Gott mit allen Sinnen erfahren und genießen - HÖREN

 

Liebe Gemeinde!

Heute gibt’s was für die Ohren. Denn es geht ums Hören. In der Bibel gibt es öfter den Satz: Wer Ohren hat zu hören, der höre. Ein seltsamer Satz. Ohren zu hören. Gibt es auch Ohren, die nicht zum Hören da sind? Vielleicht Ohren um daran zu ziehen? Oder Ohren, die vor Scham rot werden? Oder Ohren zum Wackeln?

Vier Ohren gibt es, hat der Psychologe Friedemann Schulz von Thun in den 1970er Jahren behauptet und anhand dieses Bildes ein Kommunikationsmodell entwickelt, das heute sehr bekannt ist. Sein Anliegen war, Missverständnisse in der Kommunikation zu verstehen und zu vermeiden. Mit dem Hören ist es ja nicht so einfach. Weil man abgelenkt ist. Weil die Ohren nicht mehr gut funktionieren. Weil das Hörgerät eine neue Batterie braucht. Weil der andere nuschelt und undeutlich spricht. Wir alle könnten unzählige Gründe benennen, warum das so ist mit dem Hören.

Ein weiterer Grund ist, dass wir ein und dasselbe Botschaft auf vier verschiedene Arten hören, eben mit den vier verschiedenen Ohren.

Eines dieser vier Ohren ist das Sach-Ohr. Das hört die reine Information, die eine Nachricht enthält. Es geht dabei um Fakten, um Daten, um den Inhalt einer Äußerung. Ein anderes Ohr ist das Beziehungs-Ohr: Indem wir etwas sagen, gestalten wir auch Beziehung. Der oder die Hörende fühlt sich ernst genommen und geachtet oder gedemütigt und abgelehnt. Ein weiteres Ohr ist das Selbstoffenbarung-Ohr. Mit diesem Ohr hört man, dass der andere etwas über sich selbst sagt, wie er sich fühlt, was er denkt oder was er für Bedürfnisse hat. Und schließlich das vierte, das Appell-Ohr. Hören wir eine Nachricht mit dem Appell-Ohr, fühlen wir uns aufgefordert, etwas zu tun.

Ein kleines Beispiel illustriert das Modell mit den vier Ohren: Ein Ehepaar sitzt im Auto, sie am Steuer, er auf dem Beifahrersitz. Der Mann sagt zu seiner Frau: «Du, da vorne ist grün». Was und wie hört die Frau??? Sie hört wahrscheinlich zuerst mit dem Beziehungs-Ohr. Die Frau entnimmt dieser Information, wie der Mann zu ihr steht und was er von ihr denkt. Sie hört aus diesem Hinweis des Mannes, dass er es ihr nicht zutraut, ohne seine Hinweise vernünftig zu fahren. Das hat der Mann zwar nicht gesagt, aber sie meint, dass er es gemeint hat. Deswegen blafft sie zurück: «Fährst du, oder fahre ich?»

Wenn sie mit den Appell-Ohr hört, dann lautet für sie die Botschaft: «Worauf wartest du noch? Fahr endlich los!» Aber hat er wirklich diese Aufforderung gemeint?

Es wäre auch möglich, dass die Frau den Satz mit dem Sach-Ohr hört. Vielleicht ist sie von der Sonne geblendet oder die Ampel ist durch ein Hindernis verdeckt. Dann ist sie froh über Information: «Die Ampel ist nicht mehr rot, sie ist grün». Und sie sagt: «Danke, hab ich gar nicht gesehen! »

Oder sie hat das Selbstoffenbarungs-Ohr aktiviert. Dann nimmt sie zur Kenntnis, dass der Mann nicht schläft, sondern wach ist. Er ist ein aktiver Beifahrer.

Es ist schon faszinierend, wie unterschiedlich ein kleiner Satz gehört und aufgenommen werden kann. Alle vier Möglichkeiten zu hören, alle vier Ohren sind wichtig. Auch wenn es darum geht, auf Gott zu hören. Ich will anhand eines sehr bekannten Satzes aus der Bibel entfalten, wie wertvoll es ist, wenn wir mit allen vier Ohren hören. Denn jede Botschaft beinhaltet einen sachlichen Inhalt, eine Selbstoffenbarung, eine Beziehungsaussage und einen Appell. Der Satz lautet:

Gott hat der Welt seine Liebe dadurch gezeigt, dass er seinen einzigen Sohn für sie hergab, damit jeder, der an ihn glaubt, das ewige Leben hat und nicht verloren geht“ (aus der Neuen Genfer Übersetzung). Vorneweg ist es hilfreich zu verstehen, dass Jesus diese Aussage gemacht hat und dass er von sich in der dritten Person spricht und mit dem „einzigen Sohn Gottes“ sich selbst meint.

Frisch ans Werk. Was ist die Sachbotschaft? Was hören wir, wenn wir das Sach-Ohr aktivieren? Wir hören, dass es einen Gott gibt. Und dieser Gott hat einen einzigen Sohn. Als aufmerksame und aktive Hörer erkennen wir, dass Jesus als der einziggeborene Sohn Gottes bezeichnet wird. Somit unterscheidet er sich grundlegend von den vielen anderen Menschen, die zuweilen auch Töchter und Söhne Gottes genannt werden. Diesen seinen Sohn sendet Gott mit einer ganz bestimmten Absicht. Worin die Absicht besteht, werden wir später noch betrachten. Aber wir lesen von der Tat-Sache, dass Gott die Welt (damit sind hauptsächlich die Menschen in der Welt gemeint) liebt. Denn die Welt und Menschheit stehen nach Aussage dieses Satzes in der Gefahr, verloren zu gehen. Auch hier hören wir wieder aufmerksam und stellen fest: Verloren meint im Verständnis des griechischen Wortes „zugrunde gehen und ins ewige Verderben stürzen“. Andererseits gibt es aber auch die Option, dass man ewig leben kann.

Soweit das, was wir mit dem Sach-Ohr hören können. Viele Menschen neigen dazu, hauptsächlich auf diese Weise Gottes Wort zu hören. Und sie fangen an zu diskutieren und zu hinterfragen. Sie wollen wissen, ob es nur diesen einen Gott gibt oder ob andere Gottheiten auch zu berücksichtigen sind. Sie hinterfragen den Gedanken, dass der eine Gott einen Sohn hat. Und wenn sie noch etwas weiter denken, dann philosophieren sie über die Dreieinigkeit. Manche zweifeln die Richtigkeit einer göttlichen Existenz grundsätzlich an und berufen sich auf Ludwig Feuerbach. Der hat nämlich behauptet, dass Gott ein von Menschen erfundenes Konstrukt ist, mit dem sie sich die Wünsche nach Unsterblichkeit, Vollkommenheit, Glückseligkeit und Gleichberechtigung erfüllen. Gott ist demnach nur eine Projektion, eine Erfindung von uns Menschen. Und zu guter Letzt wird in Zweifel gezogen, dass die Menschen zugrunde gehen und ins ewige Verderben stürzen können. Und wenn es das nicht gibt, dann kann es die Option des ewigen Lebens auch nicht geben.

Solche sachlichen Fragen und Zweifel sind nicht verboten. Darüber darf auch herzhaft diskutiert und trefflich gestritten werden. Aber das Problem ist, dass viele nur mit dem Sach-Ohr hören und dann dicht machen. Die anderen Aspekte hören sie gar nicht mehr. Sie hören nicht mehr hin, was Jesus ihnen auch noch sagen will.

Fromme Menschen fallen mitunter auf der anderen Seite vom Pferd. Sie hören die sachlichen Inhalte des Wortes Gottes und halten sie für wahr. Ohne weiteres schlucken sie alles und sind dann der Meinung, dass Konfirmandenwissen und das Akzeptieren von allen möglichen Dogmen und Glaubensaussagen einen lebendigen Glauben ausmachen. Und ganz viele vergessen, dass es noch drei andere Ohren gibt, mit denen wir hören sollen.

Deswegen machen wir gleich weiter und hören den Satz aus Johannes 3,16 mit dem Selbstoffenbarungs-Ohr. Hier fragen wir uns, was dieser Satz über den aussagt, der ihn ausgesprochen hat. Wer ist denn dieser Gott, wer ist dieser Jesus, von dem hier die Rede ist?

Wir hören die Selbstverständlichkeit, dass es Gott gibt und dass er Gott ist. Gott ist per se souverän und uns Menschen überlegen. Gott ist absolut spitze, denn er ist Gott. Aber er ist kein einsamer Gott, der einsame Spitze ist. Er hat einen Sohn, das heißt, dass Gott in sich Liebe ist. Wenn wir als aufmerksame und aktive Hörer andere Aussagen zu Rate ziehen, in denen Gott sich selbst offenbart, dann kommen wir zu dem Wunder der Dreieinigkeit. Und das ist eine wesentliche Aussage Gottes über sich selbst, dass er in sich Liebe ist. Gott, der Vater, liebt den Sohn. Und der Sohn liebt den Vater. Ebenso verhält es sich mit dem Verhältnis des Heiligen Geistes zum Vater und zum Sohn. Die Selbstoffenbarung Gottes schlechthin ist, dass der dreieinige Gott, Vater, Sohn und Heiliger Geist, Liebe ist.

Wir entnehmen dem Satz von Jesus aber noch weitere Selbstaussagen. Gott stellt sich mit dem Anspruch vor, dass er unsere Lage, unsere Situation, unser Dilemma, unser Verloren sein einschätzt und beurteilt. Gott sagt: Ich sehe euch Menschen und ich kenne euch und ich durchschaue euch. Und darum weiß ich, wie es um euch steht. Und das sieht nicht gut aus, ihr lieben Leute!

Das lässt ihn aber nicht gleichgültig. Gott ist kein „ist mir egal-Gott“. Seine Liebe zu den Menschen bleibt nicht passiv. Sie wird in der Sendung seines Sohnes aktiv. Damit sind wir schon ganz dicht an dem dritten Punkt, nämlich an der Beziehungsseite des göttlichen Wortes. Aber ich will zu dem eben genannten Punkt noch mal sagen und unterstreichen, dass wir immer wieder sorgfältig auf das hören, was Gott über sich selbst sagt. Er stellt sich in der Bibel vor, damit wir erkennen und immer besser erfassen und verstehen, wer und wie er ist. Und das soll uns immer tiefer in die Anbetung Gottes führen.

Nun zum dritten Ohr: dem Beziehungs-Ohr. Was höre ich in der Botschaft über Gottes Beziehung zu mir? Was hält Gott von mir und wie er zu mir steht? Auf diese Frage haben leider ziemlich viele Menschen eine vorgefertigte Antwort und eine festgefügte Überzeugung! Weil sie die tausendfachen Selbstoffenbarungsaussagen Gottes nicht gehört und nicht geglaubt haben, meinen sie, dass Gott sie blöd findet, dass sie ihm gleichgültig sind, dass er sie schikaniert und piesackt. Dieser Falschmeldung tritt Gott liebevoll vehement entgegen. Denn es doch ein Akt der Aufrichtigkeit und Wahrhaftigkeit, dass Gott uns sagt, wie er uns Menschen sieht. „Verloren seid ihr. Ihr seid nicht an dem Platz, nicht an dem Ort, nicht in der Beziehung, die für euch lebenswichtig ist.“ Und wie reagieren viele Menschen?

„Hab ich’s doch gewusst! Gott findet mich ganz furchtbar. Aber so schlimm bin ich doch gar nicht. Ich bin anständig und ordentlich, freundlich und zuverlässig. Aber verloren? Nein, verloren bin ich nicht!“ So reagieren viele, nicht wahr! Und deswegen hören sie nicht mehr hin, was Gott ihnen noch sagen will. Er redet ja nicht nur davon, dass er die Menschen als Erlösungsbedürftige ansieht. Sondern er spricht von seiner Liebe zu uns! Die Beziehungsbotschaft Gottes schlechthin ist: „Ich liebe euch. Ich bin Liebe, und ich schenke euch meine Liebe.“ Das sagt er nicht nur so. Sondern das tut er auch. Er sendet seinen Sohn. Das bedeutet, dass er zu uns kommt, auf uns zukommt, persönlich mit uns zu tun haben will. Weil wir achtsame und aufmerksame Hörer sind, nehmen wir mit dem Beziehungs-Ohr wahr, dass Jesus sich aus Liebe zu uns mit Leib und Leben für uns einsetzt, damit wir ewiges Leben haben. Es mag sein, dass wir noch gar nicht so richtig einordnen und begreifen können, warum Jesus sterben musste. Aber wenn wir die brennende Liebe Gottes zu uns verstehen, die uns seinen Sohn geschenkt hat, wenn wir mit dem Herzen hören, dass Jesus für uns gestorben ist, damit wir nicht vor die Hunde gehen, dann ist das hoffentlich der Anfang einer wunderbaren Beziehung. Gott geht es um Beziehung. Und er ist der festen Überzeugung, dass wir sinnvolles, ewiges, versöhntes und dauerhaftes Leben nur in der vertrauensvollen Beziehung zu ihm haben können.

Wenn wir Gottes Wort lesen und hören, dann lasst uns bitte immer darauf hören, wie Gott zu uns steht und dass er eine vertrauensvolle und lebendige Beziehung zu uns haben will. Sachinformationen sind wichtig und wertvoll, ohne Frage. Selbstoffenbarungen Gottes wollen uns Gott groß machen. Beide aber zielen auf die Beziehung, auf das Vertrauen, auf den Glauben hin.

Und dazu werden wir aufgefordert. Darum sollen wir auch das Appell-Ohr aufmachen. Es gibt zwei Aufforderungen in dem bekannten Bibelwort aus Johannes 3,16: glauben und ewiges Leben haben. Leider haben viele Menschen im kirchlich-christlichen Umfeld ganz andere Appelle gehört. „Du musst die 10 Gebote halten. Gott will, dass du ein braver Mensch bist. Du sollst dir die Hände waschen, und du sollst zuvorkommend deinen Mitmenschen begegnen und beten. Du sollst und du musst und du darfst nicht.“ Klar, dass viele bei solchen Appellen dicht machen. Und wer nur mit dem Appell-Ohr hört, der bekommt Ohrenschmerzen. Aber erstens – ich wiederhole mich – dürfen wir die anderen Aspekte nicht überhören, die anderen Ohren nicht zuhalten. Und zweitens ist der vorrangige Appell, die größte Einladung und Aufforderung Gottes die, dass wir an ihn glauben. Vertrauen, dass er Gott ist. Vertrauen, dass er Liebe ist und uns in seiner Liebe ehrlich und aufrichtig begegnet. Vertrauen darauf, dass das Vertrauen zu ihm, die Abhängigkeit von ihm, das Beste ist, was uns passieren kann. Das ist der erste Appell: glauben. Und der zweite ist: ewiges Leben haben. Inwiefern ist das denn ein Appell? Ist das nicht viel mehr eine Zusage? Ja klar, es ist eine Zusicherung, eine Verheißung. Aber wenn wir die Gabe des ewigen Lebens als Zuspruch betrachten, dann sind wir tatsächlich aufgefordert, diese Gabe auch in Anspruch zu nehmen. Unter anderem geschieht das dadurch, dass wir nie aufhören, auf Gott zu hören. Und wenn wir hören und horchen, achtsam und aufmerksam, dann sollen wir nicht nur Hörer, sondern auch Täter des Wortes Gottes sein. Es geht um den Glauben, der in der konkreten Alltagsliebe tätig wird.

Lasst uns also freudig und begeistert auf den Gott hören, der so vielschichtig zu uns redet.

AMEN