Römer 11,33-36

 

 

 

Liebe Festgemeinde!

 

 

 

Ich lese uns den Bibeltext aus Römer 11,33-36. Dabei zitiere ich den Abschnitt aus der Übertragung der „Guten Nachricht“.

 

„33 Wie unergründlich tief ist Gottes Reichtum, wie tief seine Weisheit und seine Voraussicht! Wie unerforschlich sind seine Gerichtsurteile, wie unbegreiflich seine Führungen! 34 Denn wer hat die Gedanken des Herrn erkannt, oder wer ist sein Ratgeber gewesen? 35 Wer hat ihm je ein Geschenk gemacht, sodass er etwas dafür fordern könnte? 36 Von Gott kommt alles, durch Gott lebt alles, zu Gott geht alles. Ihm gehört die Herrlichkeit für immer und ewig! Amen.“

 

Damit ist die Festrede passend eröffnet. Denn bei einer Festrede gehört es sich, dass man den rühmt, der den Anlass für das Fest gibt. Bei der Hochzeit ist es das Brautpaar, beim Jubiläum die Jubilarin oder der Jubilar, beim Geburtstag das Geburtstagskind. Und beim Trinitatisfest, beim Dreieinigkeitsfest rühmen wir unseren wunderbaren Gott. Er offenbart sich uns dreieinig als Vater, Sohn und Heiliger Geist. „Ihm gehört die Herrlichkeit für immer und ewig!“

 

Wir wollen heute Gott ganz besonders für seine großartige Gottheit loben und preisen und anbeten. Er gibt den Anlass für dieses Fest, nicht wir. Um ihn geht es, nicht um uns. Und ihn feiern wir, auch wenn uns vielleicht angesichts von Krieg und Corona, Krankheit und Kummer nicht nach feiern zumute ist.

 

Aber es könnte sein, dass uns nicht nur unsere momentane Gemütsverfassung Mühe macht. Je nach dem, wie wir den Predigttext aus Römer 11 auffassen, könnte es sein, dass diese Aussagen uns nicht in Festtagsstimmung versetzen, sondern eine ärgerliche Verstimmung bei uns auslöst. Diese Aussagen über Gott können einen missmutig machen. Darum will ich meine erste Begegnung mit der Festschrift mal so überschreiben:

 

1.             Was für ein mühsamer Gott

 

Ja, da finden wir Begriffe und Aussagen, die können einem ganz schön Mühe machen. „Unergründlich“, „unerforschlich“ und „unbegreiflich“, das klingt das für mich so, dass ich es nicht nachvollziehen kann. Wenn unter anderem die Urteile Gottes „unerforschlich“ sind, dann riecht das ganz verdächtig nach Willkür. Weiter heißt es, dass Gottes Wege und Führungen „unbegreiflich“ sind. Also sind sie nicht plausibel, nicht zu verstehen, nicht logisch, dann sind sie rätselhaft. Und das kann einfach nicht gut sein. Denn das heißt ja im Klartext: ich werde Gottes Wege nicht verstehen können. Gott ist nach diesen Aussagen unberechenbar und undurchdringlich.

 

Ich weiß nicht, wie es euch geht, aber wenn ich etwas auch beim besten Willen nicht nachvollziehen kann, dann werde ich manchmal ganz rappelig. Deswegen kann ich verstehen, dass manche Menschen ziemlich allergisch reagieren, wenn sie den Eindruck haben, dass Gott einfach machen kann, was er will. Darf der sich denn alles erlauben? Der muss niemandem Rechenschaft geben über sein Tun und Lassen. Das kann einen schon kirre machen.

 

Da fühlen wir uns wie Kinder, die es einfach nur ungerecht finden, dass die Eltern alles Mögliche dürfen, und wir dürfen das nicht. Das ist unfair, das ist ungerecht, das ist Schikane, das ist fies! Verzweiflung macht sich breit, besonders dann, wenn wir Gottes Wege und seine Führungen nicht verstehen. Warum hat er Putin noch nicht aus dem Verkehr gezogen? Warum lässt er es zu, dass afrikanische Länder darunter leiden, dass Getreide aus der Ukraine nicht ausgeliefert werden kann? Wann werden wir endlich keine ängstlichen Bedenken wegen Corona haben müssen. Oder warum ist mein Arbeitsplatz wegrationalisiert worden? Warum ist mein Kind, meine Ehepartner, mein Freund krank? Warum ist mein Einkommen so gering, dass es nicht zum Auskommen reicht? Das alles sind berechtigte Fragen.

 

Den Apostel Paulus treiben auch beklemmende Fragen um. In den vorausgehenden Kapiteln im Römerbrief beschäftigt er sich mit der Frage, warum sein Volk, das Volk Gottes, das Volk Israel, warum die Jesus nicht erkennen. Und was bedeutet das? Es ist doch das Volk, das Gott auserwählt hat. Hat Gott sie etwa verworfen? Hat Gott sie willkürlich ausgebootet? Aber das kann doch nicht sein, auf Gott und sein Wort muss doch Verlass sein!

 

Paulus steht vor einem schier unlösbaren Problem. Aber das ruft in ihm nicht Ärger, sondern Staunen hervor. Er entdeckt, dass es niemals Gottes Absicht war, sein Volk fallenzulassen! Allerdings wurde durch den Ungehorsam des Volkes Israel der Weg bereitet, um den übrigen Völkern die Heilsbotschaft zu bringen. Ihrem Beispiel soll Israel nun nacheifern. Und wenn man bedenkt, welchen Segen schon das Versagen Israels allen anderen Völkern gebracht hat, wie groß wird erst der Segen sein, wenn das ganze Israel für Christus gewonnen ist. So staunt Paulus ein paar Absätze vor dem Text, mit dem wir uns heute befassen.

 

Darum ist Paulus über Gott nicht verärgert, darum ist Gott für ihn nicht willkürlich und Paulus will auch nicht sagen, dass Gott irgendwie komisch ist. Sondern Gott ist merkwürdig. Er ist der heilige Gott und darum durchaus würdig ist, dass wir endlich aufmerken. Paulus staunt. Weil Gott Gott ist und nicht einer, der nach unseren Regeln zu spielen hat, deswegen lasst uns aufhören, uns über Gott zu ärgern, wir wollen vielmehr über ihn staunen. Ich möchte euch gern mitnehmen zu diesem zweiten Schritt und Gedanken über Gott.

 

2.             Was für ein erstaunlicher Gott

 

Die ersten Worte des festlichen Textes sollen Staunen bei uns auslösen! „Wie unergründlich tief ist Gottes Reichtum.“ Der Reichtum Gottes zeigt sich zuerst und für alle erkennbar in der Schöpfung. Je mehr die Wissenschaftler die Zusammenhänge unserer Schöpfung verstehen, begreifen, kapieren, desto größer wird das Staunen. Und je aufrichtiger Wissenschaftler damit umgehen, desto größer wird der Lobpreis des Schöpfers. Denn die Schöpfung steckt voller Intelligenz, voller Wunder, voller verschwenderischer Schönheit. Je tiefer wir uns damit beschäftigen und versuchen wollen, das alles zu erklären, desto mehr sind wir zum Staunen aufgefordert, um nicht zu sagen, wir sind zum Staunen verpflichtet! Und wir sind Teil dieser wunderbaren und wundersamen Schöpfung. Gott hat uns ja geschaffen. Mit all unseren Begrenzungen und Schwächen, Krankheiten und Belastungen sind wir ja in seinen Augen dennoch kostbar und wertvoll. Wir sind seine geliebten Geschöpfe.

 

Als nächstes staunt Paulus über die Tiefe der Weisheit Gottes. In seiner überreichen Güte hat Gott uns als freie Geschöpfe gedacht und gemacht. Wir waren ursprünglich in der Lage, seiner Liebe zu entsprechen und seine Liebe zu erwidern. Aber das haben wir Menschen nicht getan. Wir haben uns gegen Gott aufgelehnt. Wir haben es nicht akzeptieren wollen, dass Er der Größte und der Erhabene ist. Wir haben seine Liebe zu uns und seine Herrlichkeit über uns in den Wind geschlagen. Es ist zum Verzweifeln. Und Gott? Ist er an unserem Unwillen und Ungehorsam verzweifelt? Nein, sondern er hat in seiner Weisheit einen Weg gefunden, unseren Unwillen und Ungehorsam zu überwinden. Er hat Jesus gesandt. Er hat seinen Sohn, der mit Sünde überhaupt nichts am Hut hat, für uns zur Sünde in Person gemacht. Allen Unwillen, allen Ungehorsam hat Jesus auf sich geladen. Es war so, als ob er das alles verbrochen und verzapft hätte. Weil er dafür mit seinem Leben gesühnt und bezahlt hat, darum kann er uns alles vergeben. Diese außergewöhnliche Art des Gerichts ist tatsächlich unbegreiflich. Und dieser Weg zur Vergebung und Erlösung ist wahrlich unerforschlich!

 

Auf diese geniale Idee ist Gott selbst gekommen, das hat ihm kein Ratgeber vorgeschlagen. In seiner unfassbaren Weisheit ist er zu unserem Erlöser geworden. Das Staunen über die Erlösung, die Vergebung und über den Erlöser soll und will uns in unseren Zweifeln und der Verzweiflung aufrichten.

 

Und schließlich staunt Paulus über die Erkenntnis Gottes. Er hat den kompletten Durchblick. Er hat Einblick auch in unsere verzweifelte Lage. Und was für uns unerklärlich ist und was wir nicht verstehen und woran wir schier verzweifeln, das alles durchschaut Gott. Die komplizierten Zusammenhänge in der Psyche und im menschlichen Gemüt, Gott versteht das alles. Das Weltall kennt er wie seine Westentasche und meine verwundete Seele kennt er auch.

 

Wenn wir uns darauf mal einlassen und ihn Gott sein lassen, dann können wir wirklich bei ihm zur Ruhe kommen. Und dann ist dieser Gott für uns nicht mehr merkwürdig, obwohl wir ihn nicht in allem verstehen. Sondern dann ist er bewundernswert und zu bestaunen. Und dann wird uns dieser Gott, so wie Paulus ihn hier rühmt und anbetet, zum tröstlichen Gott.

 

Denn es ist tröstlich, dass Gott so ist. Deswegen möchte ich euch gern noch mitnehmen zu diesem dritten Schritt und Gedanken über Gott.

 

3.             Was für ein tröstlicher Gott

 

Gott ist so groß und unbegreiflich und unerforschlich. Das kann uns ja doch auch unfassbar beruhigen, dass die Tiefe des göttlichen Reichtums, seiner Weisheit und Einsicht unergründlich und unerschöpflich ist. Denn Gott ist uns nicht feindlich gesonnen. Er will uns nicht bedrohlich sein, sondern er will uns Anteil geben an dem unerschöpflichen Reichtum seiner Güte und Geduld. Der Reichtum seiner Langmut und Herrlichkeit und Barmherzigkeit macht mich reich. Denn er ist reich an Gnade. Das ist Mut machend. Das ist tröstlich.

 

Nicht wahr, Kinder mögen sich wohl mal darüber ärgern, dass die Eltern sich manches leisten dürfen, was den Kinder noch nicht zusteht. Aber dann passiert es hoffentlich, dass die Kinder ihre Eltern bestaunen und bewundern, dass sie so reich und so groß und so stark sind. Und wenn dann die Kinder vom Reichtum der Eltern profitieren, dann sind sie hoffentlich dankbar und stolz, dann sind die Kinder zufrieden und glücklich. Für mich als Kind Gottes ist es gut, dass mein himmlischer Vater so reich und gut ist.

 

Und für uns ist dann auch sehr tröstlich, dass Gottes Weisheit unergründlich tief ist. Wenn wir uns darauf vertrauensvoll und dankbar einlassen, dann können wir uns in der Weisheit Gottes bergen, dann können wir uns regelrecht fallen lassen. Das ist tröstlich und macht gelassen. Denn Gott in seiner Weisheit weiß auch für uns Mittel und Wege zu trösten und zu helfen, zu segnen und zu heilen. Ihn dürfen wir um Hilfe und Kraft bitten. Ihm dürfen wir aber auch vertrauen, dass er in seiner Weisheit keinen Fehler macht.

 

Und schließlich ist es so tröstlich, dass Gott alles weiß. Seine Erkenntnis ist grenzenlos. Ich bin so froh, dass es niemanden gibt, der Gott das Wasser reichen könnte. Es gibt niemanden, der schlauer ist als Gott. Es gibt niemanden, der das Gnadenurteil Gottes infrage stellen kann. Es gibt keine Instanz über ihm. Und das finde ich sehr tröstlich.

 

Wir sind in der Predigt einen Weg miteinander gegangen. Ich hoffe, dass ihr mitgegangen seid. Es ist in Ordnung, wenn wir uns an solch einem Text reiben, wenn wir uns an ihm stoßen. Das dürfen wir in aller Ehrlichkeit tun. Aber dabei sollen und müssen wir nicht stehen bleiben. Sondern wir können einen Schritt weiter gehen und entdecken, dass es bewundernswert und erstaunlich ist, wie Gott ist, wie er zu uns ist. Wir staunen über seine Weisheit und Gnade und Vergebung. Aber wir staunen nicht nur, sondern wir beten an. Ihm sei Ehre in alle Ewigkeit. Ihm gehört das Lob und die Herrlichkeit für immer und ewig.

 

AMEN