Der Weihnachtsmann –
und woran wir wirklich glauben können

 

 

 

Liebe Freunde!

 

„Du glaubst wahrscheinlich auch noch an den Weihnachtsmann!“ Wenn uns jemand diesen Satz an den Kopf wirft, dann hält er uns wohl für ziemlich naiv. Wer noch an den Weihnachtsmann glaubt, der ist noch nicht erwachsen, der hält immer noch an kindlichen Träumen und Illusionen fest. Aber viele haben in den ersten Jahres ihres Lebens damit gerechnet, dass ein freundlicher, alter Herr am Heiligen Abend die Geschenke unter den Weihnachtsbaum legt. Deswegen durften ja die Kleinen die Weihnachtsstube ab dem Mittagessen nicht mehr betreten, sondern auf ihrem Zimmer warten. Mit den Geschenken wurden sie dafür belohnt, dass sie immer artig den Teller leer gegessen haben, das Zimmer aufgeräumt, nicht frech zu Oma und Opa gewesen sind und immer brav ihre Hausaufgaben gemacht haben. Aber irgendwann wurden die Eltern dabei erwischt, wie sie die Geschenke gekauft oder eingepackt oder unterm Baum platziert haben. Oder ein aufgeklärtes Kind wie unsere Tochter Karoline hat den Kindern im Kindergarten erklärt, dass es den Weihnachtsmann gar nicht gibt. Diese sachlich richtige Information hat bei den anderen Kindern aber heftigen Widerspruch und Tränen ausgelöst - und meiner Frau ein ernstes Elterngespräch mit der Erzieherin eingebrockt.

 

Aber irgendwann wurden alle Kinder, die an den Weihnachtsmann geglaubt haben, desillusioniert. Sie wurden ent-täuscht, weil sich ihre Vorstellung, Hoffnung, ihr Traum als Täuschung entpuppt hat. Irgendwann haben die meisten auch verstanden, dass das ja gar nicht gehen kann, dass so ein alter Mann mit Rauschebart auf einem Schlitten durch die Lüfte fliegt und allen Kindern auf der Welt die Geschenke in den Schornstein wirft.

 

Das Märchen vom Weihnachtsmann ist aber keine Erfindung von Coca-Cola, auch wenn die ihn 1931 mit dem Bild vom kugelrunden, weißbärtigen und rotgewandeten Opa populär gemacht haben. Die Figur geht auf den Nikolaus zurück, jenen Bischof, der Anfang des 4. Jahrhunderts Armen geholfen und Kinder vor dem sicheren Tod bewahrt hat. Seit dem 14. Jahrhundert hat sich die Sitte einbürgert, dass am 6. Dezember, dem Gedenktag des heiligen Nikolaus, die Kinder beschenkt werden. Ihm zur Seite steht der Knecht Ruprecht. Die beiden spielen im Laufe der Geschichte sowas die „Good Cop – Bad Cop“, guter Polizist – böser Polizist. Der eine belohnt, der andere bestraft. Wir kennen alle das berühmte Gedicht von Theodor Storm, in dem es heißt: „Draußen vom Walde komm ich her, und ich muss euch sagen: es weihnachtet sehr.“ Die Eltern fanden das gut, weil es ihre Erziehung dahingehend unterstützt, die Kinder zur Frömmigkeit und zum Bravsein zu ermahnen.

 

Nun hatte aber der Reformator Martin Luther mit dem ganzen Heiligenverehrungskram überhaupt nichts am Hut gehabt. Deswegen hat er sich auch gegen die Nikolaustradition ausgesprochen. Nicht der Nikolaus bringt Geschenke, sondern das größte Geschenk bringt uns an Weihnachten das Christkind. Das ist ja soweit auch in Ordnung. Aber dann hat sich das Christkind verselbständigt, es kommt alle Jahre wieder auf die Erde nieder und bringt die Geschenke. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts wurden die Geschenke in den Familien immer wichtiger und die biblisch-christliche Tradition immer nebensächlicher. Die Figur des Weihnachtsmannes ist am Ende also die Vermischung vieler Brauchtümer, die sich im Laufe des 19. Jahrhunderts zunehmend vom Christkind und vom ursprünglichen Heiligen Nikolaus löst und immer weltlicher wird.

 

Tja, da haben wir den Salat: der Weihnachtsmann wurde als Mythos entlarvt, und so ganz allmählich hat man das Kind mit dem Bade ausgeschüttet. Weihnachtsmann? Märchen! Nikolaus? Legende! Christkind? Kitsch! Also alles Mumpitz. Und dann wird am Heiligen Abend auch noch gesungen: „Vom Himmel hoch, da komm ich her, ich bring euch gute, neue Mär‘. Der guten Mär‘ bring ich so viel, davon ich singen und sagen will.“ Da haben wir es doch selbst in Luthers Weihnachtslied: Das ist ein Märchen. Das ist natürlich Quatsch mit Soße, weil Luther und seine Zeitgenossen damals 1535 unter „Mär“ keine erfundene Geschichte verstanden haben, sondern einen seriösen Bericht! Und trotzdem: das Grundvertrauen in Weihnachten ist erschüttert!

 

Die bekannteste Erzählung über das eigentliche Weihnachtsgeschehen findet sich in dem Bericht über das Leben Jesu, den der Arzt und Historiker Lukas verfasst hat. Dieser Bericht beginnt mit den Worten: „Es war einmal ein Kaiser mit Namen Augustus …“ Nein natürlich nicht!!! Das würde wie im Märchen klingen. Sondern: „Zu jener Zeit ordnete Kaiser Augustus an, dass alle Menschen in seinem Reich gezählt und für die Steuer erfasst werden sollten.“ Historiker bestätigen mittlerweile, dass die Ausführungen und Berichte des Lukas korrekt und stimmig sind. In seinem Vorwort schreibt er folgendes: „Schon viele haben es unternommen, einen Bericht über all das abzufassen, was sich unter uns ereignet und erfüllt hat. Dabei hielten sie sich an die Überlieferung derer, die von Anfang an Augenzeugen und Diener des Wortes waren. Nun habe auch ich mich entschlossen, allem von Grund auf sorgfältig nachzugehen, um es der Reihe nach aufzuschreiben. So kannst du dich von der Zuverlässigkeit der Lehre überzeugen, in der du unterwiesen wurdest.“

 

Lukas legt großen Wert darauf, dass seine Aufzeichnungen seriös sind, dass sie glaubhaft sind. Wir müssen also an Weihnachten nicht den Verstand draußen lassen und uns auf eine Märchenstunde einlassen, die zwar schöne Gefühle und Friede, Freude, Festtagsessen spendiert, aber mehr nicht. Sondern Weihnachten ist mehr. Es ist das Kommen Gottes in diese Welt. Und das ist nun wirklich ein Wunder. Von daher ist nicht verwunderlich, dass es auch im Zusammenhang mit der Geburt von Jesus Christus, dem Sohn Gottes, einige Wunder gibt, die mit den Naturgesetzen nicht so einfach erklärbar sind.

 

Ein Wunder ist, dass Maria ein Kind bekommt, ohne dass sie vorher mit einem Mann geschlafen hat. Das ist ein Wunder, kein Märchen. Ein Wunder ist, dass die Hirten in jener Nacht eine Engelerscheinung hatten, die dazu geführt hat, dass die Hirten sich sofort auf die Suche nach dem soeben geborenen Heiland und Retter der Welt machen. Das ist ein Wunder, kein Märchen. Ein Wunder ist auch, dass Sterndeuter aus dem Orient sich auf eine lange Reise begeben und den neugeborenen König der Juden aufsuchen und anbeten wollen. Auch das und vieles andere mehr sind Wunder, keine Märchen.

 

Einem Märchen kann man zwar auch ein paar pädagogische Lehren entnehmen. Aber im Grund genommen muss man seinen Verstand an der Garderobe abgeben. Anders verhält es sich mit Wundern. Sie geschehen in Raum und Zeit, in einem überprüfbaren historischen Kontext, sie sind zum Teil sogar überprüfbar. Und sie gehen davon aus, dass Gott die Macht hat, unbeschreiblich Großes zu tun.

 

Der Glaube schließt also den Verstand nicht aus. Sondern der Glaube geht dankbar und gelassen davon aus, dass Gott größer ist als das, was wir mit unserem Verstand erfassen und begreifen können. Wenn wir von dieser Grundannahme ausgehen, dann können wir immer wieder und sehr gern nachfragen, ob die Erzählungen über Jesus richtig sind. Und wir werden, wenn wir ehrlich dranbleiben, immer wieder die Glaubwürdigkeit der Berichte entdecken. Aber ich möchte euch einladen, noch einen Schritt weiterzugehen. Es geht nämlich nicht nur darum, ob ich etwas als richtig erkenne. Sondern vielmehr geht es um die Frage: Was ist wichtig? Was ist wichtig an der Weihnachtsgeschichte? Und zwar wichtig nicht nur für die Leute damals, sondern wichtig für uns heute. Was ist an Weihnachten für dich wichtig?

 

Ganz wichtig an Weihnachten ist das Geschenk. Das Geschenk der Liebe Gottes zu uns ist außerordentlich und ganz besonders. Gott wird Mensch. Das heißt, er lässt sich auf unsere Befindlichkeiten und Bedürftigkeit ein. Nehmen wir an, da ist eine junge Frau, die die Tochter eines armen Waldarbeiters ist (nein, das ist kein Märchen, das ich jetzt erzählen will, sondern eine Beispielgeschichte). Sie ist auch arm, wird vernachlässigt und geschunden. Und der Prinz des Königreiches hat sich in die junge Schönheit verliebt. Wie aber soll er ihr seine Liebe bekunden? Wenn er, wie üblich, mit seinem halben Hofstaat in den Wald reitet und seiner Geliebten den Hof macht, dann wird sich die junge Frau vor lauter Angst noch tiefer im Wald verstecken. Also zieht sich der Prinz um. Seine königlichen Kleider tauscht er ein gegen die Alltagskleidung eines Waldarbeiters. Er arbeitet eine lange Zeit im Wald, er erwirbt sich das Vertrauen der anderen Arbeiter. Er lernt ganz zwanglos die junge Frau kennen. Und dann gibt er ihr zu verstehen, dass er sie liebt, dass er sie heiraten will, dass er sie mit ins Schloss nehmen will. Meine lieben Freunde, das ist wichtig, dass Gott uns auf unserer Ebene entgegenkommt und uns als Mensch auf Augenhöhe eine Liebeserklärung macht.

 

Wichtig ist auch, dass es an Weihnachten aus der Perspektive Gottes weder um eine Belohnung nach um eine Bestrafung geht. Gott belohnt mit der Geburt seines Sohne niemanden, der besonders brav und fromm und artig gewesen ist. Und Gott bestraft mit seiner Menschwerdung auch niemanden, der besonders böse oder scheinheilig, frech oder heuchlerisch gewesen ist. Denn das ist ja das tiefe Wesen und der wunderbare Glanz eines echten Geschenkes: Es kommt von Herzen aus Liebe. Das ist wichtig. So ein Geschenk erschließt sich aber erst dann in seiner ganzen Pracht, wenn wir es in Empfang nehmen und auspacken und annehmen und damit leben.

 

Wenn Gott aber weder belohnen noch bestrafen will, was will er denn dann? Er will voller Empathie unser Leben mit uns teilen. Empathie ist eine ganz wichtige Angelegenheit. Empathie bezeichnet die Fähigkeit und Bereitschaft, Empfindungen, Emotionen, Gedanken, Motive und Persönlichkeitsmerkmale einer anderen Person zu erkennen, zu verstehen und nachzuempfinden. So erklärt Wikipedia diesen Begriff. Man könnte es auch mit „Einfühlungsvermögen“ erklären. Aber bei Gott geht das noch einen Schritt weiter. Er kann nicht nur mein Leiden nachempfinden, sondern er leidet mit. Er kann mich gut leiden. Er mag mich leiden. Er leidet mit mir. Er will in mein Leben einsteigen und mit mir meinen Alltag teilen. Dazu ist er in die Welt gekommen. Der Apostel Paulus hat das einfach und verständlich so auf den Punkt gebracht:

 

„Es ist ein wahres Wort und verdient volles Vertrauen: Jesus Christus ist in die Welt gekommen, um die Sünder zu retten“ (1. Timotheus 1,15).

 

Das ist es, was wirklich wichtig ist. Und es wäre zu schade, wenn wir an Weihnachten nur noch den äußerlichen Rahmen gestalten. Wenn wir uns nur um die feierliche Stimmung bekümmern, die festliche Atmosphäre. Das ist ja auch ganz hübsch und ganz nett. Allerdings ist es in den Wochen und Monaten nach dem Fest nicht mehr wichtig. Im alltäglichen Wahnsinn hat das keinen Platz. Denn der eigentliche Inhalt, um den es letztlich geht, ist flöten gegangen.

 

Wie wär’s, wenn wir folgendes ausprobieren und riskieren. Heute ist ja der 6. Dezember. Da haben viele vielleicht am Vorabend einen Stiefel vor eine Tür gestellt in der Hoffnung und Erwartung, dass jemand was Nettes reintut. Diese Haltung, diese Hoffnung und Erwartung will ich mal übertragen. Stell doch mal einen imaginären Stiefel vor deine Herzenstür und hoffe und erwarte, dass Gott dein zaghaftes Gebet hört. Hoffe und erwarte doch von Gott, dass er dir etwas schenken will, was für dich wirklich wichtig ist. Vielleicht fängt es ja damit an, dass wir bei Weihnachten nicht mehr an den Weihnachtsmann und die Geschenke denken, sondern daran, dass Gott uns mit seinem Sohn seine ganze Liebe schenken will.

 

AMEN