Predigt über Markus 12,41-44
Die große Gabe der Hingabe

 

Liebe Gemeinde,

meine Nichte hat einen jungen Mann geheiratet, dessen Eltern aus der Türkei nach Deutschland eingewandert sind. Bhatin ist hier geboren, in die Schule gegangen, hat hier seine Ausbildung gemacht und verdient hier sein Geld. Bei der Hochzeit aber, da ging es noch sehr traditionell türkisch zu. Das hat man an der ganzen Gestaltung der Feier gemerkt, aber besonders augenfällig war es bei der Präsentation der Hochzeitsgeschenke. Braut und Bräutigam standen vorn auf der Bühne, und die Gäste wurden aufgefordert, dem Brautpaar die Geschenke zu überreichen. Die Braut hat ganz viel Goldschmuck geschenkt bekommen: Armreife, Halsketten, Fußkettchen, Ohrringe und so weiter. Der Bräutigam hat Bargeld geschenkt bekommen. Der Clou war, dass ein Verwandter von Bhatin laut durchs Mikrofon verkündigt hat, wie der Schenkende zum Brautpaar steht und worin das Geschenk besteht. Der Bruder des Bräutigams schenkt einen golden Armreif und 500 Euro! Ah! Oh! Sehr schön. Die Schwester der Braut schenkt eine feingliedrige Kette und ebenfalls 500 Euro. Ah! Oh! Sehr schön. Der Vater des Bräutigams schenkt 2000 Euro und die Mutter schenkt ein Collier aus Weißgold. Ah! Oh! Sehr schön. Applaus. Als ich an der Reihe war, wurde ich gefragt: Der Onkel der Braut macht ein Geldgeschenk.

Ganz ähnlich stelle ich mir die Szene vor der Szene des Predigttextes vor. Jesus ist mit seinen Schülern im Tempel, einem gewaltigen Bauwerk voller Glanz und Pracht. Tausende Menschen kommen jeden Tag hier her, um zu opfern, zu spenden und zu beten. Insgesamt 13 große Geldbehälter sind auf dem Gelände verteilt aufgebaut. Das waren aber nicht so kleine Opferdosen mit einem Schlitz, sondern das waren große Opferstöcke aus Metall, so dass man sehr laut und eindrücklich hören konnte, wieviel Geld eingeworfen wurde. Aber nicht nur das, sondern es ging tatsächlich zu wie bei der türkischen Hochzeit: vor dem Geldbehälter tat ein Priester Dienst, dem die Summe genannt wurde. Und der Priester hat dann tatsächlich hinausposaunt, wie groß die jeweilige Spende gewesen ist. Ah! Oh! Sehr schön. Damit kann man schon Eindruck machen! „Da schau her, so ein frommer Mensch, der lässt sich den Glauben was kosten!“ Der Geehrte genießt natürlich die Aufmerksamkeit und sonnt sich in der Bewunderung der anderen. Wenn aber ein Tagelöhner oder eine arme Witwe kommt und nur Centbeträge in den Kasten wirft, dann ist das nicht der Rede und schon gar nicht der Bewunderung wert. Aber an diesem Tag, da ist das, was eine Witwe opfert, Jesus eine Rede wert.

„Und Jesus setzte sich dem Gotteskasten gegenüber und sah zu, wie das Volk Geld einlegte in den Gotteskasten. Und viele Reiche legten viel ein. Und es kam eine arme Witwe und legte zwei Scherflein ein; das ist ein Heller. Und er rief seine Jünger zu sich und sprach zu ihnen: Wahrlich, ich sage euch: Diese arme Witwe hat mehr in den Gotteskasten gelegt als alle, die etwas eingelegt haben. Denn sie haben alle von ihrem Überfluss eingelegt; diese aber hat von ihrer Armut ihre ganze Habe eingelegt, alles, was sie zum Leben hatte.“

Was ist für euch auf den ersten Blick die Lehre, die wir aus dem Text ziehen sollen? Was ist wie man so schön sagt die Moral von der Geschichte?

- „Gib alles, was du hast!“

- „Wenn du voller Hingabe gläubig bist, dann darfst du nichts für dich behalten, alles für den Herrn!“

- „Du musst ein Leben in absoluter Armut führen, wenn du in vertrauensvoller Hingabe lebst!“

Ist es das wirklich? Ich will uns den Text in vier Gedankengängen entfalten und dabei auch auf die eben genannten vorschnellen Rückschlüsse eingehen.

1.             Bei Gott zählt nicht der materielle Reichtum

Ich vermute, dass die meisten von uns eine kritische Distanz zu den Superreichen haben, die mit ihren Statussymbolen protzen: mein Haus, mein Auto, meine Jacht, mein Nummernkonto in der Schweiz. Nein, solche Angeber sind uns wahrscheinlich kein Vorbild und auch kein Gradmesser. Aber das andere Extrem ist auch nicht erstrebenswert. Keiner mag von der Hand in den Mund leben. So ein gutes Mittelmaß, das ist doch was, das ist durchaus erstrebenswert. Wenn wir mit dem Einkommen auskommen, dann wollen wir zufrieden sein. Machen wir uns nichts vor: Status, Sicherheit und Zufriedenheit können viele nicht unabhängig vom Kontostand denken. Und wenn wir dann auch noch aus einer Haltung der Großzügigkeit von dem Geld abgeben und spenden können, dann fühlen wir uns gut. Und wir haben den Eindruck, dass Gott auch mit uns zufrieden ist.

Das alles ist auch überhaupt nicht verkehrt, wenn wir nicht unser ganzes Leben darauf bauen und unsere Sicherheit und unseren Halt nicht im materiellen Besitz suchen. Denn egal, ob wir nun reich sind wie Rockefeller oder arm wie eine Kirchenmaus: Geld und materieller Besitz machen nicht zufrieden. Besagter John Rockefeller war zu Beginn des 20. Jahrhunderts der reichste Mann der Welt. Er wurde einmal gefragt: „Wie viele Millionen braucht es, bis ein Mensch zufrieden ist?“ Rockefellers Antwort: „Immer noch eine weiter dazu ….“

Besitz und Geld machen uns im tiefsten Inneren nicht zufrieden und Gott können wir damit erst recht nicht beeindrucken. Im Gegenteil. Jesus hatte seinerzeit etliche Begegnungen mit wohlhabenden Menschen. Und denen stand der Besitz ihrer ganzen Hingabe an Gott im Weg. Darum schauen wir uns nun die arme Witwe und ihr Tun etwas genauer an.

2.             Bei Gott zählt ganze Hingabe

Die Frau gibt zwei kleine Münzen in den Opferkasten. Bei der Währungsbezeichnung Lepta handelt es sich um die kleinste jüdische Münze. Eine normale Mahlzeit war sechs von diesen Münzen wert. Die Frau hat zwei. Sie gibt beide. Sie teilt nicht auf. Sie gibt nicht eine Münze als Opfer für den Tempel und behält die andere für sich als Notgroschen. Nein, sie gibt offenbar ihren letzten Cent. Die Umstehenden haben das überhaupt nicht registriert oder nur geringschätzig wahrgenommen. Jesus aber sagt: Diese arme Witwe hat mehr gegeben als alle anderen. Natürlich weiß Jesus auch, dass zwei Lepta viel weniger ist als 50 Denare. Aber im Gegensatz zu manch anderen konnte Jesus Prozentrechnen. Und er wusste sehr gut, dass 50 Denare von 500 Denaren Wochenverdienst nur 10 % sind, während 2 Lepta von 2 Lepta Gesamtvermögen 100 % sind. Was tut also die Witwe? Sie vertraut sich mit ihrem GANZEN Vermögen Gott an. Sie gibt sich mit allem, was sie ist und hat, Gott hin. Und diese Hingabe lobt Jesus, denn die zählt bei Gott.

Aber ist solche bindungslose Hingabe nicht ganz und gar verantwortungslos? Das ist doch geradezu fahrlässig, was die Frau da macht! Und schon kommen die Fragen hoch, die ich eingangs gestellt habe. Sollen wir das etwa auch so machen und Gott unser ganzes Geld überlassen und es an eine christliche Organisation spenden? Sollen wir die Armut als das Ideal wählen? Achten wir aber doch mal darauf, was Jesus im Anschluss an der hingebungsvolle Tun der Witwe NICHT sagt! Er kritisiert die reichen Spender mit keiner Silbe. Er sagt nicht, dass sie im Vergleich mit der Frau viel zu wenig gespendet haben. Und er fordert seine Jünger auch nicht auf, es genau so zu machen wie die Witwe und ihr ganzes Hab und Gut für Gott zu geben. Jesus verheißt auch nicht, dass alle, die so ein großes Opfer bringen, ganz bestimmt in den Himmel kommen. Das alles sagt er nicht. Aber die vertrauensvolle Hingabe der Frau, die sollen wir leben, das sollen wir tun. Sie hat von ihrer Armut ihre GANZE Habe eingelegt. Damit hat sie Gott von GANZEM Herzen, von GANZER Seele und von GANZEM Gemüt und von allen Kräften geliebt. Das ist das größte Gebot, das hat Jesus kurz vorher den Schriftgelehrten und uns ins Stammbuch geschrieben. Darum soll es auch uns gehen.

Wenn ich das tue und GANZ auf meinen Herrn und Retter Jesus Christus vertraue, dann kann ich auch eine Lebensversicherung abschließen, mit der ich meine Angehörigen begünstige. Und ich kann auf Jesus Christus GANZ vertrauen und mich gegen Corona impfen lassen. Und im gläubigen Vertrauen auf Jesus spare ich und lege eine Rücklage an – und spende zugleich mindestens 10 % meines Einkommens. Denn mit allem, was ich bin und habe, was ich tue und kaufe, womit ich Vorsorge treffen und was ich plane will ich mich Gott mit ganzem Herzen, mit ganzer Seele, mit meiner ganzen Denkkraft anvertrauen und an ihn hingeben. Und das kann jeder, ein Rockefeller und ein armer Schlucker.

3.             Bei Gott zählt auch die noch so kleine Gabe

Die Witwe hätte ja auch folgendermaßen denken können: „Ach, was sind meine zwei kleinen läppischen Lepta im Vergleich zu den Goldmünzen und Denaren der anderen? Das lohnt sich ja nun überhaupt nicht. Und außerdem fällt das nicht auf, wenn ich nichts gebe. Es fällt weder auf, wenn abends die Spenden zusammengezählt werden, noch fällt es den Leuten auf, ob ich was gebe oder nicht. Auf die zwei Kupfermünzen kommt es nun wirklich nicht an.“ Ich kenne Menschen, die ganz ähnlich denken. Aber bei denen geht es nicht um Gaben in Form von Geld, sondern um Begabungen und die Form der Mitarbeit und des Einsatzes in der Gemeinde. Die zögern und zweifeln, ob sie überhaupt was können und ob sie die Zeit dafür haben und dass es andere gibt, die das eh besser können. Und dann sagen sie sich, dass es auf sie ja auch gar nicht ankommt.

Ganz anders hat die Witwe gedacht und gehandelt. Sie hat darauf vertraut, dass Gott auch aus kleinen Gaben große Dinge wachsen lassen kann. Was wir einbringen ist niemals zu wenig, wenn Gott seinen Segen darauf legt. Martin Luther hat mal gesagt: „Oft macht Gott einen Strohhalm schwerer als 100 Zentner Blei.“

Und andere sind der Meinung, dass nicht nur ihre Gaben und Begabungen wer weiß wie klein und mickrig sind, sondern auch ihr Glaube erscheint ihnen so klein und so unbeholfen. Aber auch hier gilt, dass Gott sich über alles freut, was wir ihm entgegenbringen, was wir ihm anvertrauen, weil wir ihm vertrauen. Und dann kann er einen kleinen Glauben wachsen und groß werden lassen.

Schließlich will ich uns noch eine Frage weitergeben:

4.             Was ist mir mein Glaube wert?

Im Zusammenhang mit unserem Bibeltext des heutigen Sonntags gibt es folgende kleine, nette Geschichte. Ein Pfarrer ging in seiner Gemeinde von Haus zu Haus, um Spenden für die Kirchenrenovierung zu sammeln. Eine wohlhabende Dame reagierte auf seine Bitte mit den Worten: „Ich will gerne was geben, wenn Sie mit der Gabe der armen Witwe zufrieden sind!?“ Darauf der Pfarrer: „Mit so viel habe ich nicht gerechnet, nein, das kann ich doch nicht annehmen!“ „Warum denn das, ich verstehe nicht“ kam es von der Frau zurück. „Nun, die Witwe damals im Tempel – und die meinen Sie doch, nicht wahr? – die hat alles gegeben, was sie hatte, sozusagen ihren ganzen Besitz.“ Da wurde die Dame sichtlich verlegen und sagte: „Oh, das wusste ich nicht, nein, so viel wollte ich wirklich nicht spenden.“

Was ist mir der Glaube wert? Stelle ich Gott meine Begabungen zur Verfügung? Bin ich bereit, auch von meinem Geld und Besitz abzugeben? Bringe ich gern für ihn ein Opfer oder gebe ich von meinem Geld nur eine milde Gabe? Was ist mein Glaube mir wert? Diese Frage betrifft aber nicht nur die Begabungen und die Gaben, sondern auch den Mut, zu Gott zu stehen und Jesus Christus zu bekennen. Ja, das kostet sicher Überwindung, anderen zu erzählen, dass die Gemeinschaft mit Jesus mein Leben sinnvoll und wertvoll macht. Die arme Witwe hat es auch Überwindung gekostet, beide Münzen in die Geldbehälter zu werfen. Auch wir sollen uns dazu durchringen, den Mund aufzumachen und nicht von dem zu schweigen, was uns Jesus bedeutet. Was ist mein Glaube mir wert? Wenn uns doch etwas ganz wichtig und wertvoll ist, dann scheuen wir weder Kosten noch Mühen, das zu tun und uns dafür zu engagieren. Wenn mir ein lieber Mensch wichtig ist, dann tue ich alles, um ihm zu helfen oder ihn zu erfreuen. Wenn Gott mir wichtig ist, dann will ich gerne alles tun, was ihn ehrt, was ihm entspricht, was ihn erfreut und was eine angemessene Antwort auf seine Größe und Herrlichkeit ist.

Darum wollen wir tatsächlich mit dem nächsten Lied auf das Gehörte antworten.

Lied: „Ein Leben gegeben für den Herrn der Welt.“