Im Gespräch mit David, dem Verfasser von Psalm 31

 

Liebe Freunde, liebe Gemeinde,

 

es ist mir eine ganz große Freude, dass ich heute mit dem Verfasser von Psalm 31 ins Gespräch kommen kann. Eine imaginäre Zeitreise ermöglicht es, dass wir ihn befragen können zur Entstehung dieses Liedes, über seine Erfahrungen mit Gott und seinen Feinden, über Hass und Liebe, über lähmende Einsamkeit und beglückende Beziehungen.

 

Herzlich willkommen, König David, zweiter Großkönig über Juda und ganz Israel!

 

 

 

Ja, vielen Dank, ich freue mich, dass ich hier sein kann. Aber lass mal bitte den König und das ganze Große weg. Ich bin David, von Gott berufen und geliebt. Und weil ich schon ziemlich alt bin, erlaube ich mir, die Anrede per Du vorzuschlagen und zu verwenden.

 

 

 

Vielen Dank, David. Kannst du uns etwas über die Entstehungsgeschichte von deinem Lied sagen, das in unserer Sammlung unter der Nummer 31 zu finden ist.

 

 

 

Ja, aber so ganz genau kann ich mich gar nicht mehr erinnern. Wahrscheinlich war es in er Phase entstanden, als ich vor meinem Vorgänger, König Saul, fliehen musste. Im Hoheitsgebiet von Saul hatte ich mich nicht mehr sicher gefühlt, deswegen bin ich nach Gath geflohen, das liegt im Grenzgebiet zu den Philistern. Aber da wäre ich beinahe aufgeflogen und enttarnt worden, deswegen sind wir Hals über Kopf nach Mizpe zu den Moabitern abgehauen. Meine Familie konnte ich da in Sicherheit bringen, aber meine Männer und ich konnten auch in dieser Bergfestung nicht lange bleiben. Wir waren unstet und flüchtig und es hat noch ziemlich lange gedauert, bis die Flucht vor Saul endlich vorüber war und ich äußerlich Ruhe und Frieden gefunden habe.

 

 

 

Ich habe dein Lied etliche Male gelesen. Und immer hatte ich den Eindruck, dass du durch ein Wechselbad der Gefühle gegangen bist. Ich lese, dass du so ganz dankbar und geborgen bist, dann aber auch wieder am Boden zerstört und verzweifelt. Ich spüre dein Vertrauen auf Gott und die Geborgenheit bei ihm, aber ich empfinde auch eine überwältigende Hilflosigkeit und das heulende Elend. Wie bist du mit den Tiefen und Höhen umgegangen und zurechtgekommen?

 

 

 

Deinen Eindruck kann ich nachvollziehen. Allerdings habe ich diese unterschiedlichen Erfahrungen ja nicht innerhalb von einer halben Stunde gemacht. Sondern das sind Erlebnisse, die ich in diesem Gebetslied zusammengefasst habe. Aber es stimmt schon: Das Leben mit Gott ist nicht alle Tage geprägt von sonnigen Höhenflügen. Und es läuft nicht alles wie am Schnürchen. Vielmehr fühlt man sich oft eingeschnürt, und nicht nur einmal hing mein Leben nur noch am seidenen Faden.

 

 

 

Aber ist es denn bei dir so gewesen, dass du in guten und geborgenen Zeiten Gott besonders nahe gewesen bist? Und in Zeiten der Hilflosigkeit und Verfolgung war Gott für dich ganz weit weg?

 

 

 

Nein, das Gegenteil war eher der Fall. Ich habe es ja in dem Lied so formuliert - ihr habt übrigens so lustige, hilfreiche Nummern vor den Sätzen, das gefällt mir. Im Vers 2 steht: „Herr, auf dich traue ich!“ Das halte ich gleich mal von Anfang an fest. Denn auf wen soll ich mich verlassen, wenn Saul mich verfolgt und ich meine Heimat verlassen muss? Oder im Vers 15, da sage ich „Ich aber, Herr, ich hoffe auf dich und spreche: du bist mein Gott.“ Das hält mich, weil ich so bitter erfahren habe, wie hundeelend und beschissen es mir geht.

 

Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass ich den größten Blödsinn in meinem Leben immer dann gemacht habe, wenn „Ruhe und Frieden“ hatte. Vor lauter Ruhe und Frieden und aus Langeweile und Müßiggang habe ich die Ehe mit Bathseba gebrochen. Und als ich alt und bequem geworden bin, bin ich auch in die Falle des Stolzes und des Hochmuts gerasselt. Ich wollte unbedingt wissen, wie groß das Volk, wie mächtig das Militär und wie stark die Wirtschaftskraft im Lande sind. Das war Sünde, das war Misstrauen gegen Gott. Ich musste oft Lehrgeld bezahlen, auch bei kleineren Missetaten, die mich Kraft und Energie gekostet haben.

 

Aber du hast in deiner Frage von guten und von schwierigen Zeiten gesprochen. In allen Zeiten, in allen Lebensabschnitten, in allen Epochen meiner Lebensreise habe ich daran festgehalten: Meine Zeiten stehen in deinen Händen. Ganz bewusst habe ich von den Zeiten in der Mehrzahl gesprochen.

 

 

 

Jetzt würde ich gern in größeren Schritten mit dir mal durch das Lied gehen. Im ersten Absatz bittest du Gott: „Errette mich durch deine Gerechtigkeit!“. Kannst du uns bitte erklären, was du unter dieser Formulierung verstehst?

 

 

 

Bei Gerechtigkeit, wie ihr das übersetzt habt, denke ich nicht an eine blinde Frau, die eine Balkenwaage in der Hand hat. Sondern ich denke an die Treue und Zuverlässigkeit Gottes. Er hat sein Wort und seine Zusagen gegeben. Und die „Z’edakah“, so heißt das hebräische Wort, besteht aus seiner Wahrhaftigkeit und seiner Gnade. Ich verlasse mich also darauf, dass Gott sein Wort gegeben hat, dass er zu seinem Wort steht und dass er mir gnädig ist!

 

 

 

Dann steht in dem Vers 6 eine Aussage, die uns heutigen sehr gut bekannt ist: „In deine Hände befehle ich meinen Geist; du hast mich erlöst, Herr, du treuer Gott.“ Wie hast du denn erlebt, dass Gott dich erlöst hat?

 

 

 

Naja, in so vielen Situationen hat Gott mich tatsächlich von dem sicheren Tod erlöst. Das eine Mal bin ich Saul mit knapper Not entkommen, das andere Mal wurde er mit seinem Heer an eine andere Front gerufen. Und als mein Feind sich direkt vor meiner Nase zum Mittagsschläfchen hingelegt hat, und zwar im vorderen Teil einer Höhle, in der ich mich tief drinnen ganz hinten versteckt habe, da hat Gott mich bewahrt vor Rache und Selbstjustiz.

 

Aber ich weiß schon, warum du gesagt hast, dass euch dieser Satz so gut bekannt ist. Ich weiß, dass Jesus von Nazareth, mein Nachfahre, der Christus, der Messias, der Sohn Gottes, mich mit diesem Satz zitiert. Und glaubt mir, das ist mir in der himmlischen Zwischenwelt unter die Haut gegangen. Ich habe vor Freude geweint, als Jesus in Bethlehem, in meinem Heimatort (!), auf die Welt gekommen ist. Ich habe vor lauter Rührung geheult, als die Leute ihn „Jesus, du Sohn Davids“ angesprochen haben. Ich habe vor Entsetzen geschluchzt, als er am Kreuz hing, für meine Missetaten, für meine Sünden, als er rief: „Vater, ich befehle meinen Geist in deine Hände“. Im Gegensatz zu mir hat Jesus sterbend sein Leben in die Hand seines himmlischen Vaters gelegt. Mich hat Gott in so vielen Nöten am Leben erhalten. Jesus aber ist in den Tod gegangen. Hat er nicht auch geschrien: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“? Jesus aber wusste, dass der Vater ihn nach drei Tagen von dem Tod erlösen wird. Wisst ihr, wir vom Volk Gottes des ersten Bundes, wir wussten noch nicht viel von einer Hoffnung, die über den Tod hinausreicht. Und deswegen habe am Ostermorgen vor überschäumender Begeisterung gejubelt und vor Glück Freudentränen vergossen, als Jesus aus dem Tod erlöst wurde und damit die Gewalt des Todes endlich bezwungen hat.

 

 

 

Lieber David, in deine Begeisterung hinein muss ich aber doch eine Frage stellen, die mich umtreibt: Wie kannst du im Vers 7 ungeschminkt von Hass sprechen und gleich danach zu Gott sagen: „Ich freue mich und bin fröhlich über deine Güte!“?

 

 

 

Ja, ich kann mit gutem Gewissen sagen, dass ich bestimmte Personen hasse. Oh, ich merke schon, wie die Gutmenschen die Stirne runzeln und den Kopf schütteln. Beachtet aber bitte, wen ich hasse und was ich daraus für Konsequenzen ziehe. Ich hasse die aus dem Gottesvolk, die sich für fromme Leute halten, die im Gottesdienst Jahwe ihre Opfer bringen, die aber im Herzen und im Alltag ihre Hoffnung und ihr Vertrauen auf nichtige Götzen setzen. Ich hasse diejenigen, die Gott kennen sollten, ihn aber mit ihrer Selbstgerechtigkeit und Überheblichkeit ins Exil geschickt haben. Mir schwillt der Kamm, wenn statt des Wortes Gottes irgendwelche Märchen oder Legenden oder Fabeln erzählt werden. Ich kann sie nicht leiden, nicht zuletzt deswegen, weil ich unter ihnen leiden muss.

 

Aber wie äußert sich diese leidenschaftliche Ablehnung? Eben nicht darin, dass ich diese Leute gewaltsam bekämpfe, dass ich die Andersglaubenden umbringe. Sondern ich halte ganz entschieden fest an meinem Gott und bekenne ihn. Meine lieben Freunde im 21. Jahrhundert! Kann es sein, dass euer Problem heute darin liegt, dass ihr so wenig begeistert seid von euren Heiland und Messias Jesus Christus und dass es euch an Leidenschaft für ihn fehlt?

 

Weil ich Gott von Herzen liebe, deswegen sage ich in einem Atemzug, dass ich die Götzenverehrer hasse und dass ich Gott für seine Güte liebe, dass ich mich so darüber freue, dass er meine Füße auf weiten Raum stellt.

 

 

 

Vielen Dank für dieses leidenschaftliche Plädoyer für mehr Leidenschaft für Gott! Aber David, deine leidenschaftliche Freude und der „weite Raum“, von dem du gesprochen hast, bekommen mit dem zweiten Teil deines Liedes einen empfindlichen Dämpfer.

 

 

 

Ja, unbestritten, solche furchtbaren Erfahrungen habe ich tatsächlich gemacht. Und mit den Umschreibungen habe ich auch nicht übertrieben. Ihr Lieben, ich kann nur alle beglückwünschen, die so etwas noch nicht erlebt haben und vielleicht auch nie erleben müssen. Aber wie sieht es denn aus in eurer aktuellen, heutigen Welt? Passiert das nicht, dass Christen, die diese von mir vorhin angesprochene Leidenschaft für Gott haben und auch danach leben, dass die bedrängt und verfolgt werden? Geschieht das nicht, dass Menschen, die den Messias Jesus Christus, den Sohn Davids, anbeten und ihr Leben ihm weihen, dass solche sich wie ein zerbrochenes Gefäß fühlen und tatsächlich auch gebrochen werden? Und ich will gar nicht in Abrede stellen, dass auch andere Belastungen, körperliche Beschwerden, psychische Überforderungen, alltägliche Grenzerfahrungen dazu führen können, dass ihr sagt: „Mein Leben ist dahingeschwunden in Kummer.“

 

 

 

Ja, aber wie bist du da wieder rausgekommen?

 

 

 

Das waren unterschiedliche Dinge oder Punkte, die mir geholfen haben. Also erstens bin ich so ein „Jetzt-erst-recht-Typ“. Deswegen habe ich ja auch im Vers 15 direkt nach der Beschreibung meines Elends gebetet und geschrieben: „Ich aber, Herr, hoffe auch dich und spreche: Du bist mein Gott!“ Mein Gott, was soll ich denn sonst machen? Ich hoffe und erwarte und rechne damit, dass Gott eingreift. Und das meine ich so: „Lieber Gott, ich habe existenziell bedrohliche Probleme. Aber Du bist mein Gott. Und ich setze alles auf eine Karte, auf deine Karte. Jetzt bin ich aber mal gespannt, wie du eingreifst und handelst!“

 

Zweitens erinnere ich mich zurück an die Güte und Bewahrung, die Gott mir schon geschenkt und gewährt hat. In einem anderen Lied, das ich geschrieben habe, ermutige ich mich selbst, nicht zu vergessen, was ER mir Gutes getan hat.

 

Und Drittens habe ich eine starke Ermutigung und Stärkung in der Gemeinschaft mit anderen Menschen erlebt, die zu Gott gehören. Die Gott lieben und ihm vertrauen, die ihm gehören, die sein Eigentum sind, das sind meine Ermutiger. Das sind meine Helden. Zusammen auf Gott hoffen, zusammen durch dick und dünn gehen, zusammen Gott lieben, zusammen auf ihn warten und harren, das tröstet und ermutigt.

 

 

 

Vielen Dank, lieber David, für diese persönlichen Einblicke in dein Herz und deine Beziehung zu Gott.

 

Würdest du uns die Ehre erweisen, und auf der modernen Harfe unserer Tage, der Gitarre, das Lied begleiten, das sich auf ein Zitat von dir bezieht: „Meine Zeit steht in deinen Händen“!