1. Petrus 4,7-11

 

 

 

Wir hören auf den Predigttext:

 

Es ist aber nahe gekommen das Ende aller Dinge. So seid nun besonnen und nüchtern zum Gebet. Vor allen Dingen habt untereinander beständige Liebe; denn »die Liebe deckt auch der Sünden Menge« (Sprüche 10,12). Seid gastfrei untereinander ohne Murren. Und dient einander, ein jeder mit der Gabe, die er empfangen hat, als die guten Haushalter der mancherlei Gnade Gottes: Wenn jemand predigt, dass er's rede als Gottes Wort; wenn jemand dient, dass er's tue aus der Kraft, die Gott gewährt, damit in allen Dingen Gott gepriesen werde durch Jesus Christus. Sein ist die Ehre und Gewalt von Ewigkeit zu Ewigkeit! Amen.

 

 

 

Liebe Gemeinde!

 

Das ist ja mal eine Aussage: „Es ist aber nahe gekommen das Ende aller Dinge.“ Es gab Zeiten, da hätten die meisten Menschen über diese Aussage geschmunzelt. Es gab aber auch Epochen in der Historie, in denen weite Teile der Bevölkerung nicht das nahende Ende vor Augen hatten, sondern sie haben gesagt: „Das ist das Ende!“ Wir heute, im Sommer 2021, können nicht mehr ignorieren, dass wir uns in einer Zeit befinden, in der das Ende aller Dinge immer möglicher wird und uns immer näherkommt. Die Umstände sind doch hinlänglich bekannt: von der Corona Pandemie über gravierende Schäden in den Wäldern bis hin zu den Unwetter- und Flutkatastrophen. Und das sind nur drei Stichworte, die wie die Spitze des Eisberges offensichtlich sind. Aber es gibt noch unfassbar viel mehr Katastrophen, die uns alle mehr oder weniger bedrohen. Weltweit sind 82,4 Millionen Menschen auf der Flucht wegen Krieg, Verfolgung, Menschenrechtsverletzungen. Laut der Hilfsorganisation Open Doors werden über 300 Millionen Christen bedrängt, verfolgt und aufgrund ihres Glaubens diskriminiert. Die Auswirkungen der klimatischen Veränderungen sind offensichtlich: Gletscher und das Polareis schmelzen in rasantem Tempo, der Meeresspiegel steigt kontinuierlich, und so weiter und so fort. „Es ist aber nahe gekommen das Ende aller Dinge.“ Diese Aussage ist erschreckend aktuell. Wie gehen wir denn nun damit um? Ich beschreibe mal extrem negative Reaktionen von Menschen, die durch all die katastrophalen Entwicklungen hochgradig gestresst sind: sie fangen an zu fluchen und zu zedern und zu lamentieren; sie werden äußerst unbarmherzig und wütend auf alle und alles; sie werden egoistisch und rücksichtslos. Ich gebe zu, dass die Beschreibung sehr krass ist. Sicher gibt es Abstufungen und weniger radikale Reflexe auf so schreckliche Ereignisse.

 

Aber wir können zum Glück auch erleben, dass Menschen sehr besonnen und nüchtern, achtsam und diszipliniert reagieren. Sie gehen mit den anderen barmherzig und nachsichtig um und tragen ihnen nicht jedes kleine Vergehen nach. Und sie dienen und leisten ihren Beitrag, damit die Not gelindert und die Ursachen behoben werden können.

 

In diese Richtung zielen die Hinweise und Ermahnungen, die wir dem Predigttext entnehmen. Ich habe einen Dreiklang entdeckt, den ich uns im Folgenden etwas entfalten will:

 

1) beten; 2) lieben; 3) dienen.

 

1.             Beten

 

Für manche ist Beten so etwas wie der allerletzte Notnagel. „Da hilft nur noch beten“. Denn „Not lehrt beten“. Wenn das der Fall ist, dann ist das ja auch gut so. Wenn die Not und die Schrecken, wenn die Belastungen und die Sorgen, wenn die Ängste und die Ausweglosigkeiten uns dazu treiben, dass wir endlich mal wieder mit Gott in Verbindung treten, dann ist das doch ok. Gott fordert uns ja dazu auf: „Rufe mich an in der Not!“ Aber dabei soll und muss es nicht bleiben. Denn beten ist so viel mehr als eine Art Notrufsäule, die wir nur dann gebrauchen, wenn wir selbst nicht mehr weiterwissen und wir keinen Ausweg mehr sehen. Das würden wir als Eltern oder Freunde auch nicht schätzen, wenn wir nur dann angesprochen werden, wenn Not am Mann ist. Vielmehr ist beten die privilegierte Form der Kommunikation mit Gott, die er uns gestattet. Darum ist das Beten nicht nur „bitte, bitte“, sondern Beziehungs- und Kontaktpflege.

 

Das müssen manche vielleicht wieder neu lernen oder erstmals einüben, dass wir mit Gott sprechen können. Dabei ist nicht nötig, dass wir besondere Worte oder Formulierungen verwenden. Sondern so, wie uns der Schnabel gewachsen ist, können wir mit lauten oder geflüsterten Worten oder auch nur schweigend mit unseren Gedanken das aussprechen, was uns beschäftigt. Mir hilft dabei die Vorstellung, dass ich mit Jesus einen Spaziergang machen würde. Dann tue ich so, als ob er direkt neben mir geht und ich rede mit ihm. Ich danke ihm für all die guten Dinge, die ich ihm zu verdanken habe. Ich bitte ihn für meine Familie, für die Gemeinde, für die Menschen, die mir am Herzen liegen und die Leidvolles ertragen müssen. Und ich klage ihm auch die furchtbaren Dinge, die ich in den Nachrichten höre und von denen ich weiß. Auf diese Art und Weise kann ich tatsächlich etwas an den prekären Umständen verändern, die ich eben als globale Herausforderungen beschrieben habe. Ich bitte den Schöpfer, dass er seine Schöpfung bewahrt. Ich bitte Gott, dass er mir und anderen die Augen öffnet für eine verantwortungsvolle Lebensgestaltung. Ich bitte ihn um Mut und Veränderungsbereitschaft für andere und für mich.

 

Im Beten bin ich ausgerichtet und eingenordet auf meinen Schöpfer. Deswegen ist mein Beten auch keine Einbahnstraße, kein Monolog. Sondern gerade im Gebet erlebe ich immer wieder in meinem Inneren, in meinem Herzen ein Flüstern oder auch Reden Gottes, eine Inspiration, einen Eindruck oder Hinweise, die vom Geist Gottes mir gegeben werden. Damit geht dann auch einher, dass ich Trost und Hoffnung empfange, aber auch Anweisungen und Aufträge bekomme. Damit komme ich zum zweiten Stichwort in dem Dreiklang:

 

2.             Lieben

 

Das kann man nie genug, darauf kann man auch nie oft genug hingewiesen werden. Allerdings fällt es uns normalerweise in guten und ruhigen Zeiten nicht so schwer, andere Menschen zu lieben. Wenn unser Stresslevel einigermaßen niedrig ist, wenn die Sonne scheint und wir gesund sind und die Ernte gut ausfällt und keine ansteckende Viruserkrankung die Runde macht, dann kriegen wir das auch hin, untereinander beständige Liebe zu haben. Aber wenn „das Ende aller Dinge“ bevorsteht, wenn Angst und Verzweiflung wie eine gasierende Seuche um sich greifen, dann ist die Ermahnung zur Liebe nötig. Wenn wir gestresst sind, sind wir schneller lieblos und gehässig, kleinlich und unbarmherzig. Deswegen brauchen wir Liebe, damit wir lieben können. An dieser Stelle merken wir, wie sehr die beiden ersten Punkte aus dem Bibeltext zusammengehören. Denn „Beten heißt: die Segenskräfte aus der stillen Ewigkeit ziehen in die Weltgeschäfte, in die lärmerfüllte Zeit“ (Marie Hüsing). Beten bedeutet eben auch, dass wir uns der Liebe Gottes öffnen und diese Liebe Gottes zu uns dankbar annehmen und in Anspruch nehmen.

 

Es ist auch nicht von ungefähr, dass der Apostel Petrus die beständige Liebe untereinander mit der Vergebung in Verbindung bringt. Denn wenn die Belastungen größer werden und die Herausforderungen zunehmen und Sorgen und Ängste ins Unermessliche wachsen, dann machen wir Fehler. Dann liegen die Nerven blank, dann bewegen wir uns wie auf dünnem Eis, dann stolpern wir in jeden Fettnapf. Deswegen brauchen wir gerade dann großzügige Vergebungsbereitschaft, dann benötigen wir barmherzige Nachsicht, dann leben wir von der Liebe, die das Böse nicht nachträgt (siehe 1. Korinther 13,4-7).

 

Wenn wir uns aber gegenseitig die Fehler und Versäumnisse vorwerfen, dann wird die Liebe bei vielen eiskalt werden. Und inmitten einer Dürrekatastrophe oder überhitzter Meere erleben wir eine emotionale Eiszeit. Dem sollen wir entgegenwirken und Gott um seine liebevolle Barmherzigkeit bitten, damit wir eine beständige Liebe haben.

 

Als zweite Form der Liebe untereinander nennt Petrus die Gastfreundlichkeit. Damals gab es zwar auch Gasthäuser, aber das waren zweifelhafte und gefährliche Spelunken. Darum war es eine gebotene Selbstverständlichkeit, dass Christen einander Quartier gewährt haben. Die Christen waren darauf angewiesen. Nun können wir diese Art der praktizierten Liebe nicht ohne weiteres auf unsere Verhältnisse übertragen. Und unter Corona-Bedingungen ist das alles nochmal so schwer und kompliziert. Aber mittlerweile ist es einigermaßen gefahrlos und angstfrei möglich, dass man sich wieder besuchen und treffen kann. Nach Monaten der Isolation ist es darum angesagt, dass wir einander einladen zum Kaffee oder Tee oder Essen oder einfach nur so. Diese Art der Gastfreundschaft ist eine hilfreiche und nötige Form der Liebe untereinander. Denn wenn das Ende aller Dinge nahe ist, dann benötigen wir umso mehr vergebende und den Menschen zugewandte Liebe. Und dann brauchen wir noch das Dritte:

 

3.             Dienen

 

In den Gebieten, die vom Hochwasser so furchtbar getroffen und betroffen sind, erfahren wir gerade, wie nötig diese Herzenshaltung und tatkräftige Einstellung sind. Menschen, die für den Dienst an Betroffenen Opfer bringen, sich einsetzen und sich einsetzen lassen. Was wir da in dieser großen Dimension erleben, das passiert in kleinen Häppchen unter uns alltäglich. Solcher Dienst ist im wahrsten Sinn des Wortes not-wendig. Denn da ist Not, die gewendet werden muss und die auch gewendet wird!

 

Das Wort Gottes fordert uns dazu immer wieder auf. Wir sollen aber nicht einfach so loslegen und aufs Geradewohl irgendwas anfangen oder anpacken. Sondern in der Bibel ist sehr pragmatisch davon die Rede, dass wir alle ganz unterschiedliche Gaben und Fähigkeiten, Neigungen und Talente haben. Dabei wollen wir zuerst von den natürlichen Begabungen reden. Die haben wir von Gott bekommen. Allerdings nicht zur Selbstbeweihräucherung, nicht zur egoistischen Beglückung, sondern mit den Gaben sind auch Aufgaben verbunden. Da sind zum Beispiel die ganz praktischen, handwerklichen Gaben. Wo jemand mit diesen Fähigkeiten Gutes tun kann, wenn er oder sie um Hilfe und Unterstützung gebeten wird, soll man auch helfen. Oder manche hat viel Empathie, kann gut zuhören, einen wohltuenden Rat geben und ermutigen. Diese Begabung darf nicht ungenutzt im eigenen Wohnzimmer versauern. Als dritte Beispiel will ich noch materielle Begabungen nennen. Manche haben einfach mehr Geld als andere, manche können mehr spenden. Damit können diese wohlhabenden Menschen viel Gutes tun. Für all diese aufgezählten Möglichkeiten und noch alle anderen Begabungen gilt das, was Jesus mal gesagt hat: „Wem viel gegeben ist, bei dem wird man viel suchen; und wem viel anvertraut ist, von dem wird man um so mehr fordern“.

 

In der Bibel werden neben den natürlichen Begabungen auch noch Gaben erwähnt, die Gott seinen Kindern in besonderer Weise anvertraut. Petrus erwähnt hier exemplarisch zwei: Die Verkündigung des Wortes Gottes und der besondere diakonische Dienst. Diese beiden wie auch alle anderen „Geistesgaben“ sollen immer in Abhängigkeit von Gott eingesetzt werden. Ich persönlich bin sehr dankbar, dass Gott mich berufen und begabt hat, sein Wort zu verkündigen. Und es ist mein Wunsch und mein Gebet, dass ich sein Wort so weitersage, dass darin Gott zu Wort kommen kann. Und als ein vortreffliches Beispiel für jemand, die in der Kraft Gottes dient, darf ich meine Frau erwähnen. Christa hat fast zwei Wochen lang bei einer Jugendfreizeit für über 50 junge Leute und Mitarbeiter gekocht. Das heißt, sie hat alles geplant, eingekauft, verpackt, dort zubereitet und so weiter und so fort. Dafür hat sie eine natürliche Begabung, aber von Gott hat sie die Kraft und Freude bekommen, damit durch diesen Einsatz Gott verherrlicht wird. Er soll gepriesen werden. Denn ihm gehört die Ehre, ihm sind alle Stärke und Kraft und Macht eigen von Ewigkeit zu Ewigkeit.

 

Wir stehen in unserem Land und weltweit vor riesigen Herausforderungen. Die Krisen und die Aufgaben werden immer größer. Darum sind wir auch immer mehr angewiesen auf Gott. Und deshalb werden wir eingeladen und aufgefordert zu beten, zu lieben und zu dienen.

 

AMEN