Jesaja 43,1

Liebe Gemeinde,

in der Hitze der letzten Tage war mir der Wochenspruch für die vor uns liegenden Woche eine echte Erfrischung. Und es hat gut getan, dass Gott mir so eine tolle Zusage macht. Jesaja 43,1: „So spricht der HERR, der dich geschaffen hat, Jakob, und dich gemacht hat, Israel: Fürchte dich nicht, denn ich habe dich erlöst, ich habe dich bei deinem Namen gerufen; du bist mein!“ Dieser Bibelspruch beinhaltet insgesamt vier Zusagen und eine Aufforderung. Die Aufforderung steht mittendrin. Und die ist eher eine Einladung und Ermutigung als ein Imperativ. Darum ist der Vers aus Jesaja 43 auch so beliebt. Beliebt bei vielen Leuten, die schon lange mit Jesus unterwegs sind. Beliebt aber auch bei Menschen, die im Glauben noch nicht so firm sind. Dieser Vers ist mir schon bei Taufen und bei Konfirmation, bei Trauungen und auch bei Beerdigungen begegnet. Manches Mal bei Leuten, bei denen ich es tatsächlich gar nicht vermutet hätte. Das zeigt aber, dass wir solchen Zuspruch und solche Zusagen benötigen.

Ich will in meiner Betrachtung von Jesaja 43,1 gleich mit der zentralen Aussage „Fürchte dich nicht!“ einsteigen. Ich habe ganz stark den Eindruck, dass wir so eine Aufmunterung heute mehr denn je brauchen. Denn man kann es schon mit der Angst zu tun bekommen, wenn man mit einigermaßen offenen Augen und wachen Sinnen durchs Leben geht. Ja, auch ich fürchte mich, wenn ich an den Krieg in der Ukraine denke. Ich fürchte mich, weil die Folgen unabsehbar sind. Wie lange werden die Kämpfe, die Bombardierungen, die Zerstörung und das Töten, die Blockaden und die Drohgebärden weitergehen? Welche politischen und wirtschaftlichen Auswirkungen wird das haben?

Ja, ich fürchte mich, wenn ich die Corona-Lage betrachte. In unserer näheren Umgebung werden wieder mehr Menschen infiziert. Die Krankheitsverläufe sind sehr unterschiedlich. Die einen sind nach wenigen Tagen wieder fit und können sich ziemlich schnell wieder freitesten. Andere haben sehr mühsame, anstrengende und belastende Krankheitssymptome. Wird es uns auch noch erwischen? Wenn ich an die extreme Hitze der letzten Tage denke, dann ist das auch zum Fürchten. Das hat ja unübersehbare Auswirkungen auf die Landwirtschaft und die Forstwirtschaft. Flüsse und Seen trocknen aus, Gewässer kippen und bieten Fischen und anderen Wassertieren keinen Lebensraum mehr. Kürzlich sagte jemand, die Wärme müsste man konservieren und speichern, damit wir im Winter nicht so viel heizen müssen. Und das ist ja die nächste Angst: wie sieht es mit der Energieversorgung und den Energiepreisen in den nächsten Monaten aus?

Bei vielen von uns gibt es auch noch ganz persönliche Ängste und Befürchtungen. Hier mag jeder und jede selbst das bedenken, was ihm oder ihr gerade zu schaffen macht. Es ist unbestritten, dass es für alle mehr oder weniger viele, hinreichende Gründe und Ursachen gibt, sich zu fürchten.

Dabei beobachte ich, dass sich ganz viele Menschen selbst Mut zusprechen und sich selbst aufmuntern. In den Gesprächen legen sie zwar ausführlich dar, was sie alles beklemmt und bedrückt. Aber dann kommen solche Mutmacher wie: „Aber das wird schon wieder! Ach, was willste denn machen? Da müssen wir durch, hilft ja nichts. Das Leben muss irgendwie weitergehen. Das werden wir auch schaffen und durchstehen. Es kommen auch wieder bessere Zeiten.“ Und der Köllner sacht auf jut Köllsch: „Ett hätt noch immer jot jejange!“ Aber ist das überzeugend, ist das hilfreich?

Wie überzeugend ist es denn, wenn Gott uns sagt: „Fürchte dich nicht!“? Ist das etwa so wie bei dem Hundebesitzer? Der geht mit seinem Vierbeiner spazieren und ich begegne den beiden und habe ehrlich gesagt Muffensausen. Ich habe Angst, ich fürchte mich vor dem Hund, der sehr gefährlich und bedrohlich auf mich wirkt. Und dann kommt der berühmt-berüchtigte Satz: „Kein Angst, der macht nichts!“ Fürchte dich nicht. Kann ich dem Herrchen oder Frauchen das glauben? Das kommt darauf an, ob der menschliche Besitzer seinen Hund im Griff hat. Wenn der Hund aufs Wort gehorcht, dann glaube ich auch der Zusicherung, dass das Tier mir nicht schaden wird. Wenn Gott mir zusagt: Fürchte dich nicht!, dann frage ich mich, ob Gott die Lage und mein Leben im Griff hat. Die Antwort auf diese Frage kann ich nicht wissenschaftlich belegen. Aber im Vollzug des Glaubens erfahren. Ich glaube Gott, wenn er sagt, dass er alles im Griff hat, denn die ganze Welt gehört ihm. Als Ermutigung sagt Gott seinem Volk in Jesaja 40: „Blickt zum Himmel hinauf und schaut. Wer hat erschaffen, was ihr da seht? Er bestimmt die Zahl der Sterne, die aufgehen und nennt jeden bei seinem Namen. Durch seine große Kraft und die Fülle seiner Macht fehlt keiner von ihnen. Warum also sagst du, Jakob, und du, Israel: »Der Herr weiß nicht, wie es mir geht, und mein Recht ist ihm egal.«? Weißt du es denn nicht? Hast du denn nicht gehört? Der Herr ist ein ewiger Gott, der Schöpfer der ganzen Erde. Er wird nicht matt oder müde. Sein Verstand ist unergründlich.“ In der Glaubensgewissheit, dass Gott die ganze Welt in seiner Hand hält, ist es für mich besonders tröstlich, dass Gott mich auch in seiner Hand trägt. Und wenn mir das Wasser bis zum Hals steht, ist er bei mir und hält mich. Und wenn die Hitze der Herausforderungen und Belastungen mich schier verzweifeln lassen, dann wird er mich umgeben und in seiner Gegenwart bergen. Dann mag es tatsächlich so sein, dass mir die vorhin aufgezählten Umstände hart zusetzen, aber dann erlebe ich den Frieden und die Geborgenheit, wenn ich mich auf Gott einlasse und verlasse.

Lied: Oft hab ich Angst

Fürchte dich nicht! Der Vers aus Jesaja 43 gibt noch etliche weitere gute Gründe dafür, dass wir uns nicht fürchten sollen und müssen. Ein guter Grund steht gleich am Anfang in der Einleitung: Gott, der Herr, hat dich geschaffen und er hat dich gemacht. Spannend und aufschlussreich sind die Details bei den hier gewählten Worten. Gott hat dich geschaffen. Das Wort für „geschaffen“ beschreibt, dass Gott von der ersten Idee bis zur Erschaffung der alleinige Urheber ist. Das gilt für den gesamten Kosmos genauso wie für jeden einzelnen Mensch. Keiner von uns ist ein Zufallsprodukt oder eine Laune der Natur. Eine solche Kreation kann nur von Gott kommen. Wir Menschen können ja auch vieles schaffen und erfinden, planen und bauen. Aber das Leben überhaupt und die Tatsache, dass es dich gibt, das ist exklusiv und ausschließlich Gott zu verdanken. Das zweite Wort „gemacht“ sagt, dass Gott alles akribisch erdacht und ausgetüftelt hat. Herausgekommen bei seiner Tüftelei bist du, ein Unikat, auf das Gott sein Copyright hat. Und das alles gilt für Jakob. Welcher Jakob? Jakob ist der Stammvater des Volkes Israel. Aber immer, wenn Gott Israel mit „Jakob“ anspricht, dann erinnert er sein Volk und damit uns alle daran, dass wir Dreck am Stecken haben. Dann Gott spricht seine Leute auch mit „Israel“ an. Und der Name Israel ist die andauernde Erinnerung daran, dass Gott selbst sich für sein Volk einsetzt und für seine Menschen kämpft. Darum „Fürchte dich nicht“, denn Gott hat dich erfunden und auf dir liegt sein Copyright.

Lied: Vergiss es nie

Der nächste Grund, warum wir uns nicht fürchten sollen und müssen, lautet: Ich habe dich erlöst. Für die ersten Hörerinnen und Hörer hatte diese Zusage eine historische Bedeutung. Gott hatte die Juden aus der babylonischen Gefangenschaft befreit, er hat sie erlöst und ihnen die Rückkehr in ihr angestammtes Land ermöglicht. Darüber hinaus hat die Erlösung aber auch eine ganz wesentliche Beziehungskomponente. Gott hat sie erlöst, damit sie wieder Gottesdienste feiern können. Damit sie wieder gemeinsam sein Volk sein können. Und dann hat der Begriff der Erlösung noch einen viel weiteren Horizont. Denn Jesus, der Sohn Gottes, ist für uns zum Erlöser geworden. Nach altem Recht musste einer, der sich verschuldet hat, durch einen Verwandten von der Schuldenlast erlöst werden. Jesus ist für uns dieser Erlöser geworden, der mit seinem eigenen Blut und Leben für unsere Schuld bezahlt hat. Damit ist unser Verhältnis zu Gott wieder in Ordnung, es ist alles bezahlt, geklärt, bereinigt.

Manche werden jetzt einwenden und sagen, dass das aber doch nur für die gilt, die die Vergebung, Versöhnung, Erlösung auch annehmen. Ja, das stimmt schon. Aber lasst uns trotzdem staunend festhalten, dass Jesus nicht gefragt hat, ob es sich auch lohnt, für die Menschen ans Kreuz zu gehen, obwohl viele das Angebot der Erlösung eventuell, vielleicht oder ziemlich sicher nicht in Anspruch nehmen. Sondern voraussetzungs- und bedingungslos hat Jesus sein Leben für uns alle, für wirklich alle dahingegeben. So steht Gott zu uns. Deswegen muss sich keiner mehr fürchten, deswegen muss keiner mehr Angst haben vor Gott. Denn er hat uns erlöst.

Lied: Er ist der Erlöser

Einen nächsten Grund für das „Fürchte dich nicht“ lesen wir: Ich habe dich bei deinem Namen gerufen. Diese Aussage müssen wir uns etwas genauer anschauen, damit wir in ihr eine tröstende Zusage entdecken. Auf den ersten Blick empfinden wir den Trost darin, dass Gott uns persönlich kennt und uns auch persönlich anspricht. Und das ist ja auch so. Bei ihm sind wir keine Nummer, kein anonymes Lebewesen, sondern unverwechselbare Menschen mit einem ganz eigenen Namen. Die Betonung aber und das Mutmachende liegt da, dass Gott uns überhaupt anspricht, dass er uns anruft. Gott will mit uns Menschen Kontakt aufnehmen will. Der Herzenswunsch Gottes ist es, einen Menschen so anzusprechen, dass der sich auch angesprochen fühlt. Gott will uns also auf keinen Fall erschrecken oder in die Flucht treiben. Sondern damit der Mensch hinhört, zuhört und Gott seine Aufmerksamkeit schenkt, spricht Gott einfühlsam und persönlich. Und nicht nur so ganz allgemein, sondern er spricht uns mit Namen an. Damit bekundet Gott, dass er uns kennt. Die Betonung liegt also darauf, dass Gott uns gerufen, angesprochen hat, dass er in Beziehung zu uns getreten ist. Und bei dieser Kontaktaufnahme hat er uns ganz persönlich angesprochen und gemeint. Ja, das kann man wirklich erfahren. Gott meint mich ganz persönlich. Hier stoße ich an die Grenzen der Erklärbarkeit. Ich kann euch das nicht vormachen oder irgendwie experimentell plausibel machen. Aber ich kann uns ermutigen, aufmerksam und offen für das Reden Gottes zu sein.

Dann hören wir schließlich auch noch den vierten Grund, warum wir uns nicht fürchten sollen und müssen: du bist mein! Wer noch die ersten Argumente für Furchtlosigkeit noch im Kopf hat, für den ist dieser letzte Aspekt ganz logisch. Denn wenn Gott uns geschaffen hat und sein Copyright auf uns liegt, wenn er uns erlöst hat für das Leben mit ihm, wenn er uns in seine Beziehung gerufen hat, dann ist doch logisch, dass wir ihm gehören. Oder? Eigentlich ja. Aber auf das Logische, das Selbstverständliche müssen wir immer wieder neu gestoßen werden. Denn das vergessen wir gar zu leicht. Dabei ist das so tröstlich, dass wir IHM gehören. Denn damit hat Gott auch Verantwortung für uns übernommen. Wenn der Teufel uns verklagen oder uns ihm entreißen will, dann sagt Gott zu ihm: „Finger weg, die gehört mir! Hör auf, auch für den ist mein Sohn gestorben. Sie sind meine Kinder. Ich habe sie in meine Obhut genommen. Sie gehören mir.“ Wenn Gott dir sagt: „Du bist mein!“ dann ist das die Zusicherung, dass er mich auch festhält und bei sich hält. Er sagt: Ich wache über dich, ich begleite und ich leite dich!

Du bist mein, das heißt auch, dass Gott uns ins Herz geschlossen hat. Denn in der Regel bedeutet das besitzanzeigende Fürwort „mein“ im Verhältnis von Menschen, dass da eine innige Beziehung besteht: mein Ehepartner, meine Kinder, meine Eltern, meine Geschwister. Weil Gott sich uns als unser himmlischer Vater vorstellt und uns auch als solcher begegnet, ist seine Aussage „Du bist mein“ Ausdruck seiner Liebe zu uns. „Du bist nämlich mein Kind!“ sagt Gott zu dir.

Unsere Reaktion kann dann gar nicht gleichgültig sein, sondern kann dann nur so sein, dass wir sagen: Danke, Vater, ich bin gerne dein Kind. Danke, dass du dich um mich kümmerst. Danke, dass du mich kennst, dass du mich hineingerettet hast in deine Liebe. Danke, dass du mich wunderbar gemacht hast. AMEN

 

Lied: Und wollte alles wanken (GL 483)