ihr Herz, ihre Hingabe an und ihr Vertrauen auf Gott. Maria, die Mutter Jesu hatte auch nur einen einzigen Wunsch: sie wollte zu Gott gehören und ihm gehören und ihm vertrauen und gehorchen. All I Want For Christmas Is You, My God!

 

Vielleicht sollten wir dieses Jahr an Weihnachten unsere Wünsche auch reduzieren auf den einen: Alles, was ich zu Weihnachten will und mir wünsche, das bist du, mein Gott. Ich wünsche mir nur das eine Geschenk, dass ich dir mehr und mehr vertraue, dass ich mich dir mehr und mehr anvertraue, dir mehr und mehr zur Verfügung stehe. Wenn wir uns darauf reduzieren, dann wird Weihnachten nicht kleiner, geringer, billiger, schon gar nicht minderwertiger. Sondern dann wird es maximal wertvoll. Denn das ist nur recht und billig, dass wir sagen, wünschen und singen: All I Want For Chrismas Is You!

 

AMEN