Predigt über Johannes 3,16

 

 

 

Liebe Gemeinde!

 

Ich glaube, wenn wir eine Liste der zehn bekanntesten Bibelverse aufstellen würden, dann wäre dieser hier unbedingt dabei, und zwar ganz weit vorne:

 

So sehr hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn gab, damit alle, die an ihn glauben, nicht verloren gehen, sondern das ewige Leben haben.“

 

Das ist nicht nur einer der berühmtesten, sondern auch einer der schönsten Verse der Bibel. Er spricht von der unbedingten Liebe Gottes, er spricht davon, dass Jesus Christus die schönste und größte Gabe Gottes an uns ist und er sagt den Glaubenden das ewige Leben zu. Die Schönheit und die Tiefsinnigkeit und die grundlegende Bedeutung dieses Satzes will ich in der Predigt ein wenig entfalten. Ich beginne mit der ersten Aussage, dass Gott DIESE Welt liebt. Gott liebt diese Welt. Manche kennen das Lied aus dem evangelischen Gesangbuch unter der Nummer 409. Alle acht kurzen Strophen beginnen mit den immer gleichen Worten: Gott liebt diese Welt. Es scheint so, als ob der Verfasser es gar nicht oft genug sagen kann, dass Gott diese Welt liebt. Und ich will das auch mit Nachdruck betonen und unser Augenmerk darauf richten, dass Gott tatsächlich diese Welt liebt. Er liebt die Welt und die Menschheit, von der wir in den Nachrichten einen winzigen Bruchteil dessen erfahren, was alles passiert und was Menschen anrichten. Gott liebt die Welt, in der es Eroberungs- und Expansionskriege gibt. Er liebt die Welt, in der Machthaber, Politiker und Militärs die Bevölkerung und die Soldaten und die Politiker anderer Länder tolldreist anlügen. Er liebt die Welt und mit ihr die entsetzlich vielen Menschen, die nicht in der Lage sind, zu vergeben und sich zu versöhnen. Gott liebt eine Welt und Menschheit, in der Wälder durch Brand gerodet werden und auf der die Meere verschmutzt und verseucht werden. Wälder, die überlebenswichtige Sauerstofflieferanten sind und Meere, die Lebensraum für zahllose Tiere sind. Gott liebt die Welt mit allen Menschen, die ihn ignorieren und verachten, die ihn mit einer fehlgeleiteten oder oberflächlichen Frömmigkeit abspeisen und zufrieden stellen wollen. Gott liebt diese Welt, nicht, weil sie so lieb ist. Sondern weil sie seine Liebe dringend braucht.

 

Deswegen vernichtet er die Welt nicht, er spricht nicht das Todesurteil über die Menschen aus. Sondern er macht ihnen ein Geschenk. Gott gibt der Welt seinen Sohn. Das tut er aus mehreren unterschiedlichen Gründen, ich nenne hier nur zwei.

 

Ein Grund ist der, dass Gott der Welt zeigen will, wie das Leben geht. Jesus hat als Mensch genauso gelebt, wie Gott sich das vorgestellt hat. Gott sagt: „Das ist mein lieber Sohn, den sollt ihr hören, an dem sollt ihr euch ein Beispiel nehmen, so wie er sollt ihr leben. So stell ich mir das Leben vor.“ Aber das haben die Leute nicht kapiert, ihnen war Jesus mit seiner Gottergebenheit, mit seiner Barmherzigkeit, mit seiner Feindesliebe, ein Dorn im Auge.

 

Ein zweiter Grund ist der, dass Gott seinen Sohn gab, um für uns alle gegen die Gottlosigkeit und die Sünde und ihre Folgen zu kämpfen. Gott schickte seinen Sohn in einen Kampf. Nicht für eine sinnlosen und aussichtslosen Krieg. Er gab seinen Sohn nicht, um gegen die Menschen zu kämpfen, nicht, um die Menschen mit brutaler Gewalt zu unterwerfen oder zu zerstören. Er sandte ihn auch nicht, um die Menschen zu richten, zu bestrafen. Sondern um sie zu retten, um ihnen zu helfen, um für sie zu kämpfen. Die Bibel spricht nämlich von der Verlorenheit der Menschen. Die Welt hat verloren. Den Kampf gegen das Böse hat sie verloren. Und darum ist die Welt verloren, sie hat sich selbst disqualifiziert, sie hat ihre dauerhafte Existenzberechtigung und die Ewigkeit verspielt.

 

Die Antwort Gottes darauf ist die, dass er uns seinen Sohn Jesus gab, damit er uns die Strafe für unsere Vergehen abnimmt und für unsere Schuld sühnt. Und dafür ist Jesus am Kreuz für uns gestorben, dafür hat er mit seinem Leben bezahlt. Das ist nun für viele Menschen eine ziemliche Herausforderung. Denn das ist nicht so leicht zu verstehen, zu akzeptieren, zu begreifen, zu glauben, dass das notwendig gewesen sein soll. Da stellt sich doch die Frage: Bin ich denn wirklich so schlimm, dass Jesus für mich sterben musste? Bin ich wirklich so ein schlechter Mensch, dass ich die Todesstrafe verdient hätte und dass ich deswegen nicht in den Himmel kommen könnte? Wenn wir Schuld und Sünde nur auf moralische Vergehen und ethische oder charakterliche Unzulänglichkeiten reduzieren würden, dann würden wir zu dem Urteil kommen, dass es liebe und nette und hilfsbereite Menschen gibt. Die kommen demnach in den Himmel. Und dann gibt es noch die anderen, die böse sind, die haben es nicht verdient, die Ewigkeit bei Gott zu verbringen. Aber diese Kriterien sind zu oberflächlich und unzureichend. Es geht vielmehr um die grundsätzliche Herzenshaltung Gott gegenüber. Es geht um Liebe und Vertrauen. Es geht um Anbetung und Achtung, um Gehorsam und Glaube. Gott sucht nach Menschen, die seine Existenz dankbar und anbetend anerkennen und die Gott selbstverständlich das Recht einräumen, ihr Leben zu leiten und zu füllen, zu gestalten und zu prägen. Im Psalm 14 wird das so formuliert:

 

„Der HERR schaut vom Himmel auf die Menschenkinder, dass er sehe, ob jemand klug sei und nach Gott frage. Aber sie sind alle abgewichen und allesamt verdorben; da ist keiner, der Gutes tut, auch nicht einer.“ Keiner ist gut genug für den Himmel. Alle haben sich selbst disqualifiziert.

 

Aber warum ist Gott so schrecklich kleinlich? Das ist doch die Frage, die wir uns jetzt stellen, oder? Der soll sich nicht so anstellen, wir strengen uns doch irgendwie an, gute Menschen zu sein. Warum ist Gott so furchtbar pingelig? Diese Frage offenbart allerdings ein Gottesbild, das mit Gott in Wirklichkeit nicht viel zu tun hat. Gott ist nicht nur gnädig und barmherzig, geduldig und von großer Güte. Er ist auch gerecht und heilig. Er ist Gott und kein seniler alter Herr im Himmel, der dafür da ist, uns unsere Wünsche zu erfüllen. Darum ist das nicht pillepalle, wenn wir ihm die Ehre und den Respekt, die Anbetung und Liebe versagen. Um seiner Gerechtigkeit willen kann Gott das nicht ignorieren, sondern er muss handeln. Ich will das anhand einer Beispielgeschichte illustrieren.

 

„Es war einmal ein König. Er hatte in seinem Land schon verschiedene Anordnungen getroffen, um die schlechten Zustände in seinem Reich zu beseitigen. Eine dieser Maßnahmen lautete: Der Genuss von Rauschmitteln ist verboten. Das war eine besonders harte Maßnahme, denn viele waren diesem Laster verfallen, selbst am Hofe des Königs. Der König hatte eine harte Strafe angedroht. Wer auf frischer Tat ertappt wurde, sollte mit dreißig Stockschlägen bestraft werden. Lange Zeit wurde niemand zum König gebracht. Und es schien so, als hätten alle verstanden, wie nötig und sinnvoll dieses Verbot ist. Eines Tages kam ein Diener zum König und meldete, dass eine Frau Rauschmittel genommen hätte. Der König befahl: „Bring sie her, sie wird ihre Strafe bekommen. Jeder, der es verdient, wird bestraft, und wenn es meine eigene Frau wäre.”

 

Der Diener entfernte sich und kehrte bald mit zwei Soldaten zurück, die eine Frau zwischen sich führten. Es war ... die Mutter des Königs. Der König erschrak. Das hatte er nicht erwartet. Was nun? Er musste sein Wort halten. Gespannt warteten die Diener ab, was ihr König tun würde. Der König sah seine Mutter an. Dann trat er vor, entblößte seinen Rücken und erteilte dem Gerichtsdiener den Befehl, ihm die dreißig Stockschläge zu geben. Er nahm die Strafe, die seine alte Mutter verdient hatte, auf sich. Im ganzen Land wurde der König für das, was er getan hatte, gelobt.“

 

Wir verstehen, dass dieser König um seiner Glaubwürdigkeit und seiner Gerechtigkeit willen bei der eigenen Mutter keine Ausnahme machen konnte. Die Strafe sollte vollzogen werden.

 

Damit haben wir einen ganz wichtigen Grund entdeckt, warum Gott uns seinen Sohn Jesus Christus gab. Er liebt uns. Und um seiner Gerechtigkeit und Glaubwürdigkeit willen nimmt Jesus unsere Schuld auf sich. Aus Liebe muss das so sein.

 

Ich meine, dass wir das ziemlich gut nachvollziehen können. Wir machen ja auch vieles, weil es einfach aus Liebe sein muss. Als unsere Enkeltochter in Gießen eingeschult wurde, haben wir es uns nicht nehmen lassen, dahin zu fahren. Meine Frau und ich haben uns die Zeit genommen, sind 1,5 Stunden lang hingefahren, waren dabei, haben uns mitgefreut, und sind 1,5 Stunden lang wieder zurückgefahren. Warum der Zeitaufwand, warum die Fahrtkosten? Muss das denn sein? Natürlich muss es sein, aus Liebe, aus Zuneigung, aus Sehnsucht. Warum betreibt Gott diesen großen Aufwand, wozu opfert sich Jesus für uns? Muss das denn sein? Ja, es muss sein, aus Liebe, aus Zuneigung, aus Sehnsucht!

 

Was tun wir nicht alles aus Liebe, weil wir es versprochen haben! Der Vater hat seinem Sohn versprochen, mit ihm eine Paddeltour zu machen. Die Tochter hat der Mutter versprochen, den Einkauf zu erledigen. Der Mann hat seiner Frau versprochen, die Hecke zu schneiden. Der Mitarbeiter hat dem Kunden versprochen, sich um sein Anliegen zu kümmern. Und so weiter und so fort. Das alles wird erledigt, weil wir es versprochen haben. Gott hat seinen Menschen versprochen, dass er sich um das Problem der Schuld und Sünde kümmert. „Ich tilge deine Übertretungen“, so steht es im Wort Gottes beim Propheten Jesaja. Und Gott hält Wort.

 

Was tun wir nicht alles aus Liebe und aus Fürsorge! Ich habe gerade ein krankes neunjähriges Mädchen vor Augen, das im Bett liegt. Die Eltern und Geschwister kümmern sich. Sie besorgen dem Kind Essen und Trinken, Spielsachen und Bücher. Sie versorgen es und helfen ihm aufs Klo, helfen beim Waschen und Zähneputzen. Das alles tun und machen sie für die Tochter, für die Schwester. Und wenn die Mutter sagt: Ich habe das Essen für dich gekocht, dann muss das Kind sich nicht mehr selbst was kochen. Und wenn der Vater sagt: Ich habe für dich die Medikamente aus der Apotheke gekauft, dann ist das erledigt, der Patient muss nicht mehr selbst losgehen. Alles, was die anderen aus Fürsorge tun, das muss das Mädchen nicht mehr selbst tun. Abgesehen davon, dass das Kind das auch gar nicht alleine machen kann, muss das Mädchen es sich einfach nur gefallen lassen, es muss sich beschenken lassen und die Liebe und Fürsorge annehmen.

 

So ist es mit dem, was Gott aus Liebe für uns tut. Er gibt uns seinen Sohn. Und wir sollen vertrauensvoll annehmen, was er uns geben will. Wir sollen uns beschenken lassen von seiner vergebenden Liebe, damit wir nicht verloren gehen, sondern das ewige Leben haben. Denn die Liebe Gottes gilt der ganzen Welt, aber die Gabe und das Geschenk des ewigen Lebens gilt denen, die an Jesus glauben.

 

AMEN