Liebe ist nicht alles. Aber ohne Liebe ist alles nichts

 

Liebe Gemeinde!

 

„Liebe ist nicht alles. Aber ohne Liebe ist alles nichts.“ So habe ich die Predigt überschrieben. Ganz ähnlich klingt der weltberühmte Beatles-Song „All you need is love.“ Das sind schon steile Aussagen. Aber es stimmt ja. Ohne Liebe sind wir nichts. Wir sind Beziehungswesen. Wir sind auf Liebe angewiesen. König Friedrich II. ließ im 18. Jahrhundert ein äußerst brutales Experiment durchführen. Er ließ kleine Kinder ohne liebevolle Zuwendung aufwachsen. Die Betreuerinnen haben alles für die Säuglinge getan, um deren körperlichen Bedürfnisse zu stillen, sie haben sie gefüttert, gewaschen, gewickelt. Aber darüber hinaus gab es nichts: keine liebevolle Berührung, keine Umarmung, keine lieben Worte, keine emotionale Nähe. Das tragisch-traurige Ergebnis war, dass alle diese kleinen Kinder innerhalb kürzester Zeit starben.

 

Wir sind existenziell darauf angewiesen, geliebt zu werden, und es ist unsere Bestimmung und Berufung, andere zu lieben. Ich gehe mal davon aus, dass wir alle nur zu gut wissen, wie wichtig es ist, zu spüren, zu hören und zu erfahren, dass wir angenommen, wertgeschätzt und geliebt sind.

 

Von diesem Lebenselixier Liebe spricht der Predigttext aus dem ersten Brief, den der Apostel Paulus an die Christen in Korinth geschrieben hat. Ich lese uns den Text aus der Bibelübersetzung von Hans Bruns vor.

 

1. Wenn ich in höchsten Tönen der Menschen oder in der Sprache der Engel reden könnte, wäre aber ohne Liebe, so wäre ich nur ein tönendes Erz oder eine klingende Schelle. 2 Wenn ich die Gabe prophetischer Rede besäße und wüsste alle Geheimnisse und hätte alle Erkenntnisse und hätte allen Glauben, so dass ich Berge versetzen könnte, wäre aber ohne Liebe, so wäre ich eine Null. 3 Wenn ich mein ganzes Hab und Gut (an die Armen) verteilte und würde auch meinen Leib dem Feuertod preisgeben, wäre aber ohne Liebe, es wäre völlig wertlos für mich. 4 Die Liebe ist langmütig und freundlich. Die Liebe ist nicht neidisch und prahlt nicht. Sie tut nicht groß und ist nicht aufgeblasen. 5 Sie verletzt nicht den Takt, sie ist frei von Selbstsucht. Sie kennt keine Bitterkeit, sie trägt nichts Böses nach, 6 sie hat keinen Gefallen am Unrecht, sie freut sich aber der Wahrheit. 7 Alles trägt sie, alles glaubt sie, alles hofft sie, alles duldet sie. 8 Die Liebe vergeht nie. Seien es Gaben der prophetischen Rede - sie werden ein Ende haben; seien es Sprachen - sie werden aufhören; sei es Erkenntnis - sie wird bedeutungslos. 9 Denn nur Teile (der Wahrheit) erkennen wir, nur Bruchteile können wir weissagend verkündigen. 10 Wenn aber das Vollkommene in Erscheinung tritt, dann sind alle Teilwahrheiten überwunden. 11 Als ich ein Kind war, redete ich wie ein Kind, dachte wie ein Kind und urteilte wie ein Kind. Als ich ein Mann wurde, habe ich das kindische Wesen abgetan. 12 Denn jetzt sehen wir alles nur wie in einem Spiegel, und darum bleiben viele Rätsel. Einst aber (werden wir ihn sehen) von Angesicht zu Angesicht. Jetzt erkenne ich nur Teilwahrheiten, dann aber werde ich alles erkennen, wie ich auch völlig erkannt worden bin. 13 Jetzt aber bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei; aber die größte unter ihnen ist die Liebe.

 

Ein ausgesprochen beliebter Text bei Trauungen. Und darum ein weithin bekannter Text. Allerdings besteht ein Problem und eine Herausforderung darin, dass der Begriff Liebe geradezu inflationär gebraucht wird. Und gibt so viele eigenwillige Definitionen und missbräuchliche Verwendungen des Wortes Liebe. Wenn die Schlagersternchen was von Liebe säuseln, dann ist das was anderes als das, worauf ein Ehepaar an der goldenen Hochzeit zurückblickt. Es gibt die Herz-Schmerz Liebe und die, die alles durch die rosarote Brille sieht. Manche sagen Liebe, meinen aber nur ihre Lustbefriedigung oder den eigenen Vorteil. Deswegen ist es nötig, dass wir uns darüber im Klaren sind, was mit Liebe gemeint ist. Der Apostel spricht hier von der exklusiven „Agape“. Dieser griechische Begriff meint die uneigennützige Liebe, die von Gott kommt. Es ist die Liebe, die das Wohl des anderen sucht und mit aller Kraft anstrebt. Bei dem Wort „Agape“ geht es nicht nur um Gefühl, sondern um den Willen und um die aktive Bewegung auf den anderen zu. Denn „Agape“ ist für den anderen, nicht gegen ihn. Sie sagt und lebt: „Du liegst mir am Herzen. Ich will dir Gutes tun und dir guttun.“ Damit ist sie weitaus mehr als ein liebreizendes Gefühl und eine liebliche Sympathiebekundung an einen netten Menschen. Sondern die Agape ist eine Haltung, eine Herzenseinstellung. Darum fragt der Apostel Paulus nicht nur danach, wie wir in Liebe persönlich miteinander umgehen. Sondern er fragt danach, wie und mit welcher Herzenshaltung wir das tun, was wir tun. Was ist die Motivation meines Handelns? Was ist die Intention, die Absicht meines Tuns? Die ersten Adressaten dieser Ausführungen des Paulus sind die Leute in einer sehr engagierten und aktiven Gemeinde in Korinth. Die waren fleißig und umtriebig, die hatten ganz tolle Fähigkeiten und herausragende Begabungen. Paulus attestiert ihnen, dass sie reich sind an geistlicher Erkenntnis und an geistlichen Gaben. Sie sind eine echt charismatische Gemeinde. Aber bei all dem gibt es in der Gemeinde Überheblichkeit und Stolz, Neid und Zorn, Schadenfreude und mimosenhaftes beleidigt Sein. Deswegen schreibt Paulus in den ersten drei Versen, dass auch die herausragendsten geistlichen Gaben und die brillantesten Fähigkeiten nichts nützen und nichts bedeuten, wenn sie nicht aus Liebe und nicht mit Liebe eingesetzt werden. Weil er aber in dieser Aufzählung immer nur pauschal das Wort Liebe („Agape“) verwendet, entfaltet er in den Versen 4-7 insgesamt 15 Eigenschaften der Liebe. Ihr habt die Auflistung der 15 Eigenschaften auf dem Zettel vor euch (bzw findet sie auf der Seite 4). Und bevor es mit der Predigt weitergeht habe ich eine Aufgabe an euch: Tragt bitte in der rechten Spalte ein, was das gerade Gegenteil zu den positiven Merkmalen von Liebe ist! In der linken Spalte stehen übrigens immer zwei Übersetzungsvariationen der griechischen Formulierungen, die Paulus verwendet hat.

 

Schreibpause

 

Den nun folgenden Teil der Predigt gestalten wir zusammen. Ich beginne einen Satz und ihr ergänzt ihn mit einem negativen Attribut, also mit einer Eigenschaft, die genau das Gegenteil von Liebe ist. Ich mache ein Beispiel: Wenn ich eine herausragende prophetische Gabe hätte, aber stolz, herablassend und aufgeblasen damit in der Gemeinde auftreten würde, wäre das alles nutzlos.

 

  • Wenn ich die beste Mitarbeiterin in der Kinderstunde wäre, aber ….
  • Wenn ich die Weisheit mit Löffeln gefressen hätte, aber ….
  • Wenn ich die Bibel von A bis Z kenne und alles weiß, aber ….
  • Wenn ich materiell wohlhabend wäre und ganz viel Geld spenden würde, aber ….
  • Wenn ich die perfekte Reinigungskraft in den Gemeinderäumen wäre, aber ….

 

Ich breche hier ab. Es bleibt eurer Kreativität und Fantasie überlassen, weitere praktische und realistische Beispiele zu finden, die deutlich machen, dass Liebe zwar nicht alles ist, aber ohne Liebe ist alles nichts.

 

Bei all den Beispielen und Aufzählungen geht es um die Beziehung und Einstellung Menschen gegenüber. Hier ertappe ich mich immer wieder, dass ich in der Haltung anderen gegenüber ungeduldig und stolz, beleidigt und zornig bin. Es bleibt nicht aus, dass ich mit einer hämischen Schadenfreude die Fehler von anderen zur Kenntnis nehme. Und wenn mir was nicht in den Kram passt, dann kann ich auch mal ungehalten und unerträglich werden. Ein Grundmisstrauen bestimmten Menschen gegenüber kenne ich ebenso wie den Gedanken, dass bei dieser oder jener Person Hopfen und Malz verloren ist. Und das beschämt mich, weil ich weiß, dass ich mich damit schuldig mache, denn ich bleibe die Liebe schuldig. Und da bin ich sehr froh, dass ich um Vergebung bitten kann und dass ich Gott bitten darf: Gib mir Liebe ins Herz!

 

Aber ihr Lieben, ein Gedanke treibt mich doch noch um, wenn ich über diesen Text und die Liebe und den Umgang miteinander nachdenke. Denn es ist nun mal nicht so einfach zu sagen, dass alles gut ist, wenn wir uns nur gegenseitig alle schön liebhaben. Was ich damit meine will ich mit einem simplen Beispiel verdeutlichen. Meine Frau arbeitet in der Grundschule in der Betreuung und beobachtet zwei Mütter, die ihre Kinder abholen. Beide Mütter tragen ihrem Kind den Schulranzen. Wenn Christa das beobachtet, dann runzelt sie die Stirn. Und dann spricht sie die besagten Mütter darauf an, dass es den Kindern durchaus zuzumuten ist, den ergonomisch perfekt geformten und teuren Schulranzen zu tragen und für die Rückenmuskulatur in Ordnung ist. Dann bekommt sie von beiden Mütter die Antwort: „Aber ich hab mein Kind doch so lieb!“ Die eine tut es aus Liebe, weil ihr Kind sich den Fuß verknackst hat und der Ranzen ziemlich schwer ist. Die andere tut es, weil ihr gesundes Kind wie selbstverständlich davon ausgeht, dass die Mutti den Ranzen ja trägt.

 

Liebe bedeutet eben gerade nicht, immer klein beizugeben, alles hinzunehmen und zu schlucken und zu allem Ja und Amen zu sagen. Es wäre ein Ausdruck von Liebe, wenn die zweite Mutter es ihrem Kind zumutet, den Ranzen selbst zu tragen. Und es ist ein Ausdruck von Liebe, auf Dummheiten oder Frechheiten zu reagieren. Es ist ein Liebesbeweis, jemanden in die Schranken zu weisen und Grenzen aufzuzeigen. In unserer Familie hatten wir mit den drei Kindern harte Auseinandersetzungen und heiße Diskussionen und brisante Streitgespräche. Dabei haben wir Eltern Fehler gemacht, keine Frage. Aber wir haben versucht, vertrauensvoll und geduldig, langmütig und ohne Verbitterung, anständig und ohne Überheblichkeit mit ihnen umzugehen.

 

Und noch eine weitere Herausforderung will ich euch benennen, die mir begegnet, wenn ich die Liebe leben und praktizieren will. Ich stoße an meine Grenzen. Ich kann nicht mehr. Es zehrt mich aus, es überfordert mich. „Die Liebe erträgt alles“, heißt es. Aber ich habe die Kraft nicht mehr. „In jeder Lage vertraut und hofft die Liebe für andere.“ Aber ich habe die Hoffnung aufgegeben. „Die Liebe erduldet alles und sie hat Ausdauer.“ Aber ich bin mit meiner Geduld am Ende. Und ich muss darauf schauen, dass ich mich selbst schütze und nicht vergesse, mich selbst auch zu lieben.

 

Ich spreche das in aller Aufrichtigkeit an, damit wir nicht meinen, dass alles gut ist, wenn wir den Nächsten nur genug lieben.

 

Deswegen bleibt es nicht aus, dass wir an der Liebe immer wieder scheitern. Darum sind wir auf den angewiesen, der die Liebe in Person ist. Und von dem spreche ich abschließend. Ich spreche von Jesus und tue das so, dass ich uns die ersten sieben Verse des Predigttextes noch einmal vorlese. Aber für den Begriff Liebe setze ich ihn, Jesus, ein.

 

1. Wenn ich in höchsten Tönen der Menschen oder in der Sprache der Engel reden könnte, hätte aber Jesus nicht, so wäre ich nur ein tönendes Erz oder eine klingende Schelle. 2 Wenn ich die Gabe prophetischer Rede besäße und wüsste alle Geheimnisse und hätte alle Erkenntnisse und hätte allen Glauben, so dass ich Berge versetzen könnte, wäre aber ohne Jesus, so wäre ich eine Null. 3 Wenn ich mein ganzes Hab und Gut (an die Armen) verteilte und würde auch meinen Leib dem Feuertod preisgeben, wäre aber ohne Jesus, es wäre völlig wertlos für mich. 4 Jesus ist langmütig und freundlich. Jesus ist nicht neidisch und prahlt nicht. Er tut nicht groß und ist nicht aufgeblasen. 5 Er verletzt nicht den Takt, er ist frei von Selbstsucht. Jesus kennt keine Bitterkeit, er trägt nichts Böses nach, 6 er hat keinen Gefallen am Unrecht, er freut sich aber der Wahrheit. 7 Er gibt niemanden auf, in jeder Lage vertraut und hofft er für andere, er duldet alles mit Ausdauer.

 

Nach diesem Jesus und seiner Liebe will ich mich ausstrecken, von ihm will ich mich beschenken lassen. Der Bestimmung und Berufung, so zu lieben, will ich nach besten Kräften nachkommen.

 

AMEN

 

 

 

Eigenschaften der Liebe nach 1. Korinther 13
Die Liebe ist das Gegenteil davon
Die Liebe ist langmütig
die Liebe ist geduldig
 
die Liebe ist gütig
die Liebe ist freundlich
 
sie neidet nicht
sie ist nicht eifersüchtig
 
die Liebe tut nicht groß
sie prahlt nicht
 
sie bläht sich nicht auf
sie spielt sich nicht auf
 
sie benimmt sich nicht unanständig
sie ist nicht unverschämt
 
sie sucht nicht das Ihre
sie sucht nicht den eigenen Vorteil
 
sie lässt sich nicht erbittern
sie ist nicht reizbar
 
sie rechnet Böses nicht zu
sie trägt das Böse nicht nach
 
sie freut sich nicht über die Ungerechtigkeit
sie ist nicht schadenfroh,
wenn anderen Unrecht geschieht
 
sondern sie freut sich mit der Wahrheit
sie freut sich aber, wenn die Wahrheit siegt
 
sie erträgt alles
sie gibt nicht jemanden auf
 
sie glaubt alles
in jeder Lage vertraut sie für andere
 
sie hofft alles
in jeder Lage hofft sie für andere
 
sie erduldet alles
sie hat Ausdauer